Elternwille kontra Schullandschaft: Bad Oeynhausener Ausschuss lehnt Mehrklasse ab

Bad Oeynhausen. Mit knapper Mehrheit lehnte am Donnerstagabend der Schulausschuss mit Stimmen von SPD und Grünen die beantragte Mehrklasse an der Realschule Nord ab. Die Gesamtschule biete einen gleichwertigen Schulabschluss und werde zudem in der Bad Oeynhausener Schullandschaft zwingend gebraucht, lauteten die Argumente. Die Politik stellt sich damit mehrheitlich gegen den Willen von rund 30 Eltern, die ihre Kinder unter keinen Umständen an der Europaschule anmelden wollen und deshalb auf den von Realschulleiterin Ulrike Credo gestellten Antrag setzten. Überfüllte Zuschauerreihen, Applaus für Redebeiträge und ein öffentlich geführter Kleinkrieg zwischen zwei Schulleitern - die Doppelsitzung von Schul- und Jugendhilfeausschuss hatte es in sich. Wie berichtet gab es nach der Anmeldewoche im März einen deutlichen Anmeldeüberhang für die neuen fünften Klassen an den Realschulen der Stadt. Für die Realschule Nord wurden 117 Schülerinnen und Schüler angemeldet, obwohl nur 81 Plätze zur Verfügung stehen. Auch an der Realschule Süd lagen 97 Anmeldungen vor – ebenfalls bei 81 Plätzen. Die zulässige Klassengröße liegt bei 27 Schülern. Nach einem Auswahlverfahren wurden einige Kinder abgewiesen. Weil die Eltern aber protestierten und sich vehement für die Realschule als richtige Schule für ihre Kinder aussprachen, stellte Schulleiterin Credo am 11. April beim Schulträger den Antrag, im kommenden Schuljahr ausnahmsweise eine vierte Eingangsklasse bilden zu dürfen. Das Schulgesetz NRW erlaubt eine solche &bdquo;Mehrklasse“, sofern sie auf maximal zwei Jahrgänge begrenzt bleibt und von der Bezirksregierung Detmold genehmigt wird. Bevor die Stadt den Antrag weiterreichen darf, muss die Politik zustimmen. Das tat sie am Donnerstagabend aber nicht. &bdquo;Das ist ein schwieriger Tagesordnungspunkt“, kündigte der Beigeordnete für Bürgerdienste, Stefan Tödtmann, an. In den vergangenen Jahren habe sich die Schullandschaft in Bad Oeynhausen entwickelt. &bdquo;Es gab Zeiten, da musste die Europaschule Schüler ablehnen - derzeit ist das Gegenteil der Fall“, bilanzierte er. Momentan fiele der Elternwunsch anders aus als die Schulplanung. &bdquo;Vieles ist nachvollziehbar, aber die Stadt Bad Oeynhausen muss das umsetzen, was das Land vorgibt.“ Bad Oeynhausen müsse sich grundsätzlich mit der Schullandschaft auseinandersetzen. &bdquo;Wir haben einst die Dreizügigkeit für die Realschulen festgeschrieben, um die Schullandschaft so zu erhalten, wie sie ist. Damit die Europaschule die Schüler auffangen kann, die es an den Realschulen nicht schaffen und auch weiterhin eine Oberstufe anbieten kann.“ Vermutlich würde die Bezirksregierung, so mutmaßte Tödtmann, die Mehrklasse sogar genehmigen. &bdquo;Aber sie würde danach uns als Schulträger anschreiben, ein Konzept zu erstellen, wie wir künftig die Gesamtschule sicherstellen wollen.“ Applaus von den Zuschauern Langfristig diskutieren möchte die CDU das Thema weiterführende Schulen in Bad Oeynhausen, wie Julian Noweck betonte. Der CDU-Mann erklärte, dass die Schulen mehr auf die Empfehlungen der Grundschulen schauen und danach auswählen sollten. Die Gesamtschule mache gute Arbeit und müsse gestärkt werden. &bdquo;Aber eine Mehrklasse an der Realschule wäre nicht das Ende der Gesamtschule“, betonte Noweck. Egal wie die Entscheidung ausfalle - eine vierte Eingangsklasse an der Gesamtschule sei für das nächste Schuljahr eh nicht zu erreichen. Gerhard Beckmann (SPD) zeigte vollstes Verständnis für alle Seiten. Kündigte aber an, die Mehrklasse abzulehnen. &bdquo;Es sind derzeit 120 ehemalige Realschüler in der Oberstufe der Gesamtschule - wir brauchen die Gesamtschule.“ Denn der Wegfall einer Oberstufe an der Europaschule hätte auch Konsequenzen für die Realschülerinnen und -schüler, die das Abitur anstreben. Da die Kapazität des Immanuel-Kant-Gymnasiums nicht ausreiche, um in der Sekundarstufe II alle Schülerinnen und Schüler mit Abiturwunsch aufzunehmen, müssten Bad Oeynhausener Schüler gegebenenfalls die Sekundarstufe II in den Nachbarstädten oder eines Berufskollegs besuchen, um Abitur machen zu können. &bdquo;Die Gesamtschule hat einen gleichwertigen Schulabschluss im Angebot, weshalb wir die zusätzliche Klasse an der Realschule ablehnen“, so Beckmann. Der dafür frenetischen Applaus der Abordnung von Gesamtschuleltern bekam. Lesen Sie auch: Bad Oeynhausener Eltern fordern zusätzliche Realschulklasse Volker Brand (Bündnis 90/Die Grünen) sieht den Elternwillen als hohes Gut, ist aber trotzdem gegen eine Mehrklasse. &bdquo;Die Eltern haben in Gesprächen versichert, dass sie die Gesamtschule nicht kaputtmachen wollen - aber genau das würde passieren, wenn wir die Aufnahmekapazität der Realschulen erhöhen“, warnte Brand. Die Folge: &bdquo;Wir hätten irgendwann zwei Realschulen und statt der Gesamtschule eine Sekundarschule - und das ist etwas, das wir überhaupt nicht wollen. Denn diese Sekundarschule würde sich zur Hauptschule zurückentwickeln.“ Natürlich seien im Laufe der Jahre die Schüler nicht einfacher geworden, der Wegfall der Hauptschule habe schwierige Schüler an die Gesamtschule gebracht, so Brand, selber Lehrer an der Gesamtschule. Aber man meistere das. &bdquo;Die Gesamtschule stehe für Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit und ist unersetzlich. Wir haben in den vergangenen Jahren mehr als 2.000 Mal das Abitur vergeben - und nicht mal zehn Prozent der Absolventen hatten eine Gymnasial-Empfehlung“, betont Brand. Ein Wegfall der Gesamtschule bringe keinen Vorteil für die Schullandschaft - weshalb die Grünen die zusätzliche Klasse ablehnten. Stattdessen schlug Brand vor, einen Stärkungspakt in den Beschlussvorschlag aufzunehmen, um das Image zu verbessern. &bdquo;Und wir möchten, dass sich die Schulleitungen im Vorfeld einigen, bevor Anträge gestellt werden. Unsere vielfältige Bildungslandschaft hat eine Gesamtschule verdient.“ Schulleiter spricht von Mobbing Abschließend kam auch Dirk Rahlmeyer, Schulleiter an der Europaschule, zu Wort. &bdquo;Das hier ist ein bisschen Wiedergutmachung für vier Wochen öffentliches Mobbing unserer Schule“, erklärte er. Gespräche mit Eltern über die Vorteile der Gesamtschule, seine Versicherung, persönlich für die Sicherheit der Schüler zu haften und auch auf den Ganztagszwang zu verzichten, hätten nichts gebracht. Die Eltern würden trotzdem weiterhin die Gesamtschule ablehnen. Und dann teilte Rahlmeyer öffentlich gegen seine Amtskollegin an der Realschule Nord aus. &bdquo;Frau Credo ist in dieser wichtigen Sitzung nicht anwesend - da mag sich jeder seinen Teil denken. Ich hätte erwartet, dass es erst einmal einen Diskurs zwischen den Schulleitungen gibt und nicht gleich die Politik ins Spiel gebracht wird. Man muss doch erst einmal untereinander einen vernünftigen Vorschlag diskutieren“, betonte Rahlmeyer. Letztendlich wurde die Mehrklasse bei einer Enthaltung mit 10 zu 8 Stimmen abgelehnt. Das ist eine abschließende Entscheidung, denn der Schulausschuss ist entscheidungsbefugt. Das Thema muss nicht in den Rat. Für das Votum gab es Applaus aus den Zuschauerreihen - von den Gesamtschuleltern. Die Mienen bei den Eltern, die ihre Kinder gerne auf der Realschule gesehen hätten, waren dagegen eher frustriert. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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