77.800 Euro wert: Busfahrer soll Fahrscheine in Bad Oeynhausen unterschlagen haben

Bad Oeynhausen. Kriminalisten und solche, die sich dafür halten, sprechen bei eindeutigen Beweisen gerne von einem &bdquo;rauchenden Colt“. Genau so einen Beweis hat die Staatsanwaltschaft Bielefeld offenbar in der Wohnung eines Busfahrers entdeckt: In seiner Jackentasche steckten Fahrscheine im Wert von 8.540 Euro. Außerdem fanden Ermittler bei der Durchsuchung mehrere Blanko-Papierrollen für diese Tickets. Der Busfahrer stellt das aber anders dar. Die Tickets habe er im Bus entdeckt. Seine Rechtsanwältin sät bei der Fortsetzung des Gerichtsprozesses am Donnerstag im Amtsgericht Bad Oeynhausen Zweifel an der Beweisführung. Bislang geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass der Busfahrer die Tickets an seinem Arbeitsplatz im Bus ausgedruckt und mitgenommen hat. Die Fahrscheine wurden allerdings allesamt mit dem Zugangscode eines Kollegen ausgedruckt. Wie der Mann daran kam? Offenbar hatte dieser Kollege seine Geheimzahl für den Busticketschalter in einer internen Whatsapp-Gruppe der Busfahrer gepostet. Der Busfahrer soll bis zu seiner fristlosen Entlassung regelmäßig mit den Zugangsdaten dieses Kollegen Fahrscheine ausgedruckt haben. Wichtigster Beleg der Staatsanwaltschaft sind Übertragungstickets, auf denen in sehr langen Nummern die Gerätenummer des Ticketdruckers, der Standort und die Uhrzeit eingestempelt sind. Bei den Tickets handelte es sich um Einzelfahrscheine, aber auch um deutlich teurere Wochen- und Monatstickets. Normal sind Monatsverkäufe bis 500 Euro Im September 2020 gingen die Ticketverkäufe auf einmal steil nach oben. Los ging’s am 5. September, da soll der Angeklagte die ersten vier Tickets ausgedruckt haben. Am 7. September sollen es bereits 276 Fahrscheine im Wert von rund 19.000 Euro gewesen sein, einen Tag später erneut 536 Fahrscheine im Wert von etwa 20.000 Euro und am 10. September erneut 571 Tickets für 38.500 Euro. Aufgeflogen ist der Fall durch einen Gratulationsanruf der ostwestfälischen Verkehrsgesellschaft Transdev beim Busunternehmer: Seine Firma sei Ticket-König in der Region, erklärte der Transdev-Mitarbeiter dem verdutzten Busunternehmer. Innerhalb einer Woche hätte seine Firma Tickets für fast 80.000 Euro verkauft. Normal sind Verkäufe im Wert von 300 bis 500 Euro. Der Unternehmer vermutete zunächst einen Scherz, dann einen technischen Fehler, schließlich erstattete das Unternehmen Anzeige. Aus den Übertragungstickets und den Dienstplänen schlossen die Ermittler dann später auf den angeklagten Busfahrer. Die Verteidigerin bezweifelt jedoch die Aussagekraft dieser Übertragungstickets und will ganz genau wissen, wie die Ermittler anhand der Nummern überhaupt auf den Busfahrer als Beschuldigten kommen konnten. Der Richter bittet mehrere Zeugen nacheinander an den Richtertisch und legt ihnen die Liste der Ticketbuchungen vor. Auf die gleichen Fragen sagen die Zeugen allerdings sehr unterschiedliche Dinge. Ticketdrucker sind Bussen zugeordnet - aber wie? Ein ehemaliger Busfahrerkollege des Angeklagten kann die Nummern nur noch ansatzweise entschlüsseln. Er arbeitet seit längerem für einen anderen Arbeitgeber, der ein anderes Ticketsystem hat. Die Verteidigerin hat ihn als Zeugen benannt, weil er dabei gewesen sein soll, als der Angeklagte eine größere Menge Fahrscheine im Bus entdeckte. Daran kann sich der Zeuge aber nicht erinnern. Er habe derzeit viele Probleme zuhause, entschuldigt er sich: &bdquo;Ich weiß nicht, was vorgestern war.