Hille/Bielefeld

Prozess um Dreifachmord von Hille: Urteil am 19. Juli

Polizeibeamte durchsuchen das Anwesen in Hille nach möglichen Spuren. | © Stefanie Dullweber

08.07.2019 | 09.07.2019, 06:07

Bielefeld/Hille. Im Prozess um den Dreifachmord von Hille will das Landgericht Bielefeld am 19. Juli ein Urteil verkünden. Nachdem der Vorsitzende Richter Georg Zimmermann am Montag eine Reihe von weiteren Beweisanträgen der Verteidiger abwies, gab er erneut der Staatsanwaltschaft das Wort für ihr Plädoyer. Staatsanwalt Christopher York blieb am Montag bei seiner Forderung aus dem April. Bereits damals hatte er für lebenslange Haft für die beiden Angeklagten plädiert.

Als Anwalt Christian Thüner die Bilder hochhält, die die Angeklagten beim Ausheben eines Grabes zeigen, rollen bei seiner Mandantin Renate K. die Tränen. Es ist das erste Mal, dass sie die Fotos sieht, die Jörg W. und Kevin R. von sich gemacht haben, als sie die Grube geschaufelt haben, in der sie ihre Opfer Gerd F. und Jochen K. verscharrten. „Es ist alles wieder hochgekommen", sagt Renate K. Die Gefühlskälte der beiden mutmaßlichen Mörder sei für sie kaum zu ertragen. So sehr sie sich gewünscht hatte, von den beiden zu hören, warum ihr Bruder sterben musste – jetzt wolle sie gar nichts mehr hören. Sie wolle nur, dass der Prozess endlich zu Ende ist.

Beweisaufnahme ist abgeschlossen

Und das scheint nach gut zehn Monaten tatsächlich bald der Fall zu sein. Das Gericht lehnt die noch ausstehenden Anträge der Verteidigung ab und schließt am Montag die Beweisaufnahme. Die Anwälte von Jörg W. und Kevin R. hatten ein Gutachten mittels Drei-D-Technik gefordert. Es solle Aufschluss darüber geben, wer für die tödlichen Schläge auf den Kopf von Fadi S. verantwortlich ist, so die Begründung. Den Antrag auf Vernehmung eines weiteren Zeugen, von dem Jörg W. im Jahr 2011 die Summe von 120.000 Euro bekommen haben soll, lehnt das Gericht als bedeutungslos ab. Somit ist am Montag vor dem Landgericht Bielefeld der Weg frei für die Plädoyers.

Lebenslange Haftstrafen gefordert

Zunächst hat die Staatsanwaltschaft das Wort. Christopher York hatte sein Plädoyer bereits im April gehalten, dann war das Gericht allerdings erneut in die Beweisaufnahme eingestiegen. Dem seinerzeit gehaltenen Schlussvortrag habe er nichts hinzuzufügen, erklärt York. Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haftstrafen für die beiden Angeklagten. Der Staatsanwalt bleibt auch bei seiner Forderung der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld für den 25-jährigen Kevin R. und den früheren Fremdenlegionär Jörg W. (52). Bei dieser Höchststrafe wäre eine vorzeitige Haftentlassung so gut wie ausgeschlossen. Bei dem älteren der beiden Angeklagten soll das Gericht zudem die nachträgliche Sicherungsverwahrung prüfen. Sowohl Jörg W, als auch Kevin R. hätten sich des gemeinschaftlichen Mordes aus Heimtücke strafbar gemacht, rechtfertig der Staatsanwalt das hohe Strafmaß und die anschließende Sicherheitsverwahrung. Ein weiteres Mordmerkmal, das Jörg W. belastet, sei Habgier.

Nebenklage-Anwalt Christian Thüner braucht für sein Plädoyer zwar nur wenige Worte – die sind aber umso eindrucksvoller. Zunächst verliest er die Todesanzeige, die Renate K. für ihren Bruder aufgegeben hatte. Er sei tragisch und sinnlos aus dem Leben gerissen worden, heißt es darin. Es bestehe kein Zweifel daran, so Thüner, dass die beiden Angeklagten die Tat zu verantworten hätten.

"Morgen buddeln"

Dafür spreche zum einen der Handy-Chat, in dem Jörg W. am 26. August 2017 schrieb: „Wir müssen noch etwas machen." Nur 14 Sekunden später antwortete Kevin R. „Warum? Wir machen das schon." Diesen Abend habe Jochen K. nicht überlebt, so Thüner. Nur einen Tag später eine weitere Nachricht von Jörg W. an seinen Ziehsohn mit dem Inhalt: „Doris weiß jetzt Bescheid. Alles bestens." Am 8. September schließlich die Nachricht von Kevin R. an Jörg W.: „Morgen buddeln". Von den immer wieder geschilderten Ängsten des 25-Jährigen vor seinem Ziehvater könne demnach ja wohl keine Rede sein, stellt Thüner fest.

Bevor sich der Anwalt den Forderungen der Staatsanwaltschaft anschließt, zeigt er die Bilder, die auch ihm noch lange Zeit im Gedächtnis bleiben würden. Etwa hüfttief stehen Jörg W. und Kevin R. in der Grube, halten einen Spaten in der Hand und lachen in die Kamera, während der jeweils andere die Aufnahme macht. „Sie sitzen zurecht auf der Anklagebank", sagt Thüner.

Gefährlich für die Allgemeinheit

Die beiden Rechtsanwälte, die die Familie des getöteten Libanesen Fadi S. verteidigen – Assal Pezeshkian und Samir Omeirat – schließen sich ebenfalls der Staatsanwaltschaft an, fordern außerdem für beide Angeklagte die nachträgliche Sicherungsverwahrung. Sie seien gefährlich für die Allgemeinheit und die Prognose für weitere Morde sei hoch, so die Begründung.

Für viele sei Fadi S. im Prozess nur ein Name geblieben, aber den Angehörigen sei es ein Bedürfnis mitzuteilen, was für ein Mensch der zweifache Familienvater war, sagt Omeirat und geht auf die Biografie des 30-Jährigen ein. Der Anwalt schildert das Leid der Angehörigen und spricht die vermeintliche Geschäftsbeziehung zwischen dem gelernten Mauerer und dem Hilfsarbeiter aus Hille an. Bei der bewussten Täuschung von Fadi S. hätten sowohl Jörg W. und Kevin R. als auch Doris W. ihre Rollen gespielt. „La Familia – bis in den Tod", zitiert Omeirat aus einem Handy-Chat. Heute wisse man, dass der Zusammenhalt nicht einmal bis zur Anklagebank gereicht hätte.

Fehlendes Unrechtsbewusstsein

Nach Auffassung der Nebenklage-Anwälte haben die beiden Angeklagten die Taten als Duo geplant und ausgeführt – wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen. Bei Jörg W. sei es Geldgier gewesen, bei Kevin R. die Faszination an einem exklusiven Erlebnis. Die menschliche Kälte und das fehlende Unrechtsbewusstsein seinen erschütternd. Omeirat: „Das ist einfach nur berechnend."

Der Prozess wird am Freitag, 12. Juli, mit den Schlussvorträgen der Verteidiger fortgesetzt.