Nach jahrelangem Kampf der Eltern: Emma muss nun doch in eine Bad Oeynhausener Förderschule

Bad Oeynhausen. Vor elf Jahren haben Emmas Eltern angefangen, dafür zu kämpfen, dass ihre Tochter eine Regelschule besuchen kann. Mit Erfolg. Emma, die mit dem Downsyndrom zur Welt gekommen ist, besuchte zunächst die Grundschule Eidinghausen und dann die Europaschule und wurde an beiden Schulen inklusiv unterrichtet. Doch jetzt steht Emmas Recht auf Inklusion, auf das gemeinsame Lernen, vor dem Aus, sagt Emmas Mutter, Elisabeth van der Velde. Denn nach den Sommerferien muss die dann 17-jährige Emma nun doch eine Förderschule besuchen. Dann wird Emma die Wittekindshofer Schule besuchen, die Förderschule mit dem Förderschwerpunkt &bdquo;geistige Entwicklung“. Eigentlich hatten die van der Veldes den Plan verfolgt, dass Emma noch ein Jahr an der Europaschule bleibt - bis zum Ende der Schulpflicht. Mit Vollendung des 18. Lebensjahres endet auch für Emma die Schulpflicht. Die achte Klasse hat sie bereits zwei Mal absolviert - auch um Zeit zu gewinnen. Der Wunsch: Inklusives Lernen am Berufskolleg Doch diesen Plan habe die Klassenkonferenz bereits im Januar gekippt. &bdquo;Die Konferenz sah es als sinnvoller an, dass unsere Tochter in irgendeiner Form in eine Berufsvorbereitung geht“, sagt Elisabeth van der Velde. Bereits im Januar haben sich Emmas Eltern um eine Alternative zur Förderschule bemüht. Ihnen schwebte eine inklusive Beschulung für Emma in einem Berufskolleg vor - etwa in einer Ausbildungsvorbereitungsklasse. Doch diese Möglichkeit gibt es so weder im Kreis Minden-Lübbecke noch im Kreis Herford. Zuständig für die Berufskollegs im Mühlenkreis ist das Schulamt des Kreises. Warum das gemeinsame Lernen an den Berufskollegs (derzeit) nicht möglich ist, erläutert Kreissprecherin Sabine Ohnesorge auf Anfrage der NW. &bdquo;Wenn sich Eltern eines Kindes mit geistigen oder körperlichen Einschränkungen an unsere Berufskollegs wenden, gibt es immer eine Einzelfallprüfung, um zu ermitteln, welches Berufsbild passt und erreicht werden könnte. Ziel ist dann tatsächlich ein anerkannter und vollwertiger Abschluss, was auf der anderen Seite bedeutet, dass es im Unterricht keinen sogenannten Nachteilsausgleich gibt. Alle Schülerinnen und Schüler müssen sich den gleichen Anforderungen stellen, damit der Abschluss die gleiche Gültigkeit hat. Dass Schüler*innen mit unterschiedlichen Einschränkungen auf ein Berufskolleg gehen, kommt öfter vor und ist durchaus möglich“, so Ohnesorge. Bei Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf, die diese Anforderungen nicht meistern können, stünden in einem erreichbaren Umfeld inklusive Berufskollegs zur Verfügung, beispielsweise das Friedrich v. Bodelschwingh Berufskolleg in Bielefeld. Dort wird eine vertiefte und integrierte Ausbildungsvorbereitung (VIA) angeboten. Es handelt sich dabei um eine zweijährige Ausbildungsvorbereitung, die beim &bdquo;Übergang in die berufliche Ausbildung zum oder zur Fachpraktiker/in für personenbezogene Serviceleistungen“ begleiten soll. Die Fahrt nach Bielefeld ist für Emma nicht machbar &bdquo;In puncto Entfernung zwischen Wohn- und Schulort bestehe für alle Schülerinnen und Schüler gleichermaßen