Klimawandel: Der Weg zur Schwammstadt in Bad Oeynhausen und im Kreis Minden-Lübbecke

Kreis Minden-Lübbecke. Zunehmende Dürreperioden, die von sintflutartigen Niederschlägen unterbrochen werden, dürften wohl die Zukunft auch im Kreis Minden-Lübbecke prägen. Davon ist zumindest der scheidende Bau- und Umweltdezernent des Kreises, Lutz Freiberg, überzeugt. Der menschgemachte Klimawandel ist für Freiberg eine Realität, der man sich stellen müsse. Es gehe um die möglichst schnelle Anpassung an eine Entwicklung, die nicht nur öffentliche und private Infrastruktur bedrohe, sondern auch Menschenleben. Wer darauf nicht reagiere, handle &bdquo;fahrlässig“, sagt Freiberg. Das gelte auch für den einen oder anderen Bürgermeister im Kreis Minden-Lübbecke. Freiberg, der kurz vor seinem Ruhestand steht, wirbt für die Idee der &bdquo;Schwammstadt“, für die Entsiegelung von Flächen und die optimale Aufbereitung von Versickerungsflächen. &bdquo;Es muss deutlich mehr Wasser dort versickern können, wo es herabregnet. Das ist das A und O“, sagt der studierte Wasserwirtschaftler. 2023 war zugleich das wärmste und nasseste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn &bdquo;Wir zeigen den Menschen an konkreten Beispielen, was man tun kann, um den klimatischen Veränderungen zu begegnen“, erklärt Leona Aileen Eichel, Klimaanpassungsmanagerin des Kreises Minden-Lübbecke. Beim &bdquo;Klimafolgenspaziergang“, den der Kreis regelmäßig anbietet, schütte man einen Liter Wasser auf eine Asphaltfläche, auf einen Schotteruntergrund und auf eine begrünte Fläche. Jeder könne sofort erkennen, dass die begrünte Fläche das Wasser am schnellsten versickern lasse. 2023 war zugleich das wärmste und nasseste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn im Kreis Minden-Lübbecke und Lutz Freiberg wird nicht müde zu betonen, dass sich dieser Klimatrend so schnell nicht werde umkehren lassen. Deshalb müsse besser geplant und gebaut werden. Das sind Forderungen, die nicht selten mit Investoreninteressen kollidierten, räumt Freiberg ein. Wobei allmählich klar sein dürfte, dass unangepasste Gebäude schnell an Wert verlieren dürften. Das mit der besseren Planung ist allerdings nicht so einfach, existierten doch Bebauungspläne, die Satteldächer mit einer Dachneigung von 34 Grad vorschrieben. An die müsse man ran, um Dach- und Fassadenbegrünungen auch im Altbestand zu ermöglichen, fordert Freiberg. Es gibt keine Abwasserkanäle, die diese Fluten ableiten können Dass immer noch große Objekte ohne entsprechende Begrünung hochgezogen und Flächen munter versiegelt werden könnten, liege an der Bauleitplanung der Kommunen, so der Umweltdezernent. Ein &bdquo;Kompass für Klimaschutz- und Klimaanpassung in der Bauleitplanung“, solle die planenden Kommunen dabei unterstützen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Und zur Wahrheit gehöre auch, dass vor allem kleinere Stadtverwaltungen nicht das Know-how vorhalten könnten, um der sich nachhaltig veränderten Lage Herr zu werden. Man werde keine Abwasserkanäle bauen können, die die Fluten ableiten können, die auch dem Kreis Minden-Lübbecke zu erwarten hat. Wenn in noch nicht einmal drei Tagen 180 Liter Wasser pro Quadratmeter vom Himmel fielen, dann helfe nur die Versickerung, um das Schlimmste zu verhindern. Freiberg ist sicher, dass es nur noch darum gehe, den Katastrophenschutz richtig vorzubereiten und die Schäden zu minimieren. &bdquo;Die Klimafolgenanpassung ist eine Querschnittsaufgabe“, sagt Leona Aileen Eichel, die über viele Akteure hinweg koordiniert und eingeübt werden müsse. Auch deshalb arbeiten der Dezernent und seine hauptamtlichen Klimaschützerinnen und Klimaschützer mit dem Verweis auf die Folgen des Klimawandels: Wer durch das Mindener Glacis spaziere, könne einfach nicht übersehen, dass immer mehr uralte Bäume gefällt würden, weil ihnen zu lange das Wasser gefehlt habe. Der Anschluss- und Nutzungszwang behindert die ortsnahe Versickerung Und auch die Landwirtschaft habe mit Blick auf nachfolgende Generationen erkannt, dass Klimafolgenanpassung auch die bäuerlichen Betriebe schützen könne, sagt Freiberg. Gerade für den eher sandigen Norden des Kreisgebietes rechnen die Klimaschützer des Kreises mit lang anhaltenden Dürren. Ihr besonderes Augenmerk richten Freiberg und Eichel auf Taleinschnitte und die kleineren Flüsse. Das Ahr-Hochwasser habe 2021 gezeigt, was sogenannte &bdquo;Starkregenereignisse“ anrichten könnten, wenn man sich nicht rechtzeitig vorbereite. Sorge bereitet Freiberg mitgeschwemmtes Treibgut, das Durchlässe versperrt und sich schließlich mit unvorstellbarer Kraft löst und alles mit sich reißt. Mit Mulden und Senken zur Versickerung wolle man diesen Gefahren vorbeugen, sagt Eichel. &bdquo;Versickerung geht vor ableiten“, zitiert Freiberg das Wasserhaushaltsgesetzt und spricht damit ein heikles Thema an. Mit dem Anschluss- und Nutzungszwang sorgen viele Kommunen dafür, das dort, wo ein Abwasserkanal liegt, er auch zu nutzen ist. Bei den Verwaltungsgerichten ist das ein Dauerthema. Die Gebühren benötigen die Städte und ihre Stadtwerke, um die Abwasserinfrastruktur in Schuss zu halten. Je mehr Hausbesitzer ihre Gärten so ertüchtigen, dass ihr Niederschlagswasser an Ort und Stelle versickern kann, desto größer wird der Unmut über den Anschluss- und Nutzungszwang. Dabei obliegt es der Kommune als unterer Wasserbehörde, die Art und Weise der Versickerung vorzuschreiben und zu überprüfen, damit überhaupt Ausnahmen von der Anschlusspflicht möglich sind. Denn: Die für die Beseitigung des Niederschlagswassers in Betracht kommenden Beseitigungsformen stehen unter dem Vorbehalt der Gemeinwohlverträglichkeit. Und die widerum ist in jedem Einzelfall durchaus interpretationsbedürftig. Somit ist der Anschluss- und Nutzungszwang eine nicht zu unterschätzende Hürde auf dem Weg zu der von Freiberg propagierten Schwammstadt.

Meistgelesen