Prozess um getöteten Philipos: Ein Angeklagter bricht sein Schweigen

Bad Oeynhausen/Bielefeld. Mehr als sieben Stunden wurde am Mittwoch, 19. Februar, vor dem Landgericht Bielefeld im Fall Philipos verhandelt. Im Mittelpunkt stand die Aussage des dritten Angeklagten, der weiterhin den 19-jährigen Syrer als mutmaßlichen Haupttäter beschuldigt. Bei seiner mehrstündigen Befragung widersprach sich der junge Mann aus Sachsen-Anhalt aber immer wieder selbst. Anschließend wurden die beiden Freunde von Philipos, die am Tatabend mit ihm zusammen auf der Bank im Kurpark gesessen haben, im Zeugenstand vernommen. Totschlag im Kurpark: Der Fall Philipos T. im Überblick Der 20-jährige Philipos T. wurde in der Nacht zum 23. Juni 2024 am Rande einer Abi-Party im Kaiserpalais tödlich verletzt. Hauptbeschuldigter ist ein heute 19-jähriger Syrer. Er soll Philipos auf den Kurhausterrassen zuerst verbal attackiert, dann auf dessen Kopf eingeschlagen und eingetreten haben. Seine zwei deutschen Begleiter, beide 19 Jahre, sind wegen gefährlicher Körperverletzung und Hehlerei angeklagt. Der Fall wurde bundesweit bekannt und wurde auch zum Thema in einer Aktuellen Stunde im Bundestag sowie im Landestag. Der Hauptbeschuldigte hatte am vierten Tag der Hauptverhandlung für Empörung gesorgt, als er bestritt, für Philipos’ Tod verantwortlich zu sein. Man habe ihn frühzeitig vorverurteilt, weil er als syrischer Flüchtling gut ins Bild gepasst habe. Philipos’ Eltern haben bereits ausgesagt. Seine Mutter laufen während der 50-minütigen Aussage immer wieder Tränen über die Wange. Sein Vater sagt aus, er komme mit dem Verlust nicht klar und befinde sich in psychologischer Behandlung. Im Überblick: Fall Philipos T. – aktuelle Nachrichten und Hintergründe Mitangeklagte im Fall Philipos stellten sich selbst der Polizei Es war ein Verhandlungstag mit massiven Gedächtnislücken - und zwar sowohl beim Angeklagten, als auch bei den beiden Zeugen. Alle drei berichteten vor dem Landgericht Bielefeld über den Tatabend im Juni 2023. Unterm Strich stand anschließend ein hoher Alkoholkonsum in der Gruppe um die drei Angeklagten, und die Absicht, Kokain zu konsumieren, in Teilen der Gruppe um Philipos. Wie berichtet, müssen sich ein inzwischen 19-jähriger Syrer und zwei Deutsche vor dem Landgericht Bielefeld verantworten. Der Syrer wird beschuldigt, den 20-jährigen Philipos zu Tode geprügelt zu haben. Der junge Mann, der seit Ende 2023 in Bad Oeynhausen lebt und dem die Staatsanwaltschaft Totschlag und Körperverletzung vorwirft, bestreitet, für Philipos’ Tod verantwortlich zu sein. Es müsse einen oder mehrere andere Täter geben, erklärte er an einem der vergangenen Verhandlungstage. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft soll der Beschuldigte den 20-jährigen Philipos in der Nacht zum 23. Juni 2024 auf den Kurhausterrassen zuerst verbal attackiert, dann auf dessen Kopf eingeschlagen und eingetreten haben. Der Mindener erlitt so schwere Kopfverletzungen, dass er zwei Tage später im Mindener Klinikum verstarb. Die beiden Mitangeklagten, die den Hauptbeschuldigten erst am Abend der Innenstadtfete kennengelernt haben, hatten sich selber der Polizei gestellt. Mitbeschuldigter lernte Hauptangeklagten auf der Innenstadtfete kennen Einer von ihnen, ein 19-Jähriger aus Sachsen-Anhalt, brach am sechsten Verhandlungstag sein Schweigen. Er war am besagten Wochenende erstmals in der Kurstadt zu Besuch und wollte mit mehreren Freunden feiern und trinken. Am Boxautomaten, der auf der Innenstadtfete stand, traf die Gruppe auf den 19-jährigen Syrer und seine Begleiter. Es wurde geboxt, getrunken und sich gegenseitig Komplimente für Boxtechniken gemacht. Man habe reichlich getrunken. In der Nacht landete die Gruppe, die an die zehn Personen umfasst haben soll, im Kurpark. Dort schlenderten sie an Philipos und seinen beiden Freunden vorbei. &bdquo;Ich habe plötzlich gemerkt, dass er woanders war, und gesehen, dass er vor drei Jungs stand. Dort gab’s Stress“, berichtete der 19-Jährige über den mutmaßlichen Haupttäter. Daraufhin sei er selber zusammen mit dem Rest hingegangen, um zu schlichten. Doch da habe Jassin, wie sich der Hauptangeklagte von seinen Begleitern nennen ließ, schon Philipos geschlagen. Und zwar direkt mit der Faust ins Gesicht. Während Philipos sich umgedreht und weggerannt sei, als renne er um sein Leben, habe Jassin ihn verfolgt und ihn weggekickt. Er habe zudem Schläge und Tritte von Jassin gegen Philipos gesehen. &bdquo;Von Weitem habe ich gesehen, dass einer am Boden lag.