„Uns laufen die Leute weg“: Bad Oeynhausener Rettungsdienst in Not

Bad Oeynhausen. Das Video war malerisch. Gleich drei neue Rettungswagen setzte die Feuer- und Rettungswache vor wenigen Wochen für die sozialen Medien im Kurpark in Szene. Doch der schöne Schein trügt. Es gibt nämlich niemanden, der sie fahren kann. Die Bad Oeynhausener Rettungswache hat so wenig Personal, dass nahezu täglich Rettungswagen abgemeldet werden müssen. Damit liegt die Kurstadt kreisweit an der Spitze. Nun hat die Kreisverwaltung unter Aufsicht der Bezirksregierung eine Lösung ausgearbeitet. Die Johanniter Unfallhilfe und das Deutsche Rote Kreuz sollen einspringen, um den Bevölkerungsschutz zu sichern. Dabei hatte die Stadt vor gut elf Jahren die Kooperation mit den Johannitern beendet und den Rettungsdienst in Eigenregie übernommen – um Geld ins Stadtsäckel zu bekommen. Hohe Fluktuation, hoher Krankenstand, viele Lehrgänge – die Stimmung auf der Feuer- und Rettungswache sei schlechter als je zuvor, erfuhr die NW aus gut unterrichteten Kreisen. Er herrsche eine hohe Unzufriedenheit, die aber niemanden in den Führungsetagen der Stadt interessiere. Das laufe nach dem Motto: Wenn es Ihnen hier nicht passt, dann gegen Sie doch woanders hin. Die Arbeitsbelastung der verbliebenen Kräfte sei enorm hoch, immer wieder müssten zudem Feuerwehrbeamte auf den Rettungswagen aushelfen. Das seien dann immer die Gleichen, weil nur noch wenige der Feuerwehrmänner eine zusätzliche Notfallsanitäterausbildung vorweisen könnten. Nur noch 10 statt 24 Stunden Dienst Einer der Hauptgründe für die Probleme soll eine Überlastungsanzeige des Personalrates bei der Bezirksregierung sein. Danach habe man sich darauf geeinigt, dass die tariflich Beschäftigten im Rettungsdienst keine 24-Stunden-Dienste mehr leisten dürften. Haben sie nun zehn Stunden Arbeitszeit erreicht, müssen sie unmittelbar in die Pause. Die Folge: Jemand anderes muss den Rettungswagen besetzen oder er muss bei der Kreisleitstelle abgemeldet werden. Dann wiederum müssen andere Städte oder Drittanbieter übernehmen. So könne es auch vorkommen, dass Mitarbeiter morgens um 8 Uhr mit dem Rettungswagen an der Königstraße vom Hof rollten und erst abends um 20 Uhr wieder da seien – mit Glück bleibe zwischendurch Zeit für einen Kaffee, ansonsten jage ein Einsatz den nächsten, berichten Betroffene. Wenn es schlecht laufe, müssten die Feuerwehr-Kollegen nachts erneut ran, weil die tariflich Beschäftigten ihr Stundensoll erfüllt hätten. Regelmäßig – nahezu täglich – soll die Stadt Bad Oeynhausen bei der Kreisleitstelle in Hille sogenannte Rettungsmittel abmelden müssen. &bdquo;Wir halten nicht die Fahrzeuge vor, die wir vorhalten müssten“, heißt es von Seiten der Mitarbeiter. Lesen Sie auch: Probleme in OWL: Kreise müssen sich gegenseitig Rettungswagen ausleihen Die Stadt Bad Oeynhausen hält laut Kreis Minden-Lübbecke, der für den Rettungsdienstbedarfsplan zuständig ist, vier Rettungswagen (RTW) vor, davon zwei im 12-Stunden-Dienst (einer davon sieben Tage, der zweite RTW montags bis freitags) und zwei im 24-Stunden-Dienst an sieben Tagen in der Woche. Auf die Frage, wie oft die Stadt beim Kreis die RTW abmeldet, gab es von der Kreis-Pressestelle keine konkrete Aussage. &bdquo;Im Monat Juni waren die Abmeldungen in Bad Oeynhausen im Vergleich zu den anderen Trägern von Rettungswachen leicht erhöht“, teilt Pressesprecherin Sabine Ohnesorge lediglich mit. Laut NW-Informationen soll das aber nicht nur im Juni, sondern