Diskussion über beschädigtes Sicherheitsgefühl in Bad Oeynhausen

Bad Oeynhausen. Einen Monat nach den tödlichen Schlägen im Kurpark ringt die Kurstadt um Konsequenzen. Landrat Ali Dogan, zugleich Chef der Kreispolizeibehörde, ist Dienstagabend zum Gespräch über die Gewalttat ins Café Ellinghaus gekommen. Eigentümer Uwe Wehmeyer hat den Landrat bereits vor mehreren Monaten zu sich eingeladen. Eigentlich sollte es bei dem Termin um die Lage der Gastronomie gehen. Doch schon nach wenigen Minuten vor den etwa 60 Zuhörern ist klar, dass der Landrat Klartext sprechen will. An seiner Seite steht der oberste Polizist des Kreises, Polizeidirektor Mathias Schmidt. Dogan setzt gleich zu Beginn das Thema &bdquo;Migration und Gewalt“: &bdquo;Das bewegt mich seit zwei Jahrzehnten“, sagt der Landrat und feixt über seine Biografie: &bdquo;Und das liegt nicht an meinem Migrationshintergrund aus dem Kreis Herford.“ Bei dem Thema gebe es in Deutschland zwei Lager. Die eine Seite, vornehmlich die politische Linke, betone bloß die Vorteile der Migration, die andere Seite, vornehmlich rechte und konservative, betone dagegen das Problem und wolle Migration begrenzen. Dogan: &bdquo;Die Wahrheit liegt in der Mitte.“ Gewalt auf der Straße Die tödlichen Schläge im Kurpark sei traurigerweise nicht der erste, aber wohl auch nicht der letzte Fall eines größeren Problems, so Dogan. &bdquo;Das auszusprechen, muss möglich sein, ohne in die rechte Ecke gestellt zu werden. Als Landrat mit dem Vornamen Ali kann ich das selbst besser benennen.“ Dogan, selbst viele Jahre Bundesvorsitzender der alevitischen Jugendorganisation, nennt &bdquo;desintegrativ wirkende Migrantengruppen“ als Herausforderung der offenen Gesellschaft. Das seien &bdquo;oft Muslime, aber auch mennonitische Gruppen“. Etwa ein Drittel der in Deutschland lebenden Menschen hätten einen Migrationshintergrund. In der Kriminalitätsstatistik seien die Gruppen nicht-deutscher Tatverdächtiger im Vergleich dazu &bdquo;durchaus erhöht“. Themenseite: Alle Artikel zum Fall Philipos T. Aus Bad Oeynhausen erreichten ihn viele Schreiben von Bürgern, die sich besorgt über die Zustände in der Innenstadt äußerten. &bdquo;Was können wir tun?“, fragte Dogan und lieferte die Antwort gleich selbst: &bdquo;Wir können nicht das große Rad drehen.“ Auch wenn er Chef der Kreispolizei sei, so der Landrat, sei er bei der Zuweisung von Polizeikräften doch abhängig vom Land. &bdquo;Das sind uns die Hände gebunden.“ Umso wichtiger sei &bdquo;der Schulterschluss mit dem Bürgermeister“. Die Ordnungspartnerschaft zwischen Kreispolizei und Ordnungsamt reiche aber noch nicht aus, um das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürger zu verbessern. Da müsse man drüber sprechen. Die Zahlen indes, so Dogan, gäben das nicht her. &bdquo;Es gibt nicht überbordend viele Gewaltdelikte in Bad Oeynhausen.“ Im Großen und Ganzen sei Bad Oeynhausen im Durchschnitt. &bdquo;Das Gefühl ist aber betrübend.“ Kurpark schließen? Eine Zuhörerin, von ihrer Wohnung guckt sie auf die Herforder Straße, gießt das ungute Gefühl in deutliche Worte: Sie habe ihren Fernseher verkauft, weil das allabendliche Schauspiel auf der Straße schon genügend Unterhaltung biete: &bdquo;Wir möchten unsere schöne, beschauliche Kurstadt Bad Oeynhausen wiederhaben!“ Jeden Abend belagerten schreiende, stinkende Menschen die Bänke entlang der Herforder Straße. Aus großen Boxen werde Musik aufgedreht und Alkohol getrunken, der in den Kiosken verkauft wird. Problem-Klientel gebe es &bdquo;übrigens egal, welche Migrationsgeschichte“, so die Anwohnerin. Weder Polizei noch Ordnungsamt würden Herr des Problems. Die Klientel bewege sich in einer Zwischenwelt, nicht zu fassen für die Sicherheitsbehörden. &bdquo;Inzwischen werden sogar Drogen unter meinem Fenster vertickt.“ Stadtführer Christian Barnbeck berichtet davon, dass seine Gruppen vor Badehaus I angepöbelt und beschimpft würden. Einmal habe ihm sogar jemand den Hitlergruß gezeigt. &bdquo;Das ist ein gefühlter sozialer Brennpunkt“, sagt Barnbeck. &bdquo;Und darunter sitzen auch Deutsche.