Explosiver Stoff in Apotheke vermutet: War Großaufgebot in Bad Oeynhausen übertrieben?

Bad Oeynhausen. Die Kaiserstraße ist wegen der Bahnbrückenbaustelle auf der Steinstraße derzeit die wichtigste Nord-Süd-Verbindung durch die Kurstadt. Ausgerechnet im Feierabendverkehr am Freitagnachmittag haben Polizei und Feuerwehr diese Straße rund um die Apotheke an der Post gesperrt. Der Grund: Die Einsatzkräfte vermuteten Explosionsgefahr durch einen chemischen Stoff im Lager der Apotheke. 1,5 Stunden später gab's Entwarnung. Eine Gefahr für die Öffentlichkeit bestehe nicht, meldeten Sprengstoffexperten des Landeskriminalamts (LKA) per Ferndiagnose der Polizei vor Ort. Die Feuerwehr war mit einem Großaufgebot vor Ort. Der Eigentümer der Apotheke an der Post zeigte sich davon überrascht. Bei der Chemikalie ging's schließlich bloß um 15 bis 20 Gramm, erklärt er am Montag. "Das war ein Teelöffel voll", sagt Klaus König, Eigentümer der Apotheke. Pikrinsäure gehörte einst standardmäßig zu den Chemikalien, die Apotheken ständig vorrätig haben mussten. Es war offenbar Teil eines Reagenzien-Satzes, mit dem Apotheker früher die Identität der Rohstoffe zur Medikamentenherstellung überprüfen konnten. "Heute benutzt man dafür nicht mehr chemische, sondern technische Hilfsmittel", sagt König. Gefahrstoffe müssen den zuständigen Behörden gemeldet werden Eine Gefahr für die Öffentlichkeit habe aber zu keinem Zeitpunkt bestanden. Die Chemikalie stand außerdem schon ziemlich lange im Lager der Apotheke. Beim Aufräumen hatten Mitarbeiter eine Metalldose entdeckt, in der ein Glasgefäß mit Pikrinsäure stand. Den Vorschriften entsprechend meldete der Apotheker den heiklen Fund am Freitagnachmittag den zuständigen Behörden - also der Polizei. Um 15.47 Uhr wählte er den Notruf. Damit setzte er aber offenbar eine Alarmkette in Gang, die rückblickend betrachtet gar nicht nötig war. Die Polizei informierte die Feuerwehr und die alarmierte unter dem Stichwort "Gefahrstoffaustritt" 25 Einsatzkräfte, darunter die Hauptamtliche Wache und die beiden Löschgruppen Lohe und Rehme. War das Aufgebot der Einsatzkräfte übertrieben? "Nein", sagt Nico Czimmernings, Leiter der Freiwilligen Feuerwehr in Bad Oeynhausen. "Das ist unser Standard-Einsatz wie bei jedem Wohnungsbrand." Der Einsatz sei gut mit den zahlreichen automatischen Brandmeldeanlagen der Kliniken in der Kurstadt zu vergleichen, die direkt in der Leitstelle auflaufen. Da rücke die Feuerwehr ebenfalls jedes Mal mit zahlreichen Einsatzkräften aus, auch wenn die Einsätze sich oft als Fehlalarme herausstellen. Allerdings sind nicht alles Fehlalarme. Zum Schwelbrand im Herz- und Diabeteszentrum seien deshalb glücklicherweise zahlreiche Einsatzkräfte vor Ort gewesen. "Der Einsatz ist nicht kostenpflichtig" Wie viel der Feuerwehreinsatz an der Apotheke gekostet hat, konnte Czimmernings am Montag nicht abschätzen. Klar ist aber, den Apotheker erwartet keinen Brief der Stadt Bad Oeynhausen, in der Materialabnutzung, Lohn und Lohnersatz für die Freiwilligen dem Anrufer in Rechnung gestellt würden. Die Alarmierung sei schließlich im guten Glauben geschehen, nicht böswillig oder grob fahrlässig. Czimmernings: "Dieser Einsatz ist nicht kostenpflichtig." Wie die Chemikalie ins Materiallager kam, kann der Apotheker nicht beantworten. Womöglich stammt sie aus dem Bestand der aufgelösten Adler-Apotheke. Pikrinsäure fällt unters Sprengstoffgesetz und muss feucht gelagert werden, sonst entstehen womöglich explosive Salzkristalle, das Pikrat. Schon die mechanische Reibung am Behälterverschluss könnte für eine Explosion ausreichen. Deshalb wird der Schraubverschluss des Gefäßes normalerweise regelmäßig angefeuchtet. Im Lauf der Zeit ist das aber offenbar in Vergessenheit geraten. Der Apotheker König hat inzwischen einen Fachbetrieb mit der Entsorgung beauftragt. Der wird in den nächsten Wochen nicht nur die Pikrinsäure, sondern weitere Chemikalien mitnehmen, für die der Apotheker keine Verwendung mehr hat.

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