auch in allen anderen Monaten so sein. Bezirksregierung hat die Kurstadt im Blick &bdquo;Sofern ein Rettungsmittel abgemeldet wird, muss der Ausfall durch die anderen Rettungsmittel kompensiert werden. Das bedeutet, dass im Duplizitätsfall gegebenenfalls ein Rettungsmittel aus Minden oder Porta alarmiert wird, das dann eine entsprechend längere Anfahrt hat“, erläutert Sabine Ohnesorge auf NW-Anfrage. Auch die Bezirksregierung hat inzwischen ein Auge auf die Feuer- und Rettungswache in Bad Oeynhausen. &bdquo;Die Bezirksregierung Detmold hat in ihrer Aufsichtsfunktion über die Kreise und kreisfreien Städte als Träger des Rettungsdienstes einen Bericht vom Kreis Minden-Lübbecke bezüglich der Sicherstellung des Rettungsdienstes im Bereich der Stadt Bad Oeynhausen angefordert“, teilt Pressesprecherin Juliane Koeper der NW mit. Bürgermeister Lars Bökenkröger kennt die Probleme auf der Wache. &bdquo;Der Personalrat ist gegen die 24-Stunden-Dienste der tariflich Beschäftigten“, sagt er. Das aber sei konträr zum Willen der Mitarbeiter. &bdquo;Uns laufen die Leute weg, weil sie alle 24-Stunden-Dienste machen wollen und nahezu alle anderen Kommunen dieses Modell anbieten“, erklärt er. Weil die Mitarbeiter fehlten, müssten Rettungswagen abgemeldet werden. 95 Prozent der Sanitäter wollten das alte Modell und somit nur alle drei Tage für 24 Stunden arbeiten. Nach den Überlastungsanzeigen bei der Bezirksregierung habe man runter auf zehn Stunden am Stück müssen. &bdquo;Da wird der Arbeitsschutz höher gehängt, als der Bevölkerungsschutz“, bemängelt der Bürgermeister. Als Stadt habe man keine Chance. &bdquo;Das ärgert mich maßlos.“ Hinzu komme, dass es auch bei den Sanitätern Facharbeitermangel gebe. &bdquo;Da kommt alles zusammen“, bilanziert er. DRK und Johanniter sollen nun einspringen Mitarbeiter bemängeln, dass es verschiedene Lösungsmodelle gegeben habe, diese aber von der Feuerwehrleitung Olaf Brandt und Michael Schäfer, sowie vom zuständigen Beigeordneten Georg Busse nicht umgesetzt worden seien. &bdquo;Das Problem ist auch, dass die Leitung der Feuerwache und die Leiter der einzelnen Wachabteilungen die Belastung und die Anforderungen auf den Rettungswagen nicht beurteilen können, weil niemand von ihnen eine zusätzliche Notfallsanitäterausbildung und somit auch keinen Einblick in das Tätigkeitsfeld hat“, erklären Fachleute gegenüber der NW. Nun hat der Kreis aber offenbar eine Lösung gefunden: &bdquo;Seitens der Leitstelle wurde technisch umgesetzt, dass die gemäß Rettungsdienstbedarfsplan vorzuhaltenden 12-Stunden-Tages-Rettungswagen (RTW) vornehmlich alarmiert werden und somit die normale Reihenfolge, wie die Rettungswagen alarmiert werden, außer Kraft gesetzt wird“, teilt Kreissprecherin Sabine Ohnesorge mit. &bdquo;Die tatsächlichen Arbeitszeiten der 24-Stunden-RTW werden somit reduziert. Hierdurch werden Abmeldungen von Rettungsmitteln aufgrund des Erreichens der maximalen Arbeitszeit deutlich reduziert.“ Als weitere Maßnahme zur Sicherstellung der rettungsdienstlichen Versorgung der Bevölkerung unterstützten zusätzliche Kräfte und Rettungsmittel des Deutschen Roten Kreuzes und der Johanniter Unfallhilfe bei Bedarf kurzfristig den Regelrettungsdienst im Zuständigkeitsbereich der Stadt Bad Oeynhausen. Bad Oeynhausens Bürgermeister ahnt, wohin das führen wird: &bdquo;Wir werden vermutlich nicht darum herumkommen, dass der Kreis den kompletten Rettungsdienst übernimmt.“

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