Teilnehmer der rechten Mahnwache in Bad Oeynhausen fordern „Remigration“

Bad Oeynhausen. Grabkerzen, Blumen und Herzen liegen nach der tödlichen Schlägerei vom letzten Wochenende nicht nur im Kurpark, sondern auch in zwei Ecken des Inowroclawplatzes. In der einen Ecke liegt noch der Grabschmuck der AfD-Jugendorganisation herum. Samstagmittag ist neuer Grabschmuck auf der anderen Seite des Platzes dazugekommen - verbunden mit politischen Beileidsbezeugungen, die denen der AfD vom Vortag ähneln: Auf beiden Mahnwachen rufen Teilnehmer zur &bdquo;Remigration“ auf. Die Polizei spricht am Samstag von bis zu 80 Mahnwachen-Teilnehmern, die Veranstalter von 120. Auf der Demo gegen die Mahnwache sind am Samstag laut Polizei etwa 60 Teilnehmer. Dabei finden die Mahnwachen gegen den ausdrücklichen Wunsch der Familie von Philipos T. statt. Der 20-jährige Mindener hatte am vergangenen Wochenende den Abiball seiner Schwester besucht und gefeiert. Als er vom Kaiserpalais im Kurpark nach Hause fahren wollte, geriet er in eine Gruppe junger Männer. Einer zerrte ihn weg und schlug immer wieder auf ihn ein. Philipos starb an den Folgen dieser Prügelattacke. Den mutmaßlichen Täter hat die Polizei am Mittwoch verhaftet. Er ist offenbar 2018 aus Syrien nach Deutschland gekommen, lebt aber noch nicht lange in Bad Oeynhausen. Der junge Mann ist 18 Jahre alt, Kampfsportler und laut Pressemitteilung der Polizei bereits wegen mehrerer Gewalttaten, Drogen und Diebstählen in Baden-Württemberg aufgefallen. Er schweigt bislang zu den Vorwürfen. Philipos Familie bleibt zu Hause Die Angehörigen von Philipos bleiben am Samstag der Mahnwache fern und kamen auch nicht zur Gegendemonstration. Auf Einladung von Bürgermeister Lars Bökenkröger haben die Angehörigen ihrer Trauer bereits am Mittwoch beim stillen Gedenken am Tatort Raum gegeben. Der Onkel von Philipos hat danach gegenüber der NW klargestellt: &bdquo;Wir dürfen nicht zulassen, dass mit dem Tod meines Neffen Politik gemacht wird.“ Philipos sei Musiker gewesen, weltoffen und klar gegen Rechts. Trotzdem gibt es politische Mahnwachen - außerhalb des Kurparks. Veranstalter der Mahnwache am Samstagmittag auf dem Inowroclawplatz sind zwei Bad Oeynhausener: Vater und Sohn. Im Gespräch mit der NW legen sie Wert darauf, als Privatpersonen aktiv geworden zu sein, sie seien nicht parteipolitisch organisiert. Beide haben schon mehrfach zu Aufzügen durch die Innenstadt aufgerufen, um ihren Protest gegen die Ampelregierung öffentlich zu machen. Unterstützt werden sie dabei aus der Querdenkerszene aus ganz Ostwestfalen–Lippe, die sich nach den Coronaprotesten offenbar ein neues Thema gesucht hat. Unter ihren Unterstützern finden sich außerdem auch Sympathisanten der rechtsextremen Identitären Bewegung. Die Gegendemonstranten weisen auf Verbindungen zu Rechtsextremen still und stumm mit Bannern und Plakaten hin. Zwischen Mahnwache und Gegendemo steht die Polizei mit zwei Handvoll Polizisten. In den Cafés rundum den Inowroclawplatz schlürfen die Menschen Milchkaffee und schauen sich das politische Spektakel an. Demo-Anmelderin ist zufrieden mit der Resonanz Die Anmelderin der Gegendemo verspätet sich am Samstag ein paar Minuten, weil sie sich in der Kurstadt verfahren hat. Sie kommt aus Minden, beobachtet die Kanäle der Querdenkerszene und deren Radikalisierung während der Coronaproteste schon länger. Nach der Anmeldung hat sie vorübergehend Angst vor der eigenen Courage bekommen und schlaflose Nächte durchlebt, erzählt sie. Mit der Resonanz ist sie aber zufrieden. Die Tat im Kurpark solle man nicht für politische Zwecke instrumentalisieren, findet sie. &bdquo;Darauf wollte ich aufmerksam machen.