So fühlt sich eine Seniorenheim-Bewohnerin in Zeiten von Corona

Espelkamp. Cecilie F. (Name geändert) lebt schon länger im Ludwig-Steil-Hof, einer diakonischen Einrichtung mit stationärem Seniorenheim. Die 85-Jährige kennt viele der mehr als 100 Bewohner. &bdquo;Wie geht es dir, Lucy?“, fragt sie eine Seniorin, die sie im Foyer des Volkeninghauses trifft. Lucy geht es gut, was Cecilie F. freut. Seit rund zwei Wochen hatte sie keinen Kontakt mehr zu ihr. Auch nicht zu den anderen Heimbewohnern. Weil es Ende November zu einem Corona-Ausbruch in der Einrichtung kam, folgte sie der Empfehlung der Einrichtungsleitung und blieb auf ihrem Zimmer. So konnte die 85-Jährige auch keinen Blick auf den großen Weihnachtsbaum werfen, der traditionell das Foyer im Volkeninghaus in der Adventszeit schmückt. Dort, wo sonst Geselligkeit herrscht, stehen jetzt nur vier Tische mit zwei Stühlen, die den einzuhaltenden Abstand bei Besuchen gewährleisten. Die waren allerdings von Ende November bis Mitte Dezember untersagt, weil sich 20 Bewohner und 20 Mitarbeiter mit dem Virus infiziert hatten. Die Situation hat sich wieder entspannt, und unter den bekannten Sicherheitsvorkehrungen wie Fiebermessen am Empfang und ganz neu auch der Möglichkeit von Corona-Schnelltests dürfen Angehörige die Bewohner nun wieder besuchen. Cecilie F. hat noch eine Schwester, die in der Nähe lebt. Die hat sie aber schon seit dem Frühjahr nicht gesehen und wird dieses Jahr auch nicht das Weihnachtsfest wie sonst bei ihr verbringen. Denn die Schwestern wollen wegen ihres hohen Alters kein unnötiges Infektionsrisiko eingehen. Die Tage auf dem Zimmer waren für Cecilie F. nicht ganz einfach. &bdquo;Ich habe mich schon allein gefühlt“, sagt sie. Aber es sei ja zum Schutz aller Bewohner notwendig gewesen, hat sie Verständnis für die Maßnahme. Das Essen, das sie sonst in der Wohnküche mit den anderen Bewohnern einnimmt, wurde ihr gebracht. Von Mitarbeitern in Schutzanzug mit Face-Shield und FFP-Maske vor dem Gesicht, um das Infektionsrisiko für alle so niedrig wie möglich zu halten. &bdquo;Ich konnte gar keinen mehr erkennen“, erzählt die 85-Jährige. Von den anderen Bewohnern habe sie nicht viel gehört in der Zeit. Nur, dass jemand infolge einer Corona-Infektion gestorben sei, wusste sie. Aber nicht wer, da es ein Bewohner einer anderen Wohngruppe war. Die Namen der Verstorbenen des gesamten Hauses werden normalerweise im Gottesdienst verlesen und in einem hauseigenen Kondolenzbuch veröffentlicht. Doch das konnte Cecilie F. nicht lesen, da sie ihren Wohnbereich wegen Corona nicht verlassen mochte. Sie habe das Personal auch nicht mit ständigen Fragen behelligen wollen, &bdquo;denn die haben so viel zu tun jetzt“, sagt sie. &bdquo;Und sie dürfen vielleicht auch keine Auskunft geben.“ Das Personal, das ja auch täglich in die Zimmer der Infizierten gehen müsse, tue ihr leid. Für das Personal ist es keine einfache Situation, weiß auch Einrichtungsleiterin Peggy Meerkötter-Puller. &bdquo;Die Mitarbeiter sind trotz der belastenden Situation mit viel Mehrarbeit sehr engagiert und arbeiten teils über ihre Grenzen hinweg. Sie versuchen das Bestmögliche für die Bewohner und dazu gehört auch ein offenes Ohr für die Nöte und Ängste in der Pandemie.