Abschied nach 30 Jahren: Warum diese Buchhandlung in Hüllhorst schließt

Hüllhorst. Sie ist die einzige Buchhandlung in der Gemeinde Hüllhorst und für die Menschen vor Ort noch viel mehr als ein Geschäft - nun wird sie im Juni ihre Türen endgültig schließen. Die Nachricht war für viele ein Schock, stetig drücken Kundinnen und Kunden ihre Betroffenheit aus und fragen nach den Gründen. Die Entscheidung ist Inhaberin Kirsten Böttger (39) nicht leicht gefallen. Um einen Tag verpasse die Buchhandlung ihren 30. Geburtstag, bedauert Kirsten Böttger. Das Geschäft wurde von ihrer Vorgängerin am ersten Juli 1995 eröffnet, zum 1. April 2009 hatte Kirsten Böttger es übernommen. Ursprünglich war es auf der anderen Straßenseite an der Hauptstraße 9 zu finden, doch als der Vorgänger am jetzigen Standort - damals war dort ein Elektrogeschäft - aus Altersgründen aufgab, zog der Buchladen im November 2002 um. &bdquo;Direkt im Herzen von Hüllhorst“ mit &bdquo;viel mehr Licht und Platz“ sowie mehr Parkmöglichkeiten hatte die Buchhandlung ihren Platz gefunden. Kirsten Böttger selbst hatte im Sommer 2001 dort ihre Ausbildung angefangen und die aufregende Zeit des Umzugs miterlebt. &bdquo;Ich fand Lesen früher richtig doof“, sagt die Hüllhorsterin und lacht. Doch in der 9. Klasse habe ihr eine Schulfreundin einen dritten Teil aus einer Serie geschenkt. &bdquo;Boyz ’n’ girls“ hieß diese und wurde von der US-amerikanischen Autorin Katherine Applegate geschrieben. Doch mit Band drei anzufangen, das ergibt wenig Sinn, fand die damals 14-jährige Böttger. Darum ging sie dann in Buchhandlung Hüllhorst, um den ersten Band zu bestellen. &bdquo;Dann war’s um mich geschehen. Seitdem liebe ich es, zu lesen“, erinnert sie sich. Die Zeit der Teenie-Herzschmerz-Romane ist lange vorbei, inzwischen liest sie am liebsten Krimis, &bdquo;je blutiger, desto besser“. Zwischendurch dürfe es aber auch mal was fürs Herz sein. Als einige Jahre später Auszubildende für die Buchhandlung gesucht wurden, bewarb sie sich - mit Erfolg. Abschiedslesung von Bestseller-Autor auf der Kahlen Wart geplant Außer der Inhaberin selbst gibt es aktuell noch zwei Mitarbeiterinnen, Christine Selig und Martina Kottkamp. Ihre Elternzeitvertretung Sabine Bicker ist nicht mehr dabei, sie wechselte im Februar zur Mediothek in Lübbecke. Für persönliche Buch-Empfehlungen gibt es extra ein Regal, wo jede Mitarbeiterin auch mit einem Foto vertreten ist. Da sie unterschiedliche Interessen hätten, könnten sie sich gut ergänzen, so Böttger. Auch in den sozialen Medien postet die Buchhandlung Neuzugänge und Empfehlungen. Neben Büchern, Grußkarten sowie kleinen Geschenkartikeln bietet die Buchhandlung Hüllhorst auch Schreibwaren an. Wer keinen eigenen Kopierer hat, der kann das Kundengerät in der Buchhandlung nutzen. Eine bestimmte regionale Spezialität gibt es nur hier zu kaufen: den &bdquo;Ilex Tropfen“. Diesen Schnaps hatte der Heimatverein Nachtigallental vor einigen Jahren herausgebracht. Lesen Sie auch: &bdquo;Mord am Wiehen“: Das ist bei den Lübbecker Krimitagen geplant Auch mit Events und Workshops hat die Buchhandlung das Leben vor Ort bereichert. &bdquo;Wir haben schon einiges gemacht. Weinproben, Handlettering-Kurse, Kerzen-Dippen“, zählt Kirsten Böttger auf. Die selbst gebastelten Fröbelsterne, mit denen sie die Schaufenster in der Weihnachtszeit dekorierte, kamen bei der Kundschaft so gut an, dass diese sich einen