Schon 243 Katzen: Tierheim in Vlotho musste noch nie so viele Fundtiere aufnehmen

Bad Oeynhausen/Vlotho. Die Folgen der Corona-Pandemie haben im Tierheim Eichenhof Kulleraugen und vier Samtpfoten. "Wir hatten noch nie so viele aufgefundene Katzen wie in diesem Jahr", sagt Tierheim-Leiterin Kerstin Sanker. Bis dato musste das Tierheim allein 243 Katzen als Fundtiere aufnehmen. "Zu Beginn der Sommerferien war es besonders schlimm", sagt Sanker. Um den Massen an aufgefundenen und ausgesetzten Katzen - der Unterschied ist oft schwer auszumachen - Herr zu werden, wurden bereits zwei Büroräumen zu Katzenzimmern umfunktioniert. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2022 waren es insgesamt 270 Katzen, Hunde, Kaninchen, Mäuse und auch herrenlose Vögel. "Tiere sind regelrecht produziert worden" Für die Menge an Katzen, die das Tierheim aufnehmen muss, hat Kerstin Sanker mehrere Gründe ausgemacht. "Während der Corona-Pandemie war die Nachfrage nach Tieren immens", weiß die Tierheim-Leiterin. Auch wir hatten enorm viele Anfragen und kaum noch Tiere. Offensichtlich hätten auch zertifizierte Züchter die Nachfrage kaum noch bedienen können. "Die Leute haben verrückt hohe Preise gezahlt", weiß Sanker. Viele hätten aber auch schnell gemerkt, dass sie mit den Tieren - jetzt nach Corona - nichts mehr anfangen können und die Tiere zur Belastung werden. Wegen der hohen Nachfrage und der verbundenen Gewinnaussicht sei der Tiernachwuchs aber nicht nur von Züchtern gekommen, sondern Tiere seien regelrecht "produziert" worden. "Von Menschen, die die Kitten und Welpen dann bei Ebay verkauft haben", hat Kerstin Sanker beobachtet. Und das ist sicher moralisch bedenklich, aber war bis Ende letzten Jahres rechtlich nicht zu beanstanden. Nur noch Züchter dürfen Jungtiere über kleinanzeigen.de verkaufen "Jetzt aber dürfen Jungtiere bei Ebay nicht mehr verkauft werden", sagt Kerstin Sanker. Bei kleinanzeigen.de dürfen nur noch zertifizierte Züchter Tiere verkaufen. Und die "Laien-Züchter" wissen nun nicht mehr, wohin mit ihren Tieren. Genau mit diesem Problem hatten Kerstin Sanker und ihre Kollegin Kristin Bleibohm in der vergangenen Woche zu tun. Eine Frau hatte telefonisch angefragt, ob das Tierheim einen Wurf Kitten aufnehmen könne, weil sie die kleinen Katzen nun nicht mehr im Internet verkaufen könne. Das Tierheim lehnte ab. "Sogenannte Abgabetiere können wir nur aufnehmen, wenn wir Platz haben", begründet Kerstin Sanker die Entscheidung. Platz und Mitarbeiterkapazitäten stehen eben nicht unbegrenzt zur Verfügung. Sanker riet der Frau eindringlich, eine andere Lösung zu finden - im Verwandten- und Freundeskreis zu fragen oder die Katzen gar selbst zu behalten. Doch die Frau entschied sich offenbar für eine noch andere Lösung - sie setzte die kleinen Katzen einfach aus. "Am Abend stand eine Kiste voller Kitten vor unserer Tür", berichtet Sanker. Kommunen zahlen für die Fundtiere Welche Tiere das Tierheim aufnehmen muss, ist klar geregelt: Und zwar Fundtiere aus den Kommunen, mit denen das Tierheim einen Vertrag abgeschlossen hat. Dafür zahlen die Städte und Gemeinden. Tiere aus Beschlagnahmen durch das Veterinäramt nimmt ein Tierheim auf, wenn es Kapazitäten frei hat. Und Abgabetiere von Menschen, die ihr Tier aus welchen Gründen nicht mehr halten können, eben auch nur bei freien Kapazitäten. Im Fall der Kitten, die