Flutkatastrophe: Gefahren für das flache Lübbecker Land

Lübbecker Land. Die Bilder der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands, die im vergangenen Jahr Menschenleben forderte und eine Spur der Verwüstung hinterließ, sind noch präsent. Wäre die Starkregenfront, die sich über Stunden nicht von der Stelle bewegte, nur 150 Kilometer weiter östlich verlaufen, "dann wäre unsere Region genauso abgesoffen wie die Eifel", sagt der heimische Wetterexperte Friedrich Föst. Gleichwohl wäre das Ausmaß der Zerstörung geringer ausgefallen, als es insbesondere in der Eifelregion und Rheinland-Pfalz der Fall gewesen ist. Denn von der Topografie her ist das Lübbecker Land mit Ausnahme des Wiehen eher flach - hohe Fließgeschwindigkeiten, die ganze Häuser mit sich reißen, können nicht erreicht werden. Soweit die gute Nachricht. Starkregen ließ den Bach auf zwei Meter ansteigen Trotzdem ist das Lübbecker Land "keine Insel der Glückseligkeit" stellt Föst ebenso fest. Überflutete Keller und Garagen, das hat es auch im Nordkreis bei punktuellen Starkregenereignissen schon gegeben. 2015 etwa kämpften 400 Helfer mit Sandsäcken gegen Wassermassen in Levern. Das Unwetter damals ließ sogar Teile eines Hallendaches bei Rila einstürzen. Auch die Hüllhorster können sich gut daran erinnern, wie mehrfach der Tengerner Bach bei heftigen Regenfällen über die Ufer trat. Zuletzt stand das Wasser nach einem Unwetter im Juni 2016 bis kurz vor den Terrassen der Häuser am "Hasenbusch". Starkregen ließ den Bach innerhalb kürzester Zeit von wenigen Zentimetern auf zwei Meter ansteigen. Das Problem ist, dass viele Flüsse in der Vergangenheit begradigt wurden. Das versucht man nun wieder rückgängig zu machen. Die Gemeinde Hüllhorst etwa hat viel Geld in die Hand genommen, um den Tengerner Bach wieder naturnah zu gestalten. Ein weiteres Beispiel für Überschwemmungsschutz-Maßnahmen ist die Renaturierung der Großen Aue im Bereich Espelkamp und Rahden. Solche Naturphänome nehmen künftig eher zu als ab Der Meteorologe Friedrich Föst warnt zu Recht vor allzu großer Sorglosigkeit in Sachen Klimawandel und auch das Ministerium für Umwelt, Landschaft, Natur und Verbraucherschutz hat schon vor Jahren festgestellt: "Hochwasser sind Naturphänomene, die aller Voraussicht nach zukünftig eher zu- als abnehmen werden." So würden sich die eigentlich als 20-Jahres-Ereignisse deklarierten heftigen Regenfälle häufen. Und von der jüngsten Unwetterkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz wird allgemein bereits von der "Jahrhundertflut" gesprochen. Doch welche Auswirkungen hätte denn nun ein vergleichbares Unwetter auf das Lübbecker Land? Trotz flacher Region würden 200 Liter Regen pro Quadratmeter über mehrere Stunden auch die Straßen im Lübbecker Land in reißende Flüsse verwandeln, stellt Friedrich Föst wie berichtet fest. Diese Einschätzung teilt Klaus Flachmeier von der Bezirksregierung Detmold und zuständig für den Hochwasserschutz in OWL. Für ein Unwetter, das als 100-jährliches Hochwasserereignis bezeichnet wird, da es statistisch nur einmal in 100 Jahren auftritt, wäre das Kanalnetz nicht gewappnet. Auch die Verrohrung von Flußläufen wie beispielsweise der Ronceva in Lübbecke, die im Bereich des Lübbecker Marktplatzes offen liegt, kann bei Extremereignissen überfordert sein. Auch Straßen können unpassierbar werden Erosionen auf den Feldern, insbesondere in Hanglage, könnten auch im Lübbecker Land Schlammmassen auf die Straßen spülen und diese unpassierbar machen. Flachmeier hält aber auch fest, dass eine