Bastelworkshop dazu wünschten. Auch das machte Kirsten Böttger möglich. Seit einigen Jahren organisiert sie außerdem einen Lesetreff, der sich meist einmal im Monat trifft. Ein besonderes Highlight waren auch immer die Lesungen, besonders die auf der Bühne der Freilichtbühne Kahle Wart. Die Atmosphäre dort sei &bdquo;unheimlich gut“, schwärmt die Buchhändlerin. Eine Abschiedslesung auf der Kahlen Wart wird es noch geben. Dafür kommt Bestsellerautor Marc Raabe am 17. Juni nach Hüllhorst. Steigende Papierpreise machen Buchhändlern und Verlagen zu schaffen Welche Gründe stecken hinter der Entscheidung, die Buchhandlung zu schließen? &bdquo;Corona war eine echt schwierige Zeit“, erklärt Böttger. Die &bdquo;ganzen Versprechungen von der Politik mit Überbrückungshilfen und Coronahilfen“ seien am Ende nur &bdquo;heiße Luft“ gewesen, das habe &bdquo;schon wehgetan“. &bdquo;Nach Corona ging es richtig bergauf, man merkte, die Leute sind wieder in Shoppinglaune - doch dann kam der Krieg in der Ukraine.“ Und mit dem Krieg kamen steigenden Kosten für Strom, Gas, Benzin - und auch Papier. Lesen Sie auch: Buchhändler aus dem Kreis Herford empfehlen Kopierpapier habe zum Beispiel früher 2,50 Euro gekostet - jetzt müsste sie eigentlich rund 6 Euro dafür nehmen. Auch ein Päckchen Briefumschläge, das vor ein paar Jahren noch zum Preis von 1,50 Euro verkauft wurde, müsste nun eigentlich vier Euro kosten, erklärt Böttger. Doch wer sei schon bereit, vier Euro für Briefumschläge zahlen? Und was, wenn die Kosten noch weiter steigen? Zusätzlich schlagen auch die Transportkosten stärker zu Buche. Auch wenn die Buchhandlung viele treue Stammkunden habe - der Umsatz sei zurückgegangen. &bdquo;Da muss man irgendwann realistisch sein“, sagt die Buchhändlerin. Zudem laufe der Mietvertrag für das Geschäft nun aus. &bdquo;Wir verabschieden uns lieber jetzt und geben noch mal alles, bevor wir dann in zwei, drei Jahren da stehen und es vielleicht zu spät ist.“ Immer mehr inhabergeführte Buchhandlungen schließen Ab dem 2. Juni soll der Räumungsverkauf starten, der letzte Tag, an dem noch geöffnet ist, wird der 21. Juni sein. Inhabergeführte Buchläden haben es allgemein aktuell schwer, sie werden immer weniger. &bdquo;Ich habe gelesen, dass allein vergangenes Jahr 100 Buchhandlungen in Deutschland geschlossen wurden, und es gab nur 40, die neu aufgemacht haben. Das finde ich krass“, sagt Kirsten Böttger. Auch aus der Gruppe der anfangs 15 Buchhändler, mit denen sie sich jährlich traf, hätten inzwischen 11 geschlossen. &bdquo;Das ist wirklich traurig und schmerzt mir in der Seele.“ Die Hüllhorster werden in Zukunft weiter fahren müssen bis zur nächsten Buch- und Schreibwarenhandlung, Richtung Lübbecke oder Löhne. Wie es für sie selbst weitergeht, steht noch nicht fest. &bdquo;Ich bin für alles offen und bereit, etwas Neues auszuprobieren.“ Nur eine Sache ist sicher: In den Einzelhandel möchte sie nicht zurück. Und auch wenn die Aufgabe des Geschäfts sehr schmerzt, freut sich Kirsten Böttger auch darauf, Zeit mit ihrer Familie zu verbringen, denn im Januar 2024 sind sie und ihr Mann Eltern von Zwillingen geworden. Diesen lesen sie bereits vor, seit sie drei Monate alt waren, damit auch sie mit der Liebe zu Büchern aufwachsen. &bdquo;Lesen ist so wichtig, das ist Urlaub für die Seele.“ 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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