Wirbel um eine „falsche Leiche“ in verlassenem Stollen in Bad Oeynhausen

Bad Oeynhausen. Verlassene Orte üben auf Abenteurer eine geradezu magnetische Anziehungskraft aus. Das Wiehengebirge hat da einiges zu bieten. Hier wurde bis ins vergangene Jahrhundert Erz abgebaut. Außerdem nutzten die Nazis die Stollen, um Teile der Kriegswirtschaft zu verstecken. Drei Männer sind in der Nacht zu Samstag in einen solchen verlassen Stollen im Grenzgebiet zwischen Bad Oeynhausen und Minden eingestiegen - und meldeten um 0.20 Uhr über den Notruf einen gruseligen Fund: Sie glaubten, unten im Schacht in einer Plastikplane eingewickelt, einen Leichnam entdeckt zu haben. Polizei und Feuerwehr eilten im Dunkeln ins Wiehengebirge. Zwei Streifenwagen und etwa 20 Feuerwehrleute, darunter die Berufsfeuerwehr Minden, ein Rettungswagen, der Einsatzleitdienst und die Löschgruppe Haddenhausen blickten nach Angaben von Kreispressesprecherin Sabine Ohnesorge in den Schacht. Schließlich stiegen die Höhenretter der Feuerwehr Espelkamp hinab und öffneten die blaue Plastikplane. Wie sich herausstelle, befand sich darin jedoch bloß Sand und Schlick. Nach Angaben von Polizeipressesprecher Nils Schröder sollte die Plastikplane eigentlich den Schacht vor Wasser schützen, hatte dem vielen Regen in den vergangenen Wochen aber offenbar nicht mehr Stand gehalten. Die Plane war offenbar verrutscht und die Fantasie der drei Männern im Alter von 32, 23 und 21 Jahren aus dem Kreis Herford schlug Purzelbäume. Erdrutsche legen alte Schächte frei Regionalförster Markus Uhr kennt den Wald und weiß natürlich von den Stollen darunter. &bdquo;Es ist kein Geheimnis: Das Wiehengebirge ist löchrig wie ein Schweizer Käse.“ Die verlassenen Bergwerke unterm Wald sind die Ursache dafür, dass der Berg sich immer wieder mal überraschend öffnet - und das Telefon beim Förster klingelt. Gerade erst am Montag ist Markus Uhr zu einem frischen Loch direkt neben dem Wanderweg auf dem Kamm des Wiehengebirges in Bad Oeynhausen gerufen worden. Es ist nicht der Schacht, in den die drei Abenteurer eingestiegen sind. Es ist aber offenbar auch ein alter Lüftungsschacht des Erzbergwerks, der eigentlich längst verfüllt war. Durch den vielen Regen ist das Füllmaterial aber verrutscht. Jetzt klafft ein vielleicht 1,50 Meter breites und 3,50 Meter tiefes Loch im Berg. Uhr hat das Loch mit Flatterband abgesichert. Es soll am Donnerstag zugeschüttet werden. Bis dahin ist Vorsicht geboten. Das Loch liegt direkt am Wanderweg, ungefähr zwischen Wildem Schmied und Lutternscher Egge. Wenige Meter nebenan zeigen Reifenspuren, dass Fahrradfahrer hier öfters zwischen den Bäumen durchjagen. Der Förster ist nicht für Löcherstopfen zuständig &bdquo;Der Wald ist kein sicherer Ort“, sagt Uhr. Normalerweise müssen Waldbesucher im Norden von Bad Oeynhausen bloß mit waldtypischen Gefahren rechnen, wie herabstürzenden Ästen oder umfallenden Bäumen. Im Wiehengebirge aber kann sich auch überraschend der Boden unter den Füßen auftun. Markus Uhr: &bdquo;Ich habe schon häufiger solche Löcher zugeschüttet.“ Wobei der Förster dafür eigentlich nicht fürs Löcherstopfen zuständig ist. Diese Löcher sind Ewigkeitslasten der Erzbergwerke. Die Nachfolgegesellschaften dieser Unternehmen müssen die Schäden regulieren. Der Förster hat dabei eher die Rolle eines Ordnungsamts im Wald. Die drei Abenteurer müssen vom Förster indes kein Knöllchen fürchten. Offen ist aber noch, ob das Abenteuer für die drei nicht doch noch ein Nachspiel hat. Womöglich müssen die drei Männer mit einem Strafverfahren wegen Hausfriedensbruchs rechnen. Allerdings nur, wenn der Eigentümer des Stollens das beantragt. Solange gilt: wo kein Kläger, da kein Richter. Lost-Places-Profi aus Bad Oeynhausen meidet Bergwerke Mit verlassenen Orten und dem richtigen Umgang mit diesen &bdquo;Lost Places“ kennt sich der Bad Oeynhausener Fotograf und Autor Daniel Boberg aus. Er hat auf seinen Reisen zahlreiche verlassene Orte besucht und in brillanten Bildern festgehalten. Mittlerweile hat Boberg seinen achten Fotoband veröffentlicht. Zuletzt ist er wieder in seiner alten Heimat Ostwestfalen-Lippe unterwegs gewesen - zum Beispiel im ehemaligen Kurhaus Ernstmeier in Randringhausen und einem ehemaligen Kieswerk an der Weser. Seine Grundregel aber lautet: &bdquo;Niemals allein und niemals auf verriegeltes Gelände.“ In einen verschlossenen Schacht würde Boberg niemals kriechen. Er besucht alles, was verlassen und überirdisch zu erreichen ist - und wo es noch genügend Tageslicht für Fotos gibt. &bdquo;Bergwerke und Stollen“, sagt Boberg am Telefon mit Blick auf die Erfahrungen der drei Abenteurer vom Wochenende: &bdquo;Das ist mir zu heiß.“ Boberg kann aber verstehen und auch gut erklären, worin die Anziehungskraft liegt, die so ein Loch im Berg auf Abenteurer ausübt. Er nennt das in seinen Büchern schlicht &bdquo;Verlasszination“. Im Fall eines dunklen Stollen liegt der Thrill womöglich auch im Verbotenen. Das Internet ist voller Videos, die Lost-Places-Abenteurer bei ihren Ausflügen in die Unterwelt gedreht haben. Einige dieser Filmchen sind offenbar auch im Wiehengebirge entstanden. Verleitet die Veröffentlichung dieser Abenteuer nicht andere zur Nachahmung? Das ist ein Vorwurf, den der Fotograf schon mal gehört hat. Darin schwingt auch die Unterstellung mit, der Fotograf sei für das Handeln mutmaßlicher Nachahmer mitverantwortlich. Boberg sagt dazu: &bdquo;Jeder ist für sich selbst verantwortlich.“

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