“ Ein anderer Busfahrer, der auch als Mechaniker des Busunternehmens in Bad Oeynhausen arbeitet, erklärt dem Gericht, dass die Ticketdrucker fest in den Bussen installiert sind. Die Fahrer könnten sie nicht ohne Weiteres auswechseln. Außerdem seien sie den Bussen fest zugeordnet. Allerdings habe er keine Liste der Geräte, die hätte aber womöglich Transdev. Dass überhaupt so viele Tickets ausgedruckt wurden, sei ihm nicht aufgefallen. Auf den Nummern der Übertragungstickets könne man aber sehen, wann die einzelnen Geräte sich ins Kassensystem eingeloggt haben und wo die Fahrscheine ausgedruckt wurden. Die Geräte werden der Bordelektronik und damit auch mit dem Ortungssystem des Busses verbunden. Die Fahrscheine, erklärt der Mechaniker, könnten deshalb eigentlich nur während der Fahrt ausgedruckt worden seien. &bdquo;Wie Superman mit dem Bus durch die Gegend?“ Das jedoch scheint ausgeschlossen. Die Verteidigerin verweist auf ein Übertragungsprotokoll, wonach ein Fahrschein am Busbahnhof in Minden und der nächste Fahrschein gerade einmal 40 Sekunden später in Petershagen-Friedewalde ausgedruckt wurde. Auch ihr nächstes Beispiel sät Zweifel an der Beweiskraft der Übertragungstickets: Da wurde an demselben Gerät erst ein Fahrschein um 22.10 Uhr in Petershagen-Schlüsselburg ausgestellt und keine Minute später der nächste Fahrschein in Bad Oeynhausen ausgedruckt. &bdquo;Ist der Busfahrer wie Superman nachts mit dem Bus durch die Gegend gerauscht?“, fragt die Verteidigerin. Ein wenig Licht ins Dunkel bringt der geschädigte Busunternehmer, der die fast 80.000 Euro für die Bustickets an Transdev bezahlt hat - ohne ein einziges Ticket wirklich an Fahrgäste zu verkaufen. Sein Unternehmen, das hat er zum Prozessauftakt unter Tränen deutlich gemacht, stehe deshalb vor der Insolvenz. Auch bei seiner zweiten Zeugenvernehmung ist das Thema. Die Verteidigerin will nämlich wissen, ob die Transdev oder die Minden-Herforder-Verkehrsgesellschaft, die den Nahverkehr für die Kreise Minden-Lübbecke und Herford organisiert, sich mit dem Busunternehmen inzwischen bei der Schadensregulierung geeinigt habe. Der Busunternehmer schüttelt empört den Kopf. &bdquo;Ich habe die gesamten Tickets bezahlt.“ Er habe nicht einmal das Geld für die beim Busfahrer in der Jackentasche aufgefundenen und zurückgegebenen Tickets erstattet bekommen: &bdquo;Ich würde mich freuen, wenn das kommen würde.“ Busunternehmer steht wegen des Schadens vor der Insolvenz Auch der Busunternehmer versucht ein weiteres Mal, den versammelten Rechtsexperten das Kassensystem seiner Busse und die Nummern auf den Übertragungstickets zu erklären. &bdquo;Drucker und Fahrzeug werden immer miteinander verheiratet, sonst funktionieren die nicht“, sagt der Busunternehmer. Die Geräte seien an den Tachographen des Busses angeschlossen. Auf die Nachfrage der Verteidigerin, wie er sich dann erkläre, dass der Bus in weniger als einer Minute von Schlüsselburg nach Bad Oeynhausen fahren kann, hat der Unternehmer aber keine Antwort. &bdquo;Das weiß ich nicht.“ Womöglich könne das aber die Transdev sagen, die auch die Software der Kassensysteme gewartet habe. Um 22.10 Uhr fahre jedoch ganz sicher keiner seine Busse: &bdquo;Das ist bei uns auf dem Hof passiert.“ Die Verteidigerin regt nach diesen Zeugenaussagen an, den Prozess gegen Zahlung einer Geldsumme einzustellen. &bdquo;Wie weit wollen Sie das noch treiben?“, fragt sie den Richter. Klar, seien einige Tickets bei der Hausdurchsuchung sichergestellt worden. Die hätte ihr Mandant jedoch später noch seinem Chef ausgehändigt. Staatsanwältin und Richter wollen sich darauf aber nicht einlassen. &bdquo;Das müssen wir schon aufklären“, sagt der Richter und vertagt den Prozess auf Donnerstag, 11. Januar. Dann soll ein weiterer Busfahrer gehört werden, für den zunächst kein Dolmetscher da war. Am Dienstag, 30. Januar, könnte der Strafprozess dann in die entscheidende Phase kommen. Dann soll der Fachmann gehört werden, der die Kassensysteme gewartet und die Rekordverkäufe als erster entdeckt hat.

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