Vermeintlicher AfD-Doktor aus Bad Oeynhausen: Die unzeitgemäß langsamen Mühlen der Justiz

Am 9. September veröffentlichte die Neue Westfälische ihre Recherchen zur Biografie des AfD-Bürgermeisterkandidaten Michael Grove. Die nähren nicht nur den Verdacht, dass Grove seien Doktortitel zu Unrecht trägt, sondern mästen ihn. Zehn Wochen später sieht sich die Staatsanwaltschaft Bielefeld außerstande, Fragen zum Stand des Verfahrens zu beantworten. So ist noch immer unklar, ob die Staatsanwaltschaft überhaupt einen Anfangsverdacht für eine Straftat erkennt. Von weiteren Anfragen in den nächsten sechs Wochen bittet die Strafverfolgungsbehörde abzusehen. NW-Redakteure hegen den Verdacht, dass die &bdquo;sechs Wochen“ der beliebteste Textbaustein der Staatsanwaltschaft im Umgang mit der interessierten Öffentlichkeit sind. Sie finden und fanden Anwendung bei Fragen zum Stand der Ermittlungen in der Causa Wittekindshof, bei Nachfragen zu den Vorwürfen gegen den ehemaligen Geschäftsführer der heutigen Städtischen Gesellschaft für Wohnen (SGW) und bei Recherchen zu den Ermittlungen gegen den ehemaligen Leiter der Feuer- und Rettungswache. &bdquo;Wenn überhaupt, fragen Sie in sechs Wochen noch einmal nach“, lautet das Mantra. Die Mühlen der Justiz, heißt es, mahlen langsam aber, trefflich klein. Das mag sein, kollidiert aber in der Gegenwart mit einer Aufmerksamkeitsökonomie, die die Bereitschaft der Kundschaft sich mit einem Thema zu befassen, in Sekunden misst. Diese Ungleichzeitigkeit der Systeme Strafverfolgung und Öffentlichkeit mögen Romantiker als sorgsame Entschleunigung deuten. Doch im Falle eines Bürgermeisterkandidaten mit Reichsadler-Tattoo, der dem Souverän als weltgewandter, promovierter Top-Ökonom verkauft wurde, könnte man von den zuständigen Strafverfolgern bei aller gebotener Sorgfalt ein wenig Eile und/oder eine entsprechende Priorisierung erwarten. Zum Thema: Bad Oeynhausener AfD-Bürgermeisterkandidat verzichtet auf Ratsmandat Michael Grove war nie an der Uni Bielefeld eingeschrieben Die ist nämlich von Nöten, weil die AfD im Aufmerksamkeitskrieg in den sogenannten sozialen Medien ein Tempo und eine Aggressivität an den Tag legt, die schnell vergessen machen will, welche Alternative man den Kurstädtern als Bürgermeister anempfohlen hat: einen mutmaßlichen Hochstapler, der offenbar noch nicht einmal einen Hochschulabschluss sein Eigen nennen dürfte. Jetzt mag der sich stetig nach rechts neigende Zeitgeist diktieren, dass das &bdquo;öffentliche Interesse“ an einer schnellen Strafverfolgung eher gering sei, doch politische Vorlieben bestimmen wohl (noch) nicht, wer wofür vor den Kadi muss. Eigentlich ist die Arbeit schon getan. Die NW-Recherchen belegen, dass die Universität Bukarest nichts von einem Promotionsverfahren des Michael Grove weiß und auch die Universität Bielefeld erklärt auf Nachfrage, dass der AfD-Kandidat nie dort eingeschrieben gewesen sei. Transparenzhinweis: Die Kreispolizeibehörde Minden-Lübbecke hat versucht, einen NW-Redakteur als Zeugen zu hören und um Herausgabe seiner Rechercheergebnisse gebeten. Dieses Verlangen musste die NW schon deshalb ablehnen, weil der Kollege als Zeuge befangen gewesen wäre, den Fall weiterzuverfolgen. Das aber scheint dringend vonnöten zu sein. Eigentlich dürften die detaillierten Veröffentlichungen der NW zum falschen AfD-Doktor ausreichen, um schnell und problemlos nachvollziehen zu können, wie es Grove geschafft hat, dass die Stadt Bad Oeynhausen ihm &bdquo;seinen Doktor“ in den Ausweis drucken ließ. Hintergrund: Vermeintlicher AfD-Doktor aus Bad Oeynhausen hat offenbar keinen Uni-Abschluss &bdquo;Fall des falschen AfD-Doktors“ offenbar noch gar kein Fall Dass eine Plausibilitätsprüfung und die Inaugenscheinnahme eines &bdquo;Dokumentes“ im Bürgerbüro ausreichen, um nicht nur in Bad Oeynhausen zur &bdquo;Doktorwürde“ zu gelangen, widerspricht der Unterstellung, die Verwaltungen seien überbürokratisiert. Und selbst geneigte Beobachter könnten mutmaßen, dass dieser peinliche Akt der &bdquo;Beurkundung“ einer mutmaßlich nicht erbrachten Leistung schnell aus der Öffentlichkeit verschwinden soll. Die Stadt Bad Oeynhausen geht davon aus, dass die Staatsanwaltschaft ermitteln muss. Doch der &bdquo;Fall des falschen AfD-Doktors“, der offenbar noch gar kein Fall ist, hat eine Dimension, bei der die Strafverfolgung an Grenzen stößt. Es mag für Juristen ein Bagatelldelikt sein, doch ist es zumindest auch ein manipulativer Einfluss auf eine demokratische Wahl. Wer unter falschen Vorzeichen antritt, die Stadt zu retten, der kündigt oder ignoriert von vornherein den ungeschriebenen Konsens unter Demokraten: die Aufrichtigkeit. Wer verbale Güllekübel über die &bdquo;Altparteien“ entleert und dann versucht, sich ins Amt zu lügen, der macht sich eines schwereren &bdquo;Verbrechens“ schuldig als das der Urkundenfälschung. Deshalb gehört der &bdquo;Fall Grove“ möglichst schnell wieder auf die Tagesordnung, denn das hilflose Schweigen der ansonsten deutsch tönenden AfD-Propaganda zum falschen Doktor spricht Bände. In diese offene Flanke muss stoßen, wer will, dass sie nicht endgültig geschlossen wird. Lesen Sie auch: Doktor ohne Uni-Abschluss? Das sagt die AfD Bad Oeynhausen zu der Affäre

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