“ Peggy Meerkötter-Puller ist auch wichtig zu betonen, dass im Ludwig-Steil-Hof kein Bewohner allein sterben müsse. Auch in Zeiten eines coronabedingten Besuchsverbotes könnten sich Angehörige selbstverständlich von ihren Liebsten verabschieden. &bdquo;Das wäre ja schlimm, wenn das nicht möglich wäre.“ Cecilie F. hat keine Angst, sich das Virus einzufangen, erzählt sie. &bdquo;Ich sehe mich schon vor, dass ich das nicht bekomme.“ Aber das Virus sei gefährlich. Nicht nur, weil es den Tod bringen könnte, sondern auch wegen der Spätfolgen. Darüber habe sie schon einiges im Fernsehen gesehen. Auch über die Demos der Corona-Leugner. &bdquo;Die Leute müssen doch Masken tragen.“ Der Fernseher sei ihre Rettung während der Zeit auf ihrem Zimmer gewesen. Sie habe zudem viel gelesen und Sitzgymnastik gemacht. Sonst schaut die 85-Jährige auch immer gerne aus ihrem Fenster auf den Vorplatz des Volkeninghauses. Sie beobachtet das geschäftige Treiben, das Kommen und Gehen der Besucher, das An- und Abfahren der Autos. Doch durch den Corona-bedingten Besuchsstopp gab es ja nicht viel zu sehen. Hin und wieder mal ein Lieferfahrzeug. Dazu noch das trübe Wetter. &bdquo;Das war schon deprimierend.“ Das gesellige Beisammensein mit den anderen hat sie sehr vermisst. Sei es der samstägliche Gottesdienst, der Spielenachmittag, die Bewegungsangebote oder das Basteln und Singen. Auch die Ausflüge in die Stadt fehlen ihr. In normalen Zeiten nimmt sie den Bürgerbus, schaut sich in den Geschäften um und geht auch gerne in den Discounter. Dort gebe es die besten gefüllten Pfefferkuchen, die in der blauen Packung, die sie so gerne isst. &bdquo;Eine Packung habe ich noch.“ Aber was sollte sie jetzt auch in der Stadt. &bdquo;Die meisten Geschäfte haben ja zu.“ Die 85-Jährige überlegt schon, ob sie sich nicht ein Handy anschaffen sollte. Dann könnte sie immer mit ihrer Schwester telefonieren. Sie hofft, dass durch die Impfungen bald alles wieder besser wird, und will sich selbst unbedingt impfen lassen. &bdquo;Aber man muss natürlich trotzdem noch vorsichtig sein und kann vielleicht andere mit dem Virus anstecken.“ Auch das hat sie im Fernsehen gehört. Dass jetzt der Friseur wegen des Lockdowns nicht mehr wie sonst jeden Dienstag in den Steil-Hof kommen kann, findet sie schade. Eigentlich wollte sie sich vor Weihnachten die Haare machen lassen. Das müsse jetzt warten. Und auch, dass es die schöne, große Weihnachtsfeier für alle Bewohner im Volkeninghaus wegen der Pandemie nicht geben kann, betrübt sie. &bdquo;Aber vielleicht gibt es ja wenigstens eine kleine Feier in unserer Wohngruppe“, hofft sie. Da kann Peggy Meerkötter-Puller von der Einrichtungsleitung beruhigen, die gerade in dem Moment wieder dazukommt. Es soll eine Feier für alle Bewohner der Wohngruppe, die als ein Haushalt zählt, geben. Eine Feier mit Kaffee und Kuchen und Weihnachtsmusik – &bdquo;aber singen dürfen wir nicht.“ Ein Weihnachtsmann wird nicht dabei sein. &bdquo;Dafür aber ein Schneemann“, sagt Peggy Meerkötter-Puller in ihrem schneeweißen Corona-Schutzanzug. Wie gehen Familien mit Corona um, wie die Jugend und wie ältere Menschen, die im Seniorenheim leben?Das fragt nw.de nach und stellt in einer dreiteiligen Serie unterschiedliche Generationen aus dem Lübbecker Land und ihre Erfahrungen mit der Pandemie vor. Den Anfang machte Familie Wall aus Espelkamp.

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