eigentlich bei Ebay verkauft werden sollten und nun im Tierheim gelandet sind, bleibt das Tierheim wenigstens nicht auf den Tierarztkosten sitzen. "Wir hatten ja die Kontaktdaten der Frau und nun kommt sie wenigstens für die Kosten auf", fügt Bleibohm hinzu. Mit einer Anzeige muss die Frau obendrein noch rechnen. Aktuell beherbergt das Tierheim Eichenhof 105 Katzen. Für die große Anzahl an Katzen im Tierheim und auch den frei laufenden Katzen in den Städten und Gemeinden hat Kerstin Sanker eine weitere Erklärung. "Seit Corona hat die Bereitschaft der Menschen, ihre Katzen kennzeichnen und kastrieren zu lassen bedenklich nachgelassen." Wohl aus Kostengründen, vermutet die Tierheimleitern. Und das obwohl im Kreis Herford bereits seit Längerem die Pflicht besteht, Katzen kastrieren lassen und mit einem Chip zu versehen. Auch in den Kreisen Minden-Lübbecke und Lippe gebe es mittlerweile die Kastrationspflicht. "Trotzdem kommen laufend Katzen zu uns, die weder gechipt, geimpft noch kastriert sind", bedauert Kerstin Sanker. 20.000 Euro mehr Tierarztkosten Im Tierheim wird jede neue Katze tierärztlich untersucht, geimpft, gechipt und kastriert - sofern sie schon alt genug ist. Dieses Prozedere verursacht allerdings enorme Kosten. "Unsere Tierarztkosten waren schon im ersten Halbjahr um 20.000 Euro höher als im gesamten vergangenen Jahr", sagt Kristin Bleibohm. Verursacht durch die schiere Menge an Katzen, einige kostspielige Operationen bei ausgesetzten Kaninchen sowie den Kosten für die tierärztliche Grundversorgung für die enorm gestiegene Zahl an Fundtieren. Hinzu kommen noch die allgemeinen Preissteigerungen etwa für Tierfutter. Das Tierheim finanziert sich aus den Zahlungen der Kommunen, Spenden und aus Geldstrafen, die die Gerichte verhängen. "Letzteres ist aber nicht einkalkulierbar, weil die Zahlungsmoral der Verurteilten oft nicht die beste ist", weiß Kerstin Sanker. Verträge über die Aufnahme von Fundtieren hat das Tierheim Eichenhof in Vlotho-Steinbründorf mit den Städten Bad Oeynhausen, Vlotho, Löhne, Spenge, Herford, Lemgo, Barntrup sowie den Gemeinden Dörentrup und Kirchlengern. Wolfshündin Berta hat ein spezielles Problem Um die gestiegenen Kosten etwas aufzufangen, sei es dem Vorstand des Tierheims in zähen Verhandlungen im vergangenen Jahr wenigstens gelungen nach zehn Jahren neue Verträge abzuschließen. "Seit 1. Januar 2023 bekommen wir mehr Geld von Kommunen." Finanziell auf Rosen gebettet ist das Tierheim aber nun bei Weitem nicht. "Bereits vor Jahren hat der Deutsche Tierschutzbund gefordert, dass Tierheime mit einem Euro pro Einwohner unterstützt werden sollten", sagt Sanker. "Davon sind wir aber ein großes Stück entfernt." So sind die Tierheim-Mitarbeiterinnen sehr aktiv, wenn es um die Vermittlung von Tieren. "Bei den Hunden haben wir die wenigsten Probleme, von den meisten aufgefundenen Hunden melden sich schnell die Besitzer", sagt Sanker. Ausnahmen, so wie Berta eine ist, gibt es natürlich auch. Berta wurde offensichtlich ausgesetzt, sie ist eine kaukasische Wolfshündin. Berta gilt als schwer vermittelbar, denn sie ist ein Listenhund. Ob ihrer Größe und ihres Gewichts sind kaukasische Owtscharkas in NRW als gefährliche Rasse eingestuft. Mehr zum ThemaErneut Hunde ausgesetzt - Tierheim Lübbecke beteiligt sich an Brandbrief

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