Ehrenämtler helfen

Die Tafel in Leopoldshöhe hilft, Not zu lindern

Es sind die stillen Helden des Alltags, die sich darum kümmern, wie man Lebensmittel für Bedürftige organisiert. Die Tafel funktioniert schnell, geräuschlos und ehrenamtlich.

Ehrenamtliche Arbeit macht Spaß und ist absolut sinnvoll sagen die Mitarbeiterinnen der Tafel: Silvia Bickhoff (v. li.), Monika Strototte, Birgit Andretzky, Gabi Köchling. Birgitt Psiorz und Barbara Gerstenberger-Bredenbals. | © Horst Biere

Horst Biere
03.03.2025 | 03.03.2025, 00:00

Oerlinghausen / Leopoldshöhe. Es ist zehn Uhr morgens in Oerlinghausen. Ein weißer, geräumiger Lieferwagen schiebt sich am Rewe-Markt in die Lücke zwischen Einkaufswagen und parkenden Autos. Als sich die Autotür öffnet, lassen sich zahllose grüne Stapelboxen erkennen. Kisten gefüllt mit Äpfeln, Bananen, Pilzen, Möhren im Bund, Joghurt – auch eingeschweißte Pizza oder Puddingbecher. Eine bunte Mischung, Queerbeet durch das Sortiment der Nahrungsmittel. Schnell und routiniert laden die zwei Tafel-Mitarbeiter Frank Pätzold und Hartmut Ringel weitere Behälter dazu. Voll mit Brokkoli unter Folie oder bunten Paprikaschoten in Cellophan-Verpackung, alles erscheint frisch, doch vieles liegt in der Nähe des Verfalldatums.

„Was welk und verschrumpelt aussieht, sortieren wir gleich hier an der Rampe in Abfallbehälter“, erklärt Hartmut Ringel den raschen Sammelprozess, „das meiste erkennt man mit bloßem Auge.“ „Die Marktmitarbeiter sind ja auch froh, dass wir die verwertbaren Lebensmittel weiterleiten und sie sie nicht vom Kühlregal in den Container geworfen werden müssen“, setzt Frank Pätzold hinzu. Dann sind die Lebensmittel eingeräumt, und es geht weiter zu den nächsten Supermärkten in der Südstadt.

Die Lebensmittelsammler. Aus 16 Supermärkten holt das aktuelle Fahrerteam Hartmut Ringel (li.) und Frank Pätzold die ausgemusterte aber noch gut erhaltene Ware für die Tafel Oerlinghausen / Leopoldshöhe ab. - © Horst Biere
Die Lebensmittelsammler. Aus 16 Supermärkten holt das aktuelle Fahrerteam Hartmut Ringel (li.) und Frank Pätzold die ausgemusterte aber noch gut erhaltene Ware für die Tafel Oerlinghausen / Leopoldshöhe ab. | © Horst Biere

Seit acht Uhr morgens sind die beiden Fahrer im Einsatz. Immer wenn der Lieferwagen gefüllt ist, steuern sie zwischendurch das Depot in Asemissen an. Insgesamt 16 Märkte werden von der Tafel jeden Tag angefahren. In Leopoldshöhe ebenso wie in Billinghausen, in Oerlinghausen und Helpup ebenso wie in Lipperreihe. Überall gibt’s die gleiche kurze Anmeldung beim Personal: „Einmal für die Tafel bitte.“ „Alles hinten am Wareneingang kurz vor der Rampe“, lautet die ebenso knappe und zumeist freundliche Antwort.

Szenenwechsel. Zur gleichen Zeit gegen zehn Uhr morgens. Jetzt beginnt im Depot der Tafel an der Asemisser Allee der Arbeitstag für eine weitere Gruppe von Mitarbeiterinnen. Es herrscht eine lockere Atmosphäre, man kennt sich, arbeitet seit langem immer im selben Team. Es gilt, die frisch angelieferte Ware aus den heimischen Supermärkten für die Ausgabe an die Kunden vorzubereiten.