die gesetzliche Regelung, dass eine Fahrtzeit von unter drei Stunden als zumutbar gilt“, fügt Ohnesorge hinzu. &bdquo;Die lange Fahrt mit Bus, Zug und Straßenbahn ist für Emma aber nicht machbar“, sagt Elisabeth van der Velde. Nach ihrem jahrelangen Kampf für Inklusion und dem Ergebnis, dass Emma nun doch den Weg des gemeinsamen Lernens verlassen muss, ist ihre 60-jährige Mutter sehr frustriert. Denn auch für die Suche nach einem inklusiven Ausbildungs- und Arbeitsplatz schwindet ihr Optimismus. &bdquo;Dabei ist Inklusion keine Gefälligkeit, sondern ein Menschenrecht“, sagt Elisabeth van der Velde aus tiefster Überzeugung. &bdquo;Aber offensichtlich ist das politisch doch nicht so gewollt“, äußerst van der Velde deutliche Kritik. Rechtsgrundlage für die Inklusion ist die auch von der Bundesrepublik unterzeichnete UN-Menschenrechtskonvention. Gemäß dieser Konvention sollen auch Schüler mit körperlichen oder geistigen Behinderungen Zugang zu regulären Schulen bekommen. Jahrelanger Kampf für Inklusion Bereits kurz nach Emmas Geburt war Elisabeth van der Velde an der Gründung einer Selbsthilfegruppe für Eltern von Kindern mit Down-Syndrom beteiligt. Als Emma im letz-ten Kindergartenjahr war, begann für die Familie der Kampf um die Gleichstellung, derKampf für Inklusion. Später engagierte sie sich auch im städtischen Beirat für Menschen mitBehinderungen. Ihr Kampfesgeist war gefordert, als Emma kurz vor der Einschulung stand. &bdquo;Damals verhielt sich die Stadt als Schulträger sehr zurückhaltend. In Emmas Jahrgang gab es fünf Kinder mit Förderbedarf“, erzählt van der Velde. Deren Eltern wollten für ihre Kinder den Besuch einer Regelgrundschule durchsetzen. Das gelang schließlich. An der Grundschule Eidinghausen wurde 2013 eine integrative Klasse eingerichtet. Während ihrer Schulzeit stand Emma immer eine Integrationskraft zur Seite. Emma bekam während ihrer gesamten Schulzeit eigene, ihrem Entwicklungsstand entsprechende Aufgaben. &bdquo;Das klappte meistens auch, war aber auch immer vom Engagement der jeweiligen Lehrerinnen und Lehrer abhängig“, erinnert sich Elisabeth van der Velde. Selbstverständlich wussten die van der Veldes, dass Emma die Anforderungen des Lehrplans nicht erfüllen kann. Aber es ging ihnen um Teilhabe am regulären Leben. Und sie sind auch heute noch der Überzeugung, dass dies der beste Weg für Emma war und sie auf einer Förderschule eben nicht besser aufgehoben gewesen wäre.Im Kreis Minden-Lübbecke gibt es nach der 10. Klasse vier mögliche Wege für den Förderbedarf Geistige Entwicklung: Berufspraxisstufe an einer Förderschule Geistige Entwicklung. Teilnahme an einem berufspsychologischen Eignungstest von der Agentur für Arbeit in Herford: In der Folge kann (muss aber nicht) die AfA alternative Angebote anbieten, wie den Besuch eines Berufsbildungswerk oder die Durchführung einer Maßnahme namens Unterstützter Beschäftigung (UB). Jedoch kann es auch hier vorkommen, dass die AfA den Besuch einer Berufspraxisstufe am sinnvollsten erachtet. Anmeldung am Friedrich v. Bodelschwingh Berufskolleg in Bielefeld. Ausbildungsvorbereitungsklassen am Leo-Sympher BK (jedoch ohne besondere Rücksichtnahme auf den FSP Geistige Entwicklung).

Meistgelesen