Angeklagter im Bad Oeynhausener Philipos-Fall: „Ich bin kein Mörder“

Bad Oeynhausen. &bdquo;Sag ihnen einfach, du warst dabei, und das war alles dieser Araber.“ Ein Satz aus einem Chatverlauf zwischen zwei Deutschen, die bei der Körperverletzung im Kurpark dabei gewesen sein sollen, aber nicht auf der Anklagebank sitzen, steht am Anfang der Einlassung des angeklagten 19-jährigen Syrers, die dessen Anwalt an Tag vier der Hauptverhandlung verlas. Der inzwischen 19-Jährige wird beschuldigt, den 20-jährigen Philipos zu Tode geprügelt zu haben, und muss sich derzeit zusammen mit zwei weiteren deutschen Angeklagten vor dem Landgericht Bielefeld verantworten. Der 19-Jährige, dem die Staatsanwaltschaft Totschlag und Körperverletzung vorwirft, bestreitet, für Philipos’ Tod verantwortlich zu sein. Es müsse einen oder mehrere andere Täter geben. Aber in diese Richtung sei nicht weiter ermittelt, stattdessen sei er frühzeitig vorverurteilt worden. Er als syrischer Flüchtling habe wohl am besten ins Bild gepasst. Staatsanwalt Christoph Mackel wies den Vorwurf empört zurück und drohte mit rechtlichen Schritten. Das, was Strafverteidiger Burkhard Benecken verlas, war nicht nur eine Zusammenfassung des Abends aus Sicht seines Mandanten, sondern vor allem der Vorwurf, dass das Verfahren taktisch manipuliert worden sei, um die Tat einem Migranten in die Schuhe zu schieben. Alle - auch die Politik - seien, so Benecken, auf einen falschen Zug aufgesprungen. &bdquo;Sie alle haben mich als Totschläger vorverurteilt“, lässt der 19-Jährige erklären. Eine Einlassung, die den leitenden Staatsanwalt Christoph Mackel auf die Palme bringt. &bdquo;So eine Unverschämtheit ist mir noch nie untergekommen. Dass ich unschuldige Migranten verfolge, nur weil sie Syrer sind, ist eine bodenlose, üble Unterstellung“, sagte er zornig. Vorsitzendem Richter &bdquo;geht die Hutschnur hoch“ Schon während des Verlesens schüttelte der Staatsanwalt immer wieder den Kopf. Um am Ende wütend das Wort zu ergreifen. Er verfolge keine Menschen, die &bdquo;gut ins Schema passen“. &bdquo;Ich ermittle unabhängig von der Person“, erklärte er. Man habe peinlichst genau darauf geachtet, dass personenunabhängig ermittelt werde. Letztlich entschuldigten sich die beiden Verteidiger und betonten, dass mit den Anschuldigungen nicht der Staatsanwalt gemeint sei, sondern Teile der Medien. Carsten Glashörster, Vorsitzender Richter der IV. Strafkammer, aber reichte das nicht. &bdquo;Jetzt geht mir die Hutschnur hoch, erst beschuldigen Sie alle, dann machen Sie auf einmal einen Rückzieher - das ist doch keine Spaßveranstaltung hier.“ Nach diesen Worten könne er die Einlassung gar nicht mehr einordnen. Wie berichtet, soll der beschuldigte 19-Jährige den 20-jährigen Philipos in der Nacht zum 23. Juni 2024 auf den Kurhausterrassen aus bislang unbekannten Gründen attackiert, auf dessen Kopf eingeschlagen und eingetreten haben. Der Mindener erlitt so schwere Kopfverletzungen, dass er zwei Tage später im Mindener Klinikum verstarb. Die beiden Mitangeklagten – die den Hauptbeschuldigten wohl erst am Abend der Innenstadtfete kennengelernt haben -, hatten sich selber der Polizei gestellt. Der junge Syrer, dessen Familie erst im Herbst 2023 aus Baden-Württemberg nach Bad Oeynhausen gezogen war, bestreitet, für den Tod von Philipos verantwortlich zu sein. &bdquo;Ich habe ihn nicht umgebracht“, lässt er über den Anwalt verlesen. Am Abend des 22. Juni 2024 habe er gar nicht ausgehen, sondern bei seiner Familie bleiben wollen. Schon deshalb, weil am nächsten Tag eine Hochzeit angestanden habe. Er lässt sich dann doch überreden, konsumiert Gras und Alkohol und landet letztlich zusammen mit einer weiteren Gruppe, die der Angeklagte und seine Freunde am Boxautomaten der Innenstadtfete kennengelernt hatten, auf den Kurhausterrassen. &bdquo;Was wäre passiert, wenn ich einfach weitergegangen wäre?“ An einer der Holzbänke vorm Kurhaus traf der 19-Jährige dann auf drei Jugendliche - Philipos und seine Freunde. &bdquo;Philipos legte auf seinem Handy ein weißes Pulver zurecht. Ich hatte auf einmal richtig Lust auf Hasch. Wenn da nicht das Pulver gewesen wäre, hätte ich die Drei niemals angesprochen.“ Die Frage, was habt ihr da, sei mit einem &bdquo;Verpiss dich“ gekontert worden. &bdquo;Ich wurde aggressiv und habe die Drei massiv beleidigt.“ Ein heftiger Wortwechsel, dann flogen offenbar die Fäuste. &bdquo;Die waren uns zahlenmäßig unterlegen, wir waren so um die 10.