Junge Kandidaten wollen in den Bad Oeynhausener Rat, um zu lernen

Bad Oeynhausen. &bdquo;Wir nutzen eine Option, die die Demokratie uns bietet“, sagt Stefan Ott, der 2016 den Verein &bdquo;Jurats“ (Junge Ratsmitglieder e.V.) gegründet hat. Er meint, dass das Kommunalwahlrecht in Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit bietet, die Reserveliste zu nutzen, um junge, unerfahrene Kandidaten in den Rat zu bringen. Und diese Möglichkeit wollen Ott und seine jungen Mitstreiter nicht verstreichen lassen. Auf der &bdquo;Jurats“-Reserveliste sind die ersten Plätze konsequent mit U30-Kandidierenden besetzt. Damit zielen sie auf die Verhältnisanteile im Rat, also auf die Sitze, die nach Stimmenzahl auf die Listen verteilt werden. Das Kommunalwahlrecht in Nordrhein-Westfalen verbindet zwei zentrale Elemente: die Wahl von Direktkandidaten in Wahlbezirken und die Zuteilung von Mandaten über sogenannte Reservelisten. Jede Kommune ist in Wahlbezirke aufgeteilt, in denen jeweils ein Ratsmitglied direkt gewählt wird. Hier gilt das Mehrheitsprinzip: Wer die meisten Stimmen erhält, zieht in den Rat ein. In NRW gibt es nur eine Stimme; sie zählt zugleich für die/den Direktkandidaten im Wahlbezirk und für die zugehörige Liste. Für neue, kleine Listen heißt das: Schon ein niedriger, einstelliger Prozentanteil reicht oft, um über die Liste in den Rat einzuziehen. Und darauf spekulieren die &bdquo;Jungen Ratsmitglieder“. Alles zum Thema: Kommunalwahl 2025 im Kreis Minden-Lübbecke Politische Karriere ohne die &bdquo;Ochsentour“ &bdquo;Jurats“ versteht kommunale Mandate ausdrücklich als &bdquo;Ausbildungsplätze für die Repräsentanten von morgen“ – &bdquo;doing by learning“. So werde der kommunalpolitische Nachwuchs sichtbar, legitimiert und planbar in Ämter gebracht. Parallel vernetzt der Verein gewählte junge Ratsmitglieder zu einem &bdquo;Zukunftsrat“ – einer selbst beanspruchten, demokratisch legitimierten Stimme der Jugend. Das Ziel ist ausdrücklich Nachwuchsförderung als kommunale Aufgabe und die Stärkung der repräsentativen Demokratie von unten: erst kommunale Verantwortung, dann (vielleicht) Parteikarriere. Oder, in ihrer eigenen Logik: weniger parteipolitische Abschreckung, mehr Einstieg über Listen – mit garantierter Rotation. Das &bdquo;Jurats-System“ wendet sich dezidiert gegen die sogenannte &bdquo;Ochsentour“, bei der der politische Nachwuchs in den Ortsvereinen und Stadtverbänden nach und nach an politische Ämter herangeführt wird. Das kann Jahre dauern. Die &bdquo;Jungen Ratsmitglieder“ sind davon überzeugt, dass sich dieses Verfahren überholt hat. Der Altersdurchschnitt der Räte belege das eindrücklich &bdquo;Wer da sitzt, vertritt nicht die Interessen der jungen Generation“, ist sich Stefan Ott sicher. Ott, der inzwischen selbst auf die 60 zugeht, diagnostiziert der Demokratie ein strukturelles Problem, weil die Zivilgesellschaft die Parteien mit der Aufgabe der politischen Nachwuchsförderung alleine lasse. Die Parteien seien mit der Aufgabe überfordert sind, weil es sich bei Parteien primär um Konkurrenzgemeinschaften handele und ihre Funktionäre meistens nicht sich selbst oder ihre Ebene meinten, wenn sie von Erneuerung sprächen. Hinzu käme, dass Antidemokraten Hass auf das politische Personal schürten, weil sie darauf setzten, dass das Wahlvolk irgendwann das Kind (Demokratie) mit dem Bad (Repräsentanten) ausschütten werde. Ausbildungsplätze für die Repräsentanten von morgen Ott hat das Projekt &bdquo;Jurats“ 2016 aus der Taufe gehoben. Ein Jahr zuvor hatte er als unabhängiger Kandidat versucht, in Bad Oeynhausen Bürgermeister zu werden. Aus dem Stand erreichte Ott bei der Kommunalwahl 2015 respektable 21,3 Prozent – ein Ergebnis, das ihn schon in der Wahlnacht eher frustrierte. Im Alter von 18 Jahren war Ott 1984 für die Grünen in den Stadtrat eingezogen. &bdquo;Wir bringen eine andere Perspektive in den Rat ein“, sagt Aidan Grabowski, der auf der &bdquo;Jurats-Liste“ kandidiert. Auf der Website von &bdquo;Jurats“ heißt es: &bdquo;Wir transformieren mit unserer Wählerschaft Ratssitze in Ausbildungsplätze für die Repräsentanten von morgen. Der Lohn für die Teilhabe ist eine außergewöhnliche Bildung durch Erfahrung, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der hauptamtlichen Stadtverwaltung sowie eine finanzielle Vergütung durch die Zahlung von Aufwandsentschädigungen nach der Gemeindeordnung.“ Stefan Ott bemängelt, dass in den Räten Entscheidungen für eine Generation getroffen werden, die dort so gut wie nicht vertreten ist. &bdquo;Das ist nicht mehr deren Zukunft, über die die Ratsvertreter entscheiden“, so Ott. Es sei unwahr, dass sich in der Provinz keine jungen Menschen fänden, die sich für die Allgemeinheit engagieren wollen. &bdquo;Sie wollen es sehr wohl, aber nicht nach den überholten Regeln der Parteien“, so Ott. &bdquo;Wir wollen in den Räten lernen“, sagt Aidan Grabowski und ergänzt: &bdquo;Wir versprechen nichts!“ Die Strategie bringe es mit sich, dass in den Wahlbezirken überwiegend Kandidaten für &bdquo;Jurats“ antreten, die nicht in den Rat wollen und selbst im Rentenalter sind: Mehrere Direktkandidaten könnten Großeltern der &bdquo;Jurats“ sein. Man stelle die Kandidaten aber nur auf, rechtfertigen die Jurats-Funktionäre, damit möglichst viele Stimmen zusammenkommen, um die jungen Kandidaten über die Reserveliste in den Rat zu bringen, wo sie maximal eine Wahlperiode lang Erfahrungen sammeln sollen. Dass ein solches Vorgehen, der Intention des NRW-Wahlrechts widersprechen könnte, ficht Ott und Grabowski nicht an. Schließlich zeigten sie auch den etablierten Parteien und Wählervereinigungen auf, wie man Nachwuchs rekrutieren und ausbilden könne. &bdquo;Wir verändern halt die Spielregeln“, sagt Grabowski. Ihre Ziele sind die Stärkung der repräsentativen Demokratie durch parteiunabhängige Nachwuchsförderung, mehr Gehör für nachhaltige Politik durch Bildung eines &bdquo;Jungen Zukunftsrats“ und die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung durch weniger Parteipolitik auf kommunaler Ebene. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

Meistgelesen