solche Wetterlage ein ziemlich außergewöhnliches und sehr seltenes Ereignis sei. Auch von der Topografie gibt es Unterschiede, denn einen solch schroffen Tallraum wie an der Ahr im Landkreis Ahrweiler, wo das das Wasser von steilen Hängen in den Fluss strömte, gibt es im Lübbecker Land nicht. Dabei gibt es aber durchaus Bereiche, die stärker oder auch weniger stark von Hochwasser betroffen wären. Seit 2010 wurden in NRW für Gebiete, in denen signifikant Überschwemmungen auftreten könnten, Hochwasser-Risikomanagementpläne erarbeitet, um über bestehende Gefahren zu informieren. Für OWL und das Kreisgebiet zeigt sich die Bezirksregierung in Detmold verantwortlich, die Daten zu Niederschlagsmengen, Gewässerprofilen und Geologie zusammengetragen hat. Anhand der Daten wurden Überschwemmungsgebiete überarbeitet, die sich durch die Eingriffe des Menschen im Laufe der Zeit verändert haben. In den Überschwemmungsgebieten gelten strikte Auflagen, insbesondere die Bebauung betreffend. Sanierung der Weserdeiche angestoßen Ende 2020 hat die Bezirksregierung Detmold die Erstellung des Entwurfs neuer Hochwasserrisiko-Managementpläne abgeschlossen. Für alle Kommunen liegen nunmehr detaillierte Gefahren- und Risikokarten für häufige, mittlere und seltene Hochwasserereignisse vor. Daraus leitet sich zudem ein Maßnahmenkatalog für die Städte und Gemeinden ab. Das betrifft den Erhalt von Auen sowie den Bau von Deichen und Regenrückhaltebecken. Angeregt und auch begleitet wird von der Bezirksregierung beispielsweise die Sanierung der Weserdeiche in Petershagen. "Daneben gibt es auch organisatorische Maßnahmen und Arbeitshilfen, um den Hochwasserschutz im gesamten Verwaltungshandeln und dem Bewusstsein der Menschen zu verankern", sagt Klaus Flachmeier. Für viele Maßnahmen gebe es Fördermittel. Auch die Bürger können Einblick in die regionalen Hochwassergefahrenkarten nehmen. Diese sind hier einsehbar. Auf der Übersichtskarte klickt man dazu zunächst auf die Weserregion und kann sich dann den Kreis Minden-Lübbecke heranzoomen, für den dann wiederum detaillierte Gefahr- und Risiko-Karten als PDF für die jeweiligen Kommunen einsehbar sind. Unterschieden werden dabei drei Szenarien: Ein Hochwasser, wie es theoretisch von der Intensität häufiger (einmal in 5 bis 20 Jahren) auftreten kann, oder nur einmal alle 100 Jahre oder noch seltener, was als extremes Hochwasser eingestuft wird. Diese Risikokarte für ein extremes Hochwasser in Bad Holzhausen weist beispielsweise rund 1.620 eventuell betroffene Einwohner im überschwemmten Bereich ohne Hochwasserschutz aus. Der Hochwasserschutz im Bereich der Großen Aue sei gerade auch für die Kommune Pr. Oldendorf und die Menschen dort ein großes Thema, sagt Klaus Flachmeier. Hochwasserfibel mit Tipps zum Gebäudeschutz Auf derselben Internetseite hat das Ministerium auch eine "Hochwasserfibel" mit Tipps des Bundes für den baulichen Hochwasserschutz veröffentlicht. Hier finden Bürger unter anderem Empfehlungen, wie sie ihr Gebäude vor eindringendem Grundwasser und/oder Rückstau sowie ihre Elektroinstallationen oder auch die Heizöltanks absichern können. Manche Maßnahmen sind schon mit einfachen Mitteln umzusetzen. So kann bereits ein Höhersetzen der Lichtschachtmauern oder eine Barriere vor der obersten Kellerstufe einen gewissen Schutz bieten, damit der Keller nicht voll Wasser läuft. Sie interessieren sich für weitere Texte zum Thema Bauen und Wohnen im Kreis Minden-Lübbecke? Auf unserer Themenseite werden Sie fündig

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