In U-Haft: 15-Jähriger aus Bad Oeynhausen in knapp 200 Straftaten beschuldigt

Bad Oeynhausen/Kreis Minden-Lübbecke. Knapp 200 Straftaten werden einem 15-jährigen Bad Oeynhausener zur Last gelegt. In Menge und Schwere der Taten derart, dass das Amtsgericht Herford gegen den Jugendlichen einen Haftbefehl ausgestellt hat. "Am 17. Mai haben wir den 15-Jährigen in seiner elterlichen Wohnung festgenommen", sagt Kriminalhauptkommissar Jörg Rodewald. "Der junge Mann sitzt jetzt in der Justizvollzugsanstalt Herford", fügt sein Kollege Thomas Brakemann hinzu. Die beiden Kommissare gehören zu einem im März gegründeten Projektteam der Kreispolizei, das sich schwerpunktmäßig um die Bekämpfung der Jugendkriminalität in Kreisgebiet kümmert. Erste Ergebnisse und ihre Vorgehensweise erläuterten die Polizeibeamten am Freitag in einer Pressekonferenz. 200 Straftaten allein in Bad Oeynhausen, Löhne und Stadthagen Die knapp 200 Straftaten, die die Polizei bislang dem 15-Jährigen zugeordnet hat, seien noch nicht alles. "Das sind Taten, die wir ihm in Bad Oeynhausen, Löhne und Stadthagen nachweisen können", sagt Rodewald. Hinzu kommen noch eine ganze Reihe von Straftaten, die der Bad Oeynhausener in Minden begangen haben soll. Agiert habe der 15-Jährige meistens zusammen mit einem 13-Jährigen aus Minden und auch in Gruppen unterschiedlicher Zusammensetzung. Den 15-Jährigen hat die Polizei allerdings eindeutig als Rädelsführer ausgemacht. Da der 13-Jährige noch nicht strafmündig ist, sind die Möglichkeiten der Polizei begrenzt. "Der 13-Jährige wird jetzt intensiv vom Jugendamt betreut. Seitdem sein Kompagnon in U-Haft sitzt, ist es um den 13-Jährigen allerdings sehr ruhig geworden", fügt Brakemann hinzu. Aktuell befindet sich in Bad Oeynhausen ein 14-Jähriger im Fokus der Polizei, gegen den die Beamten wegen diverser Delikte in der Innenstadt, am Bahnhof und ZOB ermitteln. "Mittlerweile wissen wir durch unsere Maßnahmen sehr viel über die Jugendlichen und die Gruppen, in denen sie agieren", erklärt Polizeisprecher Thomas Bensch. "So können uns selbst vage Zeugenaussagen helfen, den Taten mögliche Täter zuzuordnen." 40 Jugendliche im Visier der Polizei Die Jugendkriminalität hat in den vergangenen beiden Jahren auch im Kreis Minden-Lübbecke erheblich zugenommen. Von 2021 auf 2022 ist die Zahl der Straftaten, die jugendlichen Tätern zugeordnet werden im Kreis um 23 Prozent gestiegen. Allein die Statistik war aber nicht der Hauptgrund für die Gründung des Projektteams. "Wir wollen die Jugendkriminalität bekämpfen, das Sicherheitsgefühl der Bürger stärken und Mitläufern zeigen, dass sie auf dem falschen Weg sind", fasst Bensch die Gründe zusammen. Tatsächlicher Anlass, den Fokus auf kriminelle Jugendgruppen zu richten, war eine Gruppe 18- bis 25-Jähriger, die seit Sommer für eine stattliche Raubserie verantwortlich war. Die Einsatzkommission (EK) "Scharn" nahm im Oktober die konzentrierte Ermittlungsarbeit auf. "Wir haben sieben Tatverdächtige ermittelt, gegen die mittlerweile 272 Verfahren eingeleitet wurden", berichtet Jörg Rodewald. Allein 173 Straftaten sind zwischen Oktober 2022 und Januar 2023 begangen worden - darunter Landediebstähle, Diebstähle von Fahrrädern und