“ Wenn die Polizei vorbeikomme, verschwänden die Pöbler rasch im Kurpark und beim Ordnungsamt werde die Musik kurzfristig leiser gestellt. Man müsse überlegen, den Kurpark zu schließen. Friedel Bünz widersprach: Er sei froh, dass der Park für alle offen stehe. Mit einer Sperrung bestrafe man die, die sich anständig verhielten. Ratsfrau Melanie Blanke schlug vor, den Park nachts zu schließen. Ordnungsamt ins Lenné-Karree? Landrat Dogan verweist darauf, dass die Polizei ihre Präsenz in Bad Oeynhausen bereits erhöht habe. Die Zahl der Polizisten sei jedoch begrenzt. Einsätze müssten deshalb priorisiert werden. Und Bürgermeister Lars Bökenkröger erklärt, dass der Außendienst des Ordnungsamtes wiederum auf die Unterstützung der Polizei angewiesen sei. Die Mitarbeiter seien &bdquo;keine Hilfspolizei“. Und eine Videoüberwachung sei rechtlich nicht einfach. Bökenkröger: &bdquo;Ich lasse derzeit prüfen, ob das Ordnungsamt ins Lenné-Karree einziehen kann.“ Über eine Schließung des Kurparks müsse der Stadtrat entscheiden. Im September wolle er seine Maßnahmen im Staatsbad-Betriebsausschuss vorstellen. Dann könne die Politik Farbe bekennen. Lesen Sie auch: Ein Wachdienst für den Kurpark Bad Oeynhausen: Wie sicher fühlen Sie sich hier? Eine neue Innenstadtwache mit Beteiligung der Polizei bedeutet das aber wohl nicht. Polizeidirektor Mathias Schmidt hält das auch nicht für ratsam. Zur City-Wache im City Center sei keiner gekommen. Wichtiger als ein Beamter, der in der Wache sitzt, sei doch, dass Fußstreifen und Streifenwagen in der Innenstadt unterwegs sind. &bdquo;Rufen sie uns doch an. Wir kommen gern!“ - Allerdings nur, sofern kein anderer Einsatz wichtiger ist. Da sei auch das Ordnungsamt der Stadt in der Verpflichtung. &bdquo;Eine zusätzliche Wache nutzt nichts. Wir versuchen unsere Kräfte so einzusetzen, dass sie gebraucht werden.“ Und zu den Drogendeals unterm Fenster: Sofern es sich dabei nicht um Cannabisprodukte handele, werde die Polizei der Sache nachgehen. Eine Mitarbeiterin des Casinos im Werre-Park berichtet, dass sie mehrfach die Polizei gerufen haben und dann sehr lange auf die Streifenwagen habe warten müssen. Nach der Schießerei an der Diskothek Mondo und nach der Geldautomatensprengung habe sie vergeblich gewartet. Das will Polizeidirektor Schmidt so nicht stehen lassen. Er verspricht, die genauen Einsatzzeiten nachzuliefern. Am Tag nach der Diskussion kann Polizeipressesprecher Thomas Bensch die Zahlen allerdings noch nicht liefern. Die Mondo-Schießerei war vor fast sechs Jahren. Die Notfallprotokolle wandern aus den Polizeirechnern nach 420 Tagen ins Archiv und der Zugang dazu ist beschränkt. &bdquo;Wir sind da aber dran“, so Bensch. Alkoholverkauf verbieten? Peter Bernard will wissen, warum die Stadtverwaltung überhaupt den Alkoholverkauf entlang der Herforder Straße zulasse. Er habe den Eindruck, dass die Szene sich dahin verlagere, seitdem der Bürgermeister am Augustaplatz die Bänke entfernt habe. Dieser Darstellung widerspricht Bökenkröger vehement. &bdquo;Wir hatten immer schon ein Problem mit der Trinkerszene“, sagt Bökenkröger. Wer einen Kiosk eröffnen wolle, könne das tun. Dafür brauche man keine Genehmigung. Für Gewerbeuntersagungen wäre der Kreis zuständig. &bdquo;Ich appelliere an die Eigentümer, nicht noch einen Kiosk als Mieter zu nehmen.“ Aber er wolle nicht immer auf andere zeigen. Die Stadt müsse mehr gegen Jugendgewalt und Gewalt an Schulen unternehmen, so Bökenkröger und erinnerte an Vorfälle im WEZ-Supermarkt in Werste. &bdquo;Da schwappt richtig was auf uns zu.“ Landrat Dogan unterstützt die Forderung nach mehr Sozialarbeit an den Schulen. Die zahlreichen Kioske in der Kurstadt hat er wie der Bürgermeister als Problem erkannt. Womöglich sei daran auch die Arbeitsmarktförderung des Kreises nicht ganz unschuldig, überlegt der Landrat. Eine Zeit lang habe es Zuschüsse für Existenzgründer gegeben. In Minden seien Kioske mit öffentlichen Geldern gefördert worden. Dogan: &bdquo;Das haben wir eingestellt.“ Bei der Zahl der Polizeikräfte werde er aber dem Land gegenüber &bdquo;nicht nachgeben“. Er sei &bdquo;ein großer Fan von Bezirksbeamten“. Die würden ihre Pappenheimer kennen. Mehr Polizisten bedeute aber auch mehr Kosten. &bdquo;Das müssen Sie das als Bürger auch bezahlen.“ Polizeidirektor Schmidt betonte: &bdquo;Wir sind nicht überlastet, aber belastet.“ Und direkt ans Sicherheitsgefühl der Bad Oeynhausener gewandt, sagte Schmidt: &bdquo;Sie wollen das nicht hören, aber Sie wohnen hier relativ sicher.“

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