Zwölfjähriger bei schwerem Unfall in Bad Oeynhausen verletzt: Kritik an Verkehrsbehörden

Bad Oeynhausen. Nach dem schweren Verkehrsunfall am Mittwoch auf der Vlothoer Straße ist die Diskussion über die Verkehrssicherheit auf der Vlothoer Straße neu entflammt. Der schwerst verletzte Zwölfjährige ist inzwischen aus Bielefeld ins Klinikum Minden verlegt worden. Er schwebt nicht mehr in Lebensgefahr. Das teilte die Polizei auf Nachfrage mit. Der Junge war mit zwei Freunden gegen 17 Uhr offenbar auf dem Weg nach Hause. Nach ersten Erkenntnissen der Ermittler ist der Junge unvermittelt auf Höhe der Adam-Opel-Straße auf die Schnellstraße gelaufen, wurde von einem Auto erfasst und auf den Asphalt geschleudert. Der Zwölfjährige wurde bei dem Unfall so schwer verletzt, dass die Rettungskräfte einen Rettungshubschrauber riefen. Außerdem kümmerten sich ein Notfallseelsorger und Beamte des Opferschutzes um den Autofahrer und die beiden elfjährigen Freunde des Unfallopfers. Die Straße war bis 22 Uhr gesperrt. Ein Sachverständiger nahm die Unfallstelle noch in der Nacht in Augenschein. Am Tag danach hat sich der Gesundheitszustand des Jungen stabilisiert. Der Zwölfjährige wohnt im Rehmer Ortskern, spielt regelmäßig bei Rot-Weiß Rehme Fußball und wollte offenbar in der Dämmerung von der Rehmer Insel zurück nach Hause. Sein Fußballtrainer Michael Grüttner beschreibt ihn als "vorbildlichen Jungen", der niemals ohne Helm Fahrrad fahren würde. Derzeit ist kein Training, aber Grüttner hält mit den Eltern des Jungen Kontakt. Er ist selbst Intensivpfleger und hat jahrelang im Schockraum gearbeitet. Die Nachricht vom Unfall hat ihn sprachlos gemacht, weil die Gefahrenstelle seit Jahren bekannt ist. "Das ist so ein lieber Junge", sagt Grüttner und verweist auf die seit Jahren bekannten Gefahren auf der Schnellstraße. Ein Großteil seiner Spieler würde genau diesen Weg benutzen, um zum Training zu kommen. An anderen Straßen sei längst Tempo 30 möglich. Grüttner: "So ein Unfall war nur eine Frage der Zeit." Die Querung der Schnellstraße ist derzeit ohne Alternative Fußgänger und Radfahrer zwischen Rehmer Insel und Ortskern Rehme haben keine andere Möglichkeit, die viel befahrene Schnellstraße zu überqueren. Die Stelle zum Borstenbach in den Tunnel zur Meierfreundstraße ist der kürzeste Weg und derzeit auch ohne Alternative. Die Stadtverwaltung hat den Weserradweg nämlich weiträumig gesperrt, weil die Strecke ausgebaut wird. Der Baustellenverkehr und die Umleitungsstrecke für Fußgänger und Radler führt noch dazu direkt auf den Adam-Opel-Weg und damit auf die Unfallstelle zu. Der Seniorenbeirat der Stadt Bad Oeynhausen hat die Gefahr vor zwei Jahren erstmals thematisiert. Darauf weist Werner Friedhoff hin. Er selbst hat mit der Bürgerinitiative Babbenhausen bereits 2006 auf die Probleme aufmerksam gemacht und einen Kreisverkehr an der Weserstraße gefordert. An der Unfallstelle Vlothoer gilt Tempo 70, mehrere Hundert Meter weiter dann Tempo 50. Der Seniorenbeirat hat am 25. November 2021 dem Bürgermeister geschrieben und beantragt, an vier Stellen auf der Vlothoer Straße die Situation für Fußgänger und Radfahrer zu entschärfen: An den Kreuzungen mit der Sachsenstraße, Königstraße, Weserstraße sowie der Adam-Opel-Straße sollten Fußgängerüberwege errichtet werden. Die Stadtverwaltung hat sich jedoch am 2. Dezember 2021 für nicht zuständig erklärt und den Seniorenbeirat an Straßen NRW verwiesen. Die Vlothoer Straße ist eine Landesstraße, auch wenn sich Stadt und Land darüber vorm Verwaltungsgericht streiten, wem die Straße künftig gehören soll. Der Seniorenbeirat hat deshalb denselben Antrag am 21. September 2022 zu Straßen NRW in die Zentrale nach Gelsenkirchen geschickt. Am 5. Oktober 2022 ist der Antrag dann auf dem richtigen Schreibtisch bei Straßen NRW in Bielefeld gelandet und wurde am 25. Oktober 2022 beantwortet - und abgelehnt. Fußgängerampel, Querungshilfe oder Tempolimit? Straßen NRW erläutert in dem Schreiben, warum Fußgängerüberwege, also Zebrastreifen, auf der Schnellstraße außerhalb geschlossener Ortschaften nicht möglich seien. "