Pro Woche werden 650 Personen versorgt

An langen Tischen werden andere grüne Boxen eingeräumt. Diesmal jedoch bestückt man sie individuell für die jeweiligen Kunden, die bedürftigen Familien oder Einzelpersonen aus Oerlinghausen und Leopoldshöhe. „Wir versorgen etwa 650 Personen wöchentlich“, beziffert Birgitt Psiorz, die Leiterin der Tafel, die Anzahl der Lebensmittelempfänger, die von diesem Depot in Asemissen aus bedient werden.

Seit 17 Jahren arbeitet sie für die Hilfsorganisation, die in Bad Salzuflen ihren regionalen Sitz hat. Seit etwa einem Jahrzehnt leitet sie die große, selbstständige Filiale in Asemissen, die das Gebiet Oerlinghausen und Leopoldshöhe abdeckt. Und Birgitt Psiorz ist ehrenamtlich tätig, wie alle anderen 73 Mitarbeitenden dieses Depots auch.

Tafel-Chefin Birgitt Psiorz – seit vielen Jahren leitet sie routiniert die Lebensmittelverteilung für Bedürftige. - © Horst Biere
Tafel-Chefin Birgitt Psiorz – seit vielen Jahren leitet sie routiniert die Lebensmittelverteilung für Bedürftige. | © Horst Biere

Wie ein kleines Unternehmen funktioniert die Tafel in der großen Lagerhalle in der Nähe des Bahnhofs offensichtlich. Zwar basiert die Hilfsorganisation vor allem auf Spenden und ehrenamtlichem Engagement. Doch auch die freiwillige Mitarbeit und die saubere Verteilung müssen quasi betriebswirtschaftlich gesteuert werden. Birgitt Psiorz erläutert, wie die Versorgung generell aufgebaut ist: „Fünf Tagesteams sind für die jeweiligen fünf Wochentage eingeteilt. Jeder Freiwillige ist also nur einmal in der Woche gefordert. Wir arbeiten hier in drei Schichten am Tag.“ Morgens werden die Lebensmittel vom Fahrerteam aus den Supermärkten abgeholt und zum Depot gebracht.

Am Vormittag beginnt das nächste Team mit der Sortierung der angelieferten Lebensmittel für die Kunden und packt die jeweiligen Kisten. Und ab dem frühen Nachmittag öffnet sich der Ausgabeschalter für die Nutzer der Tafel. Dann steht ein weiteres Arbeitsteam hinter dem Tresen. „Gegen eine Gebühr von etwa zwei bis fünf Euro pro Box (je nach Personenzahl) bekommen die Familien oder Einzelpersonen ihre speziell für sie gepackte Kiste“.

Alle Kunden sind registriert, den notwendigen Berechtigungsschein stellte die Kommune aus. „Wir schauen auch darauf, dass nur diejenigen die Lebensmittel bekommen, die dort erfasst sind“, sagt Psiorz. Wer zum Kreis der Kunden gehört, ist in einer der Karteikästen auf ihrem Schreibtisch zu finden.

Es ist aber wohl die individuelle Versorgung der bedürftigen Menschen, die die größte Herausforderung für das Tafel-Team bildet. Denn ältere wie jüngere Menschen, Muslims wie Christen, Familien wie Singles, Personen aus Deutschland, Syrien oder – immer mehr – aus der Ukraine stehen an den Nachmittagen am Ausgabeschalter und bitten um ihre Lebensmittelboxen. Unterstützung leistet hier kein Computer, sondern ein System von Kundenkarten in Folie, die wie riesige Visitenkarten an den Kästen angebracht sind.

Anzahl der Hilfsbedürftigen wächst

Aufgedruckt ist der Name der Familie, die Adresse, die Anzahl der Personen und die Besonderheiten durch zusätzliche Vermerke, wie „Kein Schweinefleisch“, „Keine Milch“ und sogar „Kein Stinkekäse“. Doch das Verteilungssystem klappt offensichtlich, jede notleidende Familie wird versorgt. Aber die Anzahl der Hilfebedürftigen wächst und es gibt bereits eine Warteliste.