“ Die Mahnwachen-Veranstalter nehmen für sich in Anspruch, nicht zu instrumentalisieren. Auch sie zeigen sich zufrieden über die Resonanz. Von rechtsextremen Unterstützern wollen sie indes nichts wissen. &bdquo;Wir distanzieren uns“, sagt der Vater zu Beginn der Mahnwache, &bdquo;von rassistischen Beleidigungen und Beschimpfungen.“ Dass die Familie des Opfers nicht mit der Mahnwache einverstanden ist? &bdquo;Das ist schade.“ Man habe auf Facebook versucht, Kontakt mit den Angehörigen aufzunehmen, doch das sei leider nicht gelungen. In seiner Rede bedankt sich der Vater bei den Teilnehmern für die Unterstützung und wendet sich den Gegendemonstranten zu, die am Spielplatz vorm Kurparkeingang stehen: Man solle sich von denen nicht provozieren lassen, &bdquo;egal, was dort veranstaltet wird“. Doch vom Spielplatz kommen keine Provokationen. Die Gegendemo ist friedlich - und still. Ganz anders als die Mahnwache. Drei Redner fordern Abschiebungen Dort wird Politik gemacht. Die Forderung der Mahnwachen-Veranstalter beschränkt sich allerdings auf den Satz: &bdquo;So geht es nicht weiter“. Die politische Einordnung der Tat überlassen die beiden weitgehend den Rednern am Mikrofon. Drei mittelalte Männer ergreifen die Gelegenheit beim Schopf. Sie kommen alle nicht aus Bad Oeynhausen. Und alle drei erzählen davon, dass sie viele Migranten kennen (&bdquo;die meisten sind korrekte Leute“) - aber nur die straffälligen abschieben wollten. Einer fordert unter Applaus: &bdquo;Ich möchte, dass das Gesetz 1:1 angewendet wird.“ Er lässt offen, wie er das meint. Seine Zuhörer aber scheinen ihn zu verstehen. Ein Mann namens Daniel vom &bdquo;Bündnis gegen Links“ wird noch deutlicher. Er verteilt &bdquo;Stolzmonat“-Aufkleber im Publikum. Am Mikrofon erzählt er, die rechte Seite des politischen Spektrums im Parlament, sei die Seite, die ihm am nächsten stehe. Beim letzten &bdquo;Aufzug“ der Mahnwachen-Veranstalter in Bad Oeynhausen stand derselbe Mann mit einem T-Shirt der Identitären Bewegung und einem Megafon als Lautsprecher auf einem Podest in der Paul-Baehr-Straße. Nun spricht er überraschend leise. &bdquo;Wir fordern die Politiker auf, alles dafür zu tun, damit wir sicher in unserer Stadt leben.“ Außerdem behauptet Daniel, dass der mutmaßliche Täter in der Vergangenheit nicht nur wegen Diebstahls, Drogen und Körperverletzungen, sondern auch wegen Vergewaltigung und Kindesmissbrauch aufgefallen sei. Woher er das weiß? &bdquo;Das stand bei Twitter“, erklärt er auf Nachfrage. Die Polizei stellt &bdquo;keine strafbaren Handlungen“ fest Die Veranstalter der Demonstration widersprechen nicht. Und sie dulden auch, dass Daniel mit drei anderen Männern ein Banner mit der Aufschrift &bdquo;Remigration“ auf dem Rasen neben dem Inowroclawplatz entrollt. &bdquo;Das ist außerhalb unseres Bereichs“, sagen die Veranstalter. Andrea Kielsmeier, Polizeichefin in der Kurstadt, erklärt nach dem Ende der beiden Veranstaltungen, die Polizei habe &bdquo;keine strafbaren Handlungen“ festgestellt. Lesen Sie zu diesem Thema auch Opfer stirbt nach Attacke am Bad Oeynhausener Kurpark – 60.000 Euro Spenden gesammelt Anteilnahme oder Hetze? Rechte greifen tödliche Attacke vom Bad Oeynhausener Kurpark auf Mann schwebt nach Angriff in Bad Oeynhausener Kurpark in akuter Lebensgefahr Größere Personengruppe schlägt auf zwei Männer ein und verletzt sie teils lebensgefährlich

Meistgelesen