
Lübbecker Land. Es stand schon einmal sehr schlecht um die heimischen Wälder. In den 90-er Jahren des vorigen Jahrhunderts waren Wiehen- und Wesergebirge davon genauso betroffen wie die Niederungswälder Osterwald, Heisterholz oder auch die großen Waldflächen rund um den Stemweder Berg. Damals hieß das Stichwort: „Saurer Regen".
"Damals konnten wir noch etwas dagegen unternehmen"
Karsten-Holger Raguse, Leiter des Regionalforstamtes OWL mit Sitz in Minden, kann sich noch gut daran erinnern. „Damals konnten wir noch etwas dagegen unternehmen. Wir haben vielerorts mit Kalkungen das Problem zum Teil beheben können. Heute spricht man nicht mehr von diesem Problem", sagt er im Gespräch. Doch die aktuelle Lage des heimischen Waldes sei „weitaus schlechter, ja dramatisch schlecht", so der Fachmann.
„Das Schlimmste daran ist, dass wir so gut wie nichts dagegen machen können, außer darauf zu warten, dass endlich der heiß ersehnte flächendeckende und vor allem lang andauernde Landregen kommt." Doch der ist – trotz inzwischen wieder erträglicheren Temperaturen – immer noch nicht in Sicht.
"Sieht oft so aus als wenn der Herbst beginnt"
Zwei Dinge kommen zusammen, die den Bäumen heftig zusetzen. Die vor allem in unseren Breiten extreme Trockenheit – jetzt bereits im zweiten Jahr – und die starken Aktivitäten von Schädlingen. Raguse: „Das eine bedingt das andere. Weil die Bäume unter Trockenstress leiden, fehlt ihnen das notwendige Wasser, um die Schäden zu bekämpfen, die ihnen Borkenkäfer, Bock- und Prachtkäfer zufügen." Bisher seien, so Raguse, vor allem die Nadelgehölze betroffen, doch zunehmend sind auch Buchen,sogar Eichen und vor allem auch Birken gefährdet. „In vielen Gebieten sieht es schon so aus, als ob der Herbst beginnt."

Wegen der Trockenheit rollen sich die Blätter ein, werden braun und fallen einfach ab. Die Kronen vieler Bäume werden schütter, immer mehr trockene Äste werden sichtbar und schon im Frühjahr würden viele Bäume gar nicht mehr austreiben. Das beobachte der Forstamtsleiter gemeinsam mit seinen Kollegen. „Gott sei Dank haben wir es noch nicht mit einem flächenhaften Absterben zu tun." Etwas besser stünden, so Raguse, die Nordlagen der Mittelgebirge da.
Boden ist auch in tieferen Schichten wie Sand
Dennoch seien viele Bäume einfach nicht mehr zu retten und müssten deutlich beschnitten oder sogar abgeholzt werden. Es bestehe die Hoffnung, dass sie bei ausreichender Feuchtigkeit über einen längeren Zeitraum wieder austreiben könnten.
„Aber sicher ist das nicht", sagt er. Ein Anhaltspunkt, wie prekär die Situation inzwischen sei, erkenne man am Feuchtigkeitsgehalt des Bodens. Dazu würde in der Regel in Tiefen von 25 und 180 Zentimetern gemessen. Aus diesen Bereichen bezögen die meisten Bäume ihr Wasser. „Das ist hier aber knochentrocken. Der Boden sieht aus, als wenn er nur noch aus Sand besteht. Da ist nichts mehr", weiß Raguse.
Zustand der Bäume und ihrer Kronen anschauen
Die Forstbehörden wollten deshalb zwar nicht die Wälder sperren, weil sich immer häufiger trockene Äste – vor allem bei Windböen – lösten und Wanderer gefährdeten. Aber sie appellieren an alle Bürger, häufiger den Blick nach oben zu lenken und sich den Zustand der Bäume und ihrer Kronen anzuschauen.
Dies gelte vor allem in den Städten, an bewaldeten Straßen, Parkplätzen, Geh- und Radwegen. Inzwischen würden schon Schäden durch herabfallende Äste oder umgestürzte Bäume, die auf Autos fallen und Fußgänger und Radfahrer verletzen, gemeldet.
Wald sieht in 30 Jahren gänzlich anders aus
„Natürlich machen wir uns schon seit einiger Zeit Gedanken darüber, wie man gegen diese Entwicklung vorgehen kann", so Raguse. Es gebe aber auch in einigen Jahrzehnten noch Wälder in Deutschland. Er sei kein Freund von angsteinflößenden Katastrophenmeldungen. Doch sehe der Wald in 30 Jahren gänzlich anders aus als heute.
Aufgrund der Erwärmung und der Veränderung des Niederschlags-Verhaltens müssten andere Baumarten gepflanzt werden, die mit diesen Bedingungen besser umgehen könnten. Damit habe man schon angefangen. So würden heute vermehrt Esskastanien und Douglasien nachgepflanzt. „Auch bei den Eichenarten müssen wir andere Sorten pflanzen, die die starken Regenfälle im Winter und die immer häufiger vorkommenden heißen Trockenphasen im Sommer besser aushalten."
Ringen um ertragreiche und klimastabile Wälder beginnt
„Die Vorstellung, eine Waldgesellschaft wie nach der letzten Eiszeit sei ein Garant für klimastabile Wälder, erweist sich immer mehr als großer Irrtum", schreibt Andreas Wiebe, Leiter des Landesbetriebs Wald und Holz NRW in einem Brief an alle Förster des Landes. Dementsprechend müssten beim Ringen um ertragreiche und klimastabile Wälder neue Wege gegangen werden. Dazu gehöre es, das Saatgut bewährter Baumarten aus geografischen Regionen zu nutzen, in denen heute schon ein Klima herrscht, das in einigen Jahrzehnten hier erwartet wird. „Zusätzlich sind wir gut beraten, wenn wir auch auf die Beteiligung von Esskastanie, Roteiche, Douglasie, Weiß- und Küstentanne und auf andere Baumarten setzen, die in den vom Klimawandel bestimmten Wäldern der Zukunft wachsen können", schreibt Wiebe.