Roman aus der Bad Oeynhausener Besatzungszeit: Eine Liebe hinter Stacheldraht

Bad Oeynhausen. Gut neun Jahre war die Innenstadt von Bad Oeynhausen hinter Stacheldraht, Kurpark und Bäderanlagen durften von Einheimischen nur mit Ausnahmen betreten werden. Erst 1954 rückten die Besatzer ab. 70 Jahre nach dem Abzug der Briten aus der Kurstadt lässt Autorin Theresia Graw genau diese Zeiten wieder aufleben. Ihr Roman ist das erste Werk, das das Erlebnis fernab von Chroniken und Zeitzeugenberichten aufgreift. Entstanden ist &bdquo;Don’t kiss Tommy - Eine Liebe in der Stunde Null“ zudem in Zusammenarbeit mit einer gebürtigen Bad Oeynhausenerin: Tabea Horst leitet die Hardcover-Abteilung beim Berliner Ullstein Verlag und hatte die Idee zum Buch. Theresia Graw ist eine Fachfrau für historische Romane. Die Journalistin hat sich bereits an der Geschichte ihrer Mutter und Großmutter und deren Flucht aus Ostpreußen entlang gehangelt und daraus die Gutsherrensaga &bdquo;Soweit die Störche ziehen“ entworfen. Im Gespräch mit Tabea Horst entstand dann die Idee, auch die Nachkriegsjahre in einem Roman zu verarbeiten. &bdquo;Wir haben gemeinsam überlegt, was da los war, und dabei habe ich erstmals von der Sperrzone und dem Stacheldraht in Bad Oeynhausen gehört - und das, obwohl ich aus NRW bin“, gibt Theresia Graw zu. &bdquo;Das konnte ich alles kaum glauben, was ich gehört habe. Dass da noch niemand einen Roman drüber geschrieben hat“, sagt sie kopfschüttelnd. Das Thermalbad fürs Gefühl Theresia Graw machte sich an die Recherche und ging in Bad Oeynhausen auf Spurensuche. &bdquo;Meine beiden Omas konnten viel beisteuern“, sagt Tabea Horst. &bdquo;Sie haben damals bei den Briten gearbeitet, alle zuhause auf engem Raum gelebt, meine Großtante ist nach England durchgebrannt“, erinnert sich Tabea Horst an die Erzählungen, die sie schon aus ihrer Kindheit kennt. &bdquo;Aber ich habe das Besondere daran nie gesehen“, gibt die gebürtige Bad Oeynhausenerin zu. Auch wenn die Historie echt ist - die Geschehnisse im Roman sind es nicht. &bdquo;Das ist alles voll erfunden“, sagt Theresia Graw lachend. Nicht nur die beiden Frauen, um die es im Roman geht, auch das Hotel Margaretenhof hat es in der Kurstadt so nie gegeben. Aber: &bdquo;Ich habe natürlich ein Gebäude aus der Zeit vor Augen.“ Theresia Graw hat sich bei ihrem Besuch in Bad Oeynhausen zurückversetzen lassen in die damalige Zeit, hat sich mit den Menschen über ihre Gefühle damals unterhalten, im Stadtarchiv recherchiert, historische Artikel in der Neuen Westfälischen über Zeitzeugen gelesen, die Wetterchronik nachgeschlagen, Bauanleitungen von 1946 für ein Barackenhotel studiert und sogar ein Thermalbad im Badehaus genossen. Es war ein dürrer Sommer, es gab den Hungerwinter, ein Jahrhunderthochwasser oder das Feuer in der Auferstehungskirche - all das kommt vor im Roman &bdquo;Don’t kiss Tommy“: &bdquo;Der Spannungsbogen muss passen - bis hin zum Geschichtlichen“, erklärt Graw. Zwei Jahre - von 1947 bis 1949 - umfasst ihr Roman. &bdquo;Und natürlich der Epilog mit dem Rest des Zeitgeschehens.“ Zwei Freundinnen kämpfen für ihre Träume Das Buch schildert die Situation in Bad Oeynhausen. Die Stadt ist umzäunt. Fraternisierung verboten. Zwei ungleiche Freundinnen kämpfen für ihre Träume und gegen die Grenzen der Liebe. Nach Kriegsende wird der mondäne Kurort Bad Oeynhausen zum Hauptquartier der britischen Rheinarmee. Durch die Innenstadt wird ein Zaun gezogen, tausende Einwohner müssen ihr Zuhause verlassen und Platz machen für die Besatzer. Auch Anne und ihre Familie sind gezwungen, ihr Kurhotel aufzugeben und in eine Baracke außerhalb der Sperrzone zu ziehen. Während ihre Freundin Rosalie gewillt ist, sich die Briten zum Freund und das Leben dadurch ein bisschen einfacher zu machen, lehnt sich Anne auf und gerät immer wieder mit dem Colonel Michael Hunter aneinander. Erst ein verhängnisvolles Feuer lässt beide erkennen, dass sie auf derselben Seite stehen und sich viel näher sind, als sie jemals dachten. Kurz vor Weihnachten hatte Theresia Graw das Manuskript fertig und Tabea Horst konnte sich in die Geschichte über ihre Heimatstadt vertiefen. Parallel zum letzten Hochwasser: &bdquo;Da kommt man schon ins Grübeln, wo der Hof aus dem Buch damals wohl gestanden haben könnte“, überlegt Tabea Horst. &bdquo;Ich habe viel über meine Stadt gelernt - auch vorher schon durch die Recherche“, bilanziert Horst, die Germanistik und Komparatistik studiert hat und vor etwas mehr als sechs Jahren nach Berlin zog, wo sie beim Ullstein Verlag volontierte und inzwischen die Programmleitung Hardcover innehat. Lesung in der Auferstehungskirche Entstanden ist ein Buch, das den Leser in eine ereignisreiche Zeit entführen soll. &bdquo;Es war eine spannende, eine wichtige Zeit“, ist Theresia Graw überzeugt. Anhand der Figuren könne die Leserin direkt dabei und ganz nah dran sein. &bdquo;So kann jeder entspannt vom Sofa aus dieses dramatische Zeit erleben.“ &bdquo;Don’t kiss Tommy“ erscheint Ende Juni im Ullstein Verlag. Theresia Graw und Tabea Horst werden am Sonntag, 30. Juni, zur Buchvorstellung in Bad Oeynhausen sein. Die Lesung beginnt um 18 Uhr in der Auferstehungskirche am Kurpark.

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