Autos, Einbrüche, Körperverletzungen bis hin zu Tankstellenüberfällen. Insgesamt 40 Personen rückten ins Visier der Ermittler. Drei jugendliche Gruppen in Minden und zwei in Bad Oeynhausen. "Die beiden Gruppen in Bad Oeynhausen fielen zunächst vor allem dadurch auf, dass sie in der Innenstadt Leute angepöbelt, bedrängt und bedroht haben", sagt Jörg Rodewald. Die Polizei verstärkte massiv ihre Präsenz - mit uniformierten Beamten aus dem gesamten Kreisgebiet, aber auch immer wieder mit Beamten in zivil. "Wir haben die in Frage kommenden Jugendlichen teilweise täglich aufgesucht", so Rodewald. Auch an den Wochenenden wurden sie observiert. Immer wieder machte die Polizei ihnen deutlich: "Wir wissen, wo ihr euch aufhaltet, was ihr macht, wir haben euch im Auge." Dabei beziehen sich die Ermittler nicht nur auf die reale Welt, sondern auch auf die virtuelle. "Unsere IT-Experten beobachten die Aktivitäten der Jugendlichen in den sozialen Netzwerken", erläutert Thomas Brakemann. Die Polizei ist überzeugt, dass die Maßnahmen wirken Ganz verhindert werden konnten weitere Straftaten allerdings nicht. So ereigneten sich Anfang Mai in einer Nacht in Rehme und in der Südstadt zahlreiche Sachbeschädigungen und Brandstiftungen. Die Täter konnte die Polizei wenig später ermitteln. Seitdem sei es zum Glück ruhiger geworden in der Kurstadt. Das macht die Polizei auch an bisher tatintensiven Tagen wie Vatertag oder der Mindener Maimesse fest. "Da ist im vergangenen Jahr viel mehr passiert", sagt Rodewald. "Wir haben die Jugendlichen aus der Anonymität geholt, auch die sogenannten Gefährderansprachen mit den Jugendlichen und ihren Eltern zeigten Wirkung", sagt Thomas Brakemann. Mittlerweile hätten die Straftaten der Jugendlichen in Form von Vorladungen von Polizei und Gericht auch die Elternhäuser erreicht. "Sicherlich gibt es auch Eltern, denen auch das egal ist", sagt Rodewald. Die seien aber zum Glück eher die Ausnahme als die Regel. "Uns geht es nicht in erster Linie darum, die Kinder und Jugendlichen zu bestrafen, sondern wir wollen sie auf einen positiven Weg bringen", sagt Kriminalkommissar Jörg Rodewald. Aus diesem Grund arbeitet die Polizei auch eng mit den Jugendämtern, der Staatsanwaltschaft und den Schulen zusammen. Um den Druck auf die in Frage kommenden Jugendlichen hoch zu halten, die Ermittlungen schnell abschließen zu können, hat die Kreispolizei ihre Strategie geändert. "Wir haben sozusagen Patenschaften für die jugendlichen Straftäter gebildet", sagt Rodewald. "So bekommen wir schneller einen Überblick." Lage in Schulen hat sich entspannt In den Bad Oeynhausener Schulen habe sich die Lage nach Aussage der Polizei ebenfalls entspannt. Die Ermittlungen zu den angezeigten Taten im Februar und März seien allerdings noch nicht abgeschlossen. Im Februar war - wie berichtet - eine 14-Jährige von einer Gleichaltrigen zusammengeschlagen worden. Und Anfang März wurde eine 12-Jährige von einer 13-Jährigen und zwei weiteren Jugendlichen angegriffen. "Die Haupttäterin ist bekannt, die Ermittlungen laufen aber noch", fügt Brakemann hinzu. Wichtig ist den Ermittlern in diesem Zusammenhang, dass jede Tat angezeigt wird.

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