“ Für alle sei klar gewesen, hier gibt’s Stress. Der 19-Jährige setzte nach eigenen Angaben den ersten Schlag gegen Philipos. &bdquo;Das tut mir heute schrecklich leid. Ich habe in der U-Haft viel nachgedacht. Überlegt, wie der Abend ausgegangen wäre, wenn ich nicht den Fehler gemacht hätte, als erster zuzuschlagen. Was wäre passiert, wenn ich einfach weitergegangen wäre? Es tut mir unglaublich leid, dass ich diesen schwerwiegenden Fehler gemacht habe.“ Das alles belaste ihn sehr. Als Philipos geflüchtet sei, sei er spontan hinterher. &bdquo;Philipos stolperte und schlug mit voller Wucht auf den Steinboden, wo er reglos lieben blieb.“ Er selber sei dann zurückgegangen. Kurz danach habe er ein oder zwei Personen aus der Gruppe bei dem am Boden liegenden Philipos gesehen und seit Monaten überlege er nun, wer das gewesen sein könnte. &bdquo;Aber es war dunkel und ich war nicht nüchtern“, lässt der Angeklagte verlesen. Er könne nur spekulieren und wolle aber keine anderen zu Unrecht beschuldigen. Allerdings beschreibt er auch, wie er kurze Zeit später im Park auf den Mitangeklagten aus der Nähe von Magdeburg trifft, der &bdquo;verschwitzt und abgehetzt vor ihm gestanden habe“. Nervös und unruhig, so beschreibt er den jungen Mann. &bdquo;Ich hatte den Eindruck, dass ihn etwas sehr belastete.“ Die Satzfetzen &bdquo; . . . richtig Scheiße gebaut“, seien ihm in Erinnerung geblieben. Der 19-Jährige soll ihm eine Tasche in die Hand gedrückt haben, in der Gras, Parfüm, Kleingeld und ein Schlüssel gewesen seien. &bdquo;Ich wollte cool sein und habe die Tasche in den Teich geworfen.“ Wie er später erfahren habe, sei das Philipos’ Tasche gewesen. Mitangeklagter habe Sonderwissen, so die Verteidigung Am nächsten Tag habe ein Bekannter erzählt, dass im Park etwas Schlimmes passiert sei. &bdquo;Und am Montag habe ich gehört, dass eine Person im Koma liegt.“ Daraufhin habe er versucht, zwei Bekannte zu erreichen. Einer steht ebenfalls mit ihm vor Gericht, der andere nicht. &bdquo;Er hat erzählt, es gebe ein Video von der Tat im Kurpark.“ Das sollte der Mitangeklagte haben. &bdquo;Aber das war wohl nur ein Gerücht.“ Zu dem Zeitpunkt habe er nicht gewusst, dass sich alle abgesprochen hätten, die Tat auf ihn zu schieben. Deshalb sei er sehr verwundert über seine Festnahme gewesen. In der U-Haft hat sich der 19-Jährige nach eigenen Angaben ausführlich mit der Akte und den Beweismitteln beschäftigt. &bdquo;Warum kann er (der Mitangeklagte, Anm. d. R) alles so detailliert schildern, was mit Philipos passiert ist? Es war total dunkel. Aber wenn er selbst es war, kann er es natürlich genau beschreiben.“ Auch habe er Sonderwissen gehabt, das nur der Täter haben könne. &bdquo;Das kann er nur am Tatort mitbekommen haben.“ Der vom Hauptangeklagten beschuldigte Mitangeklagte verweigert bisher die Aussage. Und der ebenfalls mitangeklagte Bad Oeynhausener (19) sagte zwar persönlich aus, will aber von Schlägen und Tritten gegen Philipos nichts mitbekommen habe. Es sei dunkel gewesen. Er sei - wie alle anderen - sehr angetrunken gewesen, habe den Stress um den Hauptangeklagten 19-Jährigen schlichten wollen und sei plötzlich selbst in eine Rangelei verwickelt gewesen. Bei der er zusammen mit dem zweiten Opfer zu Boden gegangen sei. &bdquo;Ich möchte aber der Familie mein tiefstes Beileid aussprechen. Es ist schrecklich, was dort passiert ist. Dafür fehlen mir die Worte“, sagte der 19-Jährige. Er habe sich deshalb entschieden, sich bei der Polizei zu melden. &bdquo;Eigentlich wollten wir nur das Abitur meines Kollegen feiern und einen schönen Abend haben.“ Die Einlassung von Benecken und dem Hauptangeklagten lässt auch die Familie des Opfers nicht außen vor. Den Tenor, &bdquo;der Syrer ist schuldig“, habe auch Philipos’ Familie aufgegriffen. Vor allem dessen Vater habe ihn als Mörder betitelt. &bdquo;Der Verlust eines Kindes ist sicherlich das Schlimmste. Ich kann verstehen, dass die Familie Aufklärung fordert und den Schuldigen finden will. Aber ich bitte, das über mich gefällte Urteil zu überdenken“, lässt der 18-Jährige erklären. Er habe Respekt vor dem großen Leid der Eltern. Weshalb er auch von einer Unterlassungsklage absehe. &bdquo;Aber bitte behaupten Sie nicht permanent, ich sei der Mörder Ihres Sohnes.“ Die Vorwürfe des Vaters beim ersten Prozesstag, er habe gelacht, erklärt der 19-Jährige ebenfalls. Er habe im Publikum seine Schwester und seinen kleinen Bruder gesehen und sich gefreut, weil er sie lange nicht gesehen hatte. Somit habe er leicht die Mundwinkel verzogen in ihre Richtung. Der Prozess wird am 12. Februar fortgesetzt.

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