Bad Oeynhausener Körperbehindertenschule: Die schwierige Suche nach Freiwilligen

Bad Oeynhausen. Der letzte Jahrgang ist verabschiedet, der neue Jahrgang - fehlt. Nicht eine Stelle für ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ) kann die Schule am Weserbogen nach den Ferien besetzen. "Das hat es in den vergangenen 30 Jahren nie gegeben", erinnert sich Dirk Stiepelmann, Koordinator der FSJler. Dabei sind die Freiwilligen aus dem Schullalltag nicht wegzudenken. Fachkrankenpfleger Stiepelmann und Schulleiterin Marion Gauert hoffen, dass sich zumindest noch einige Interessenten für die insgesamt zehn Stellen finden. Dafür rühren auch die ehemaligen FSJler die Werbetrommel. "Wir nehmen auf jeden Fall enorm viel für unser weiteres Leben mit", bilanzieren Elias und seine Kollegen das Schuljahr. Mit den Problemen ist die Schule am Weserbogen, die sich um körperbehinderte Kinder kümmert und zum Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) gehört, nicht allein. Die Zahlen der Bewerbungen für Freiwilligendienste sind im ersten Halbjahr 2023 bundesweit deutlich zurückgegangen. Mehr als zwei Drittel weniger junge Menschen haben sich bisher für den aktuellen Jahrgang beworben. Stattdessen boomen die Bewerbungen für Zeit im Ausland. Gerade nach der Corona-Pandemie wollen die jungen Leute raus. Oder aber sofort an die Uni, keine Zeit verlieren. Dabei ist gerade die Zeit nach der Schule die, in der sich die Jugend ausprobieren sollte. Zeit, sich zu orientieren Zwei Gründe gab es für Louis, sich für das soziale Jahr an der Weserbogen-Schule zu bewerben: "Ich habe mich zum einen für die Pflege interessiert, zum anderen sind die Arbeitszeiten super - es blieb noch genügend Freizeit." Ein ganzes Schuljahr hat Louis für monatlich 450 Euro gearbeitet und hat vor allem die Kinder ins Herz geschlossen. "Die geben immer den Ausschlag, denn die sind einfach unglaublich", weiß auch Schulleiterin Gauert. Sie hat in der Vergangenheit viele FSJler kennengelernt, die sich vor allem im Bereich der Menschen mit Handicap ausprobieren wollten. So wie Emely. Sie hat 2022 Abitur am Immanuel-Kant-Gymnasium gemacht und ein Studium der Sonderpädagogik ins Auge gefasst. "Ich wollte gucken, ob meine Pläne wirklich die richtigen sind", sagt sie zu den Gründen des FSJ. Sind es. Vor allem deshalb, weil die Körperbehindertenschule eine ganz andere Atmosphäre biete als eine Regelschule: "Am Gymnasium war es viel ernster und kühler", bilanziert Emely. Für ihre Worte gibt es zustimmendes Nicken der ehemaligen Kollegen, die alle am letzten Schultag vor den Sommerferien verabschiedet wurden. "Hier kommt man aus seinem gewohnten Umfeld raus", sagt Elias. Blickt über den Tellerrand. "Weil diese Kinder genauso zu unserer Gesellschaft gehören, wie andere. Sie brauchen Wertschätzung", betont er. Er selbst habe zudem gelernt, sich über kleine Dinge, kleine Erfolge zu freuen. Der Rettungsschwimmer der DLRG hat zum Beispiel die Schwimmkurse begleitet. Und Hanna und Sarah haben das Jahr genutzt, die Tanz-AG zu unterstützen: "Und wir haben uns selbst weiterentwickelt - was Offenheit und Organisation angeht", sind sie überzeugt. "Der Freiwilligendienst ist charakterbildend" Elias, Louis, Hanna, Sarah, Emely, Jasmin, Jonas, Jakob und Kilian haben im vergangenen Schuljahr jeweils eine Klasse unterstützt, haben eigene Angebote entwickelt und Ausflüge begleitet. Wenn im kommenden Schuljahr kein Freiwilliger da ist, fallen viele Dinge für die Kinder weg. Doch warum bewirbt sich niemand mehr? "Viele schreckt der Aspekt der Pflege ab", weiß Louis. Dabei nehme der, so betont Sarah, nur einen winzigen Teil des Tages ein. "Das Hauptaugenmerk liegt auf der Unterstützung und den Projekten." Jasmin dagegen hat gehört, dass viele Jugendliche ein solches Jahr grundsätzlich als verschwendete Zeit ansehen würden: "Dabei ist ein solches freiwilliges Jahr unheimlich charakterbildend. Leider sehen viele nicht das Potenzial, das ein solcher Freiwilligendienst bietet." Dirk Stiepelmann und Marion Gauert sind ratlos. "Wir fragen uns immer wieder, wie wir das ab Sommer machen sollen", gibt Stiepelmann zu. Denn nicht nur die Klassen müssen auf Unterstützung verzichten, auch Ausflüge müssen gestrichen, Angebote dezimiert werden. "Dann können einige Kinder bei den Aktivitäten nicht mehr dabei sein und müssen zuhause bleiben", sagt Jasmin. So gehe Förderung verloren. Für die jungen Menschen war der Abschied vergangenen Mittwoch dadurch noch einmal schwerer: "Wir wissen ja nicht, wer unsere Aufgaben übernehmen wird", sagt Emely. Sie hofft nun, wie alle anderen an der Schule, das sich noch der eine oder andere Freiwillige findet. Wer sich für ein freiwilliges soziales Jahr an der Schule am Weserbogen interessiert und sich vorab informieren möchte, kann das bei Dirk Stiepelmann machen. Er ist unter Tel. 0151 18263509 erreichbar. Das Mindestalter für ein FSJ liegt bei 16 Jahren.

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