Rechtliche Grauzone: Darf man Foto des Tatverdächtigen von Bad Oeynhausen teilen?

Bad Oeynhausen/Minden. Es sind mehrere Bilder ähnlichen Charakters, die nach der tödlichen Attacke auf einen 20-jährigen Mindener in Bad Oeynhausen durch die Sozialen Netzwerke gehen. Darauf zu sehen ist der 18-jährige mutmaßliche Täter, der am frühen Morgen des 23. Juni auf den 20-jährigen Mindener Philipos so heftig eingeprügelt haben soll, dass das Opfer kurze Zeit später starb. Die nun zigtausendfach geteilten Fotos zeigen den inzwischen festgenommenen syrischen Flüchtling zusammen mit Familienangehörigen, womöglich Mutter und Schwester. Aber ist das erlaubt? Begleitet werden die Darstellungen mit verächtlichmachenden und bedrohlichen Sprüchen wie &bdquo;Hier, das ist das Arschloch aus Bad Oeynhausen. Araber und erst 2 Jahre in Deutschland. Du wirst bezahlen“. Unter anderem ist die Information zur Aufenthaltszeit in Deutschland auch falsch, denn nach Angaben der Staatsanwaltschaft Bielefeld lebt der Mann bereits seit 2016 in Deutschland und war demnach als Zehnjähriger hierher gekommen. Eine andere Darstellung zieht die Mutter des Tatverdächtigen mit in die Sache hinein: &bdquo;Mal ein unverpixeltes Bild des Totschlägers aus Bad Oeynhausen. Samt seiner Kopftuch-Mama wurde der (angeblich) 18-Jährige auf Einladung der deutschen Regierung ins Land hofiert.“ >>> Lesen Sie alle Hintergründe zum Fall Philipos T. auf unserer Themenseite Um was für Bilder und Botschaften handelt es sich? Die Art der Formulierung lässt darauf schließen, dass rechtsextreme Kreise sich das Bild zu eigen machen, um es in ihre Propaganda und politische Interpretationen einzubeziehen. Dafür spricht auch die häufige Nennung des Kampfbegriffs &bdquo;Remigration“, das in der rechtsextremen Szene für die massenhafte Ausweisung von Ausländern oder gar Deutschen mit Einwanderungsgeschichte steht. Ja. Zum einen handelt es sich eben zunächst um einen Verdächtigen, während die Posts so tun, als stehe bereits das Urteil fest. Offenbar halten es Polizei und Staatsanwaltschaft zwar für sehr wahrscheinlich, dass der gerade Volljährige derjenige ist, der auf das später verstorbene Opfer eingeprügelt hat. Bis zu einem Gerichtsurteil gilt allerdings die Unschuldsvermutung. >>> Lesen Sie auch: Teilnehmer der rechten Mahnwache in Bad Oeynhausen fordern &bdquo;Remigration“ Ist das unverpixelte Zeigen eines Tatverdächtigen problematisch? Mal abgesehen davon, dass der Straftatbestand der Beleidigung auch gilt, wenn Straftäter oder Tatverdächtige angegangen werden, auch sie haben Persönlichkeitsrechte sowie das Recht am eigenen Bild. Im Allgemeinen gilt, dass keine Fotos von Privatpersonen ohne deren Zustimmung veröffentlicht werden dürfen. Für die Angehörigen, die auf dem Foto zu sehen sind, gilt das ohnehin. Sie haben mit dem Fall zunächst nur sehr mittelbar und im juristischen Sinne gar nichts zu tun. Am öffentlichen Darstellen der Gesichter von Straftätern kann es dagegen ein öffentliches Interesse geben. &bdquo;Es muss stets eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten und dem Informationsinteresse der Allgemeinheit (...) vorgenommen werden“, schreibt der Jurist Sebastian Klingenberg auf der Internetseite Juraforum.de. In zeithistorisch relevanten Fällen kann es zu einer Weitung der Privatsphäre kommen. So urteilte der Bundesgerichtshof der Plattform zufolge, dass Bilder des sogenannten &bdquo;Kannibalen von Rotenburg“ unverpixelt gezeigt werden dürfen. In diesem recht einzigartigen Kriminalfall der deutschen Rechtsgeschichte wiegt das Interesse der Öffentlichkeit schwerer als die Privatsphäre des Täters. Das alles dürfte im Fall des Bad Oeynhauser Täters auch nach einem Urteil nicht gelten. So schwer die mutmaßliche Straftat war, so wenig dürfte ein Gericht vermutlich entscheiden, dass es sich um eine Tat zeithistorischen Ranges handelt. Zudem ist der Tatverdächtige als gerade Volljähriger in einer besonders geschützten Lebensphase. Selbst wer eine schwere Straftat begeht, wird – jedenfalls in Deutschland – nicht plötzlich vogelfrei und rechtelos. Und das Urheberrecht? Das Foto wurde vermutlich von einem Dritten angefertigt, der dabei kaum die deutschlandweite Veröffentlichung im Blick gehabt haben dürfte. Dieses Foto ungefragt weiterzuveröffentlichen ist neben der Verletzung des Persönlichkeitsrechts auch urheberrechtlich nicht sauber. Insofern sollte auch jeder vorsichtig sein, der die Bilder &bdquo;nur“ teilt, denn auch das bloße Weiterverbreiten auf der eigenen Facebook-Seite oder in anderen Portalen kann als Urheberrechtsverletzung gewertet werden und entsprechende Folgen haben. Was ist von Aussagen der Selbstjustiz zu halten? Auch das kann juristisch belangt werden. Die Bestrafung einer Person nach einer Tat fällt in den Bereich des Gewaltmonopols des Staates, heißt es auf dem Portal Kriminalpolizei.de. Allein Polizei und Staatsanwaltschaft dürfen in Deutschland mutmaßliche Straftäter verfolgen und nur Richterinnen und Richter nach einem Verfahren einen Angeklagten verurteilen oder freisprechen. Diese Regelung soll chaotische Willkürhandlungen verhindern. Eine Aussage wie das oben genannte &bdquo;Du wirst bezahlen“ könnte als Bedrohung ausgelegt werden, so es nicht als vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt angesehen wird.

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