“ Philipos soll dann versucht haben, sich mit einem Arm aufzustützen, während er sich mit der anderen Hand geschützt haben soll, wie es der Angeklagte beschrieb. Lesen Sie auch: Angeklagter im Bad Oeynhausener Philipos-Fall: &bdquo;Ich bin kein Mörder“ Angeklagter hatte schon mal Probleme mit Körperverletzung Parallel dazu habe es ein Gerangel am Boden zwischen dem zweiten Opfer, einem Freund von Philipos, und dem anderen Angeklagten aus Bad Oeynhausen gegeben. Kurz danach habe sich alles aufgelöst und alle seien davon gerannt. Er sei, so sagte der Sachsen-Anhaltiner aus, dann nochmal auf Jassin getroffen, der eine Tasche dabei hatte, in der Gras und Geld gewesen seien. Das alles sprudelte nur so aus dem Angeklagten, dem seine Nervosität anzumerken war, heraus. Mehr als zwei Stunden suchte der Vorsitzende Richter Carsten Glashörster dann das Zwiegespräch mit dem Angeklagten, hakte nach, um zu verstehen. Je mehr Nachfragen es gab, desto mehr Gedächtnislücken offenbarten sich, desto mehr Widersprüche gab es. &bdquo;Ich bin zurückhaltend bei Streit, fühle mich nicht wütend und suche auch keinen Streit“, erklärte der Staßfurter. Musste aber kurz danach einräumen, dass er durchaus schon mal Probleme mit Körperverletzung gehabt habe: &bdquo;Das ist schon ein paar Jahre her und das wurde alles eingestellt.“ Sein Rückblick auf die Schlägerei war gespickt mit Fachbegriffen aus dem Kickboxen und auf Nachfrage erklärte er dem Richter die &bdquo;Kicks“, außerdem gab er zu, einige Monate geboxt zu haben. Er sprach von Frontkicks – dabei nehme man Anlauf und hole mit Schwung und voller Kraft aus – und sogenannten Stampfern, bei denen mit dem Fuß auf einen am Boden liegenden quasi eingestampft werde. All das will der junge Mann, der vom Zeugen, über den Beschuldigten zum Angeklagten wurde, gesehen haben. &bdquo;Es gab schon Licht und es war Vollmond“, sagt er. Er habe schon sehen können, was passiere. Und das es der Beschuldigte gewesen sei. Aussage des Gerichtsmediziners: Doppelt tödliche Gewalt im Kurpark Staßfurter informierte sich über Mord und Totschlag Konfrontiert mit Recherchen der Polizei, die den Browser-Verlauf des Angeklagten nachverfolgt haben, gab er zu, am nächsten Tag nach Infos zur Schlägerei im Netz geforscht zu haben, auch habe er rausfinden wollen, welche Hirnverletzungen entstehen können und ob sich Hirntote einnässen. Dieses Sonderwissen, so erklärte der Hauptbeschuldigte vorletzte Woche bei seiner Aussage, habe nur der Täter haben können. Indirekt wies er damit mit dem Finger auf den Staßfurter. Er habe, so sagte dieser nun aus, sich Sorgen gemacht, dass ihm was angehängt werden könne. Deshalb habe er vieles recherchiert. Auch den Unterschied zwischen Mord und Totschlag. Und auch deshalb habe er Freunden geschrieben, wenn sie demnächst nichts hörten, säße er vielleicht in U-Haft. &bdquo;Ich habe manchmal so Gedanken. Das liegt sicher auch an meiner Angststörung.“ Es seien ja auch Bilder von ihnen im Netz aufgetaucht, es habe Drohanrufe gegeben. &bdquo;Ich wollte nichts in die Schuhe geschoben bekommen, was ich nicht gemacht habe“, sagte er. Auch habe er überlegt, sich von zwei Mädels ein Alibi zu verschaffen und überhaupt nicht zuzugeben, dabei gewesen zu sein. Dann sei er doch zusammen mit dem weiteren Angeklagten aus Bad Oeynhausen zur Polizei gegangen. &bdquo;Wir wollten ehrlich sein.“ Es sei das erste Mal, das sie so etwas Schlimmes erlebt hätten. Die Aussagen vor dem Gericht stimmten aber, so stellte es das Gericht fest, nicht in allen Punkten mit seinen Aussagen bei der Polizei überein. Die Nachfrage, ob sich die Gruppe Deutscher nach der Tat verständigt habe, alles &bdquo;diesem Araber“, wie Staatsanwalt Christoph Mackel aus der Aussage des Syrers zitierte, in die Schuhe zu schieben, verneinte der Staßfurter: &bdquo;Er war es ja.“ Philipos’ Freund aus Porta Westfalica im Zeugenstand Danach wurde ein Freund von Philipos’, ein 21-jähriger Portaner, in den Zeugenstand gerufen. Er hatte am besagten Abend mit dem verstorbenen Mindener und dem zweiten Opfer aus Porta Westfalica auf den Bänken vor dem GOP gesessen. Während der Angeklagte vorher in seiner Aussage von guter Sicht sprach, hat der 21-jährige Zeuge dagegen wenig gesehen. &bdquo;Die Lampen waren sehr dunkel und von den Bäumen verdeckt“, erklärte er. Er habe gar nicht richtig was mitbekommen, auch nicht, was mit Philipos passiert sei. Er bestätigte aber genau wie der spätere Zeuge und zweites Opfer, dass Kokain im Spiel gewesen sei. Genaueres könne er nicht sagen. Das alles habe sich schnell hochgeschaukelt. &bdquo;Da war von Anfang an Stress in der Unterhaltung. Von beiden Seiten.“ Aber er habe gesehen, dass Philipos rückwärts gegangen und der angeklagte Syrer ihm gefolgt sei. &bdquo;Philipos sah aus, als sei er kurz davor zu stolpern. Da war ja auch die Schräge.“ Was dort passiert sei - das habe er nicht mitbekommen. Als sich alles aufgelöst habe, hätten die beiden Freunde Philipos gesehen, der am Boden lag. Sie hätten versucht, Erste Hilfe zu leisten und den Krankenwagen gerufen. &bdquo;Philipos hatte die Augen zu und blutete am Hinterkopf und aus der Nase, außerdem hat er ganz, ganz schwer geatmet.“ Aus Sicht des Staatsanwaltes gebe es einen Grund für die Gedächtnislücken. &bdquo;Sie sagen hier nicht die Wahrheit“, hielt er dem Zeugen vor. &bdquo;Wovor haben Sie Angst? Ich sehe doch schon die ganze Zeit, wie nervös Sie sind? Hat Ihnen jemand gedroht?“, wollte er von Philipos’ Freund wissen. Der verneinte. Das läge nur daran, dass die Erinnerungen verblassten. Und gab dann aber zu, dass der Syrer wegen des Koks’ stehen geblieben sei. Er habe was abhaben wollen. Außerdem habe es noch einen &bdquo;dünnen Dunkelhaarigen“ an der Seite des Syrers gegeben. Nur einen aus der Gruppe habe er vom Sehen gekannt und meinte damit den Bad Oeynhausener Angeklagten. Der sei früher auf seiner Schule gewesen. Emotionale Aussage: Philipos’ Eltern im Zeugenstand Koks war der Auslöser für den Streit Den Abschluss eines langen Verhandlungstages machte dann das zweite Opfer der Schlägerei, ein 20-jähriger Portaner. Er denke noch immer jeden Tag an Philipos. Sie hätten sich sehr nahe gestanden und nahezu täglich Kontakt gehabt. Mit ihm habe er auch eine Linie Koks nehmen wollen, das habe er mitgebracht und auf seinem Handy vorbereitet. Die drei hätten den Abiball von Philipos’ Schwester schnell verlassen, weil sie in Ruhe hätten quatschen wollen. &bdquo;Wir wollten auf die Bank, aber am oberen Ende lag bereits jemand, vermutlich ein Obdachloser, da haben wir uns weiter unten hingesetzt“, berichtet der 20-Jährige. Der Syrer und die recht große Gruppe mit bis zu geschätzten zehn oder zwölf Personen, sei erst vorbeigegangen und habe den Obdachlosen angepöbelt. Der Hauptangeklagte sei Nachzügler gewesen und bei ihnen stehen geblieben. &bdquo;Er war sehr aufgebracht, wütend, es sind viele Wort gefallen. Ich habe die Gefahr schon gespürt, als er auf uns zu kam“, sagt der 20-Jährige, der bei der Schlägerei mehrere Verletzungen im Gesicht und am Rücken erlitten hat. Es sei alles schnell gegangen, danach habe er nur noch wenige Erinnerungen. An seinen Kontrahenten kann er sich nicht erinnern. Aber er könne nicht ausschließen, selbst zugeschlagen zu haben. &bdquo;Da waren Schläge im Sekundentakt.“ Einer habe zudem seinen Kopf festgehalten, als er am Boden gelegen habe, und ihm direkt aufs Nasenbein geschlagen. Als er danach berichtet, dass er sich erst wieder erinnert, als sie Philipos auf dem Boden gefunden hätten, stockt seine Stimme, es fällt ihm hörbar nicht leicht, zu berichten, dass sein bester Freund Blut um den Mund und einen geschwollenen Kiefer hatte. &bdquo;Ich hatte Sorge, dass er am Blut erstickt.“ Philipos habe hyperventiliert und sei nicht ansprechbar gewesen. Die Verhandlung wird am Freitag, 21. Februar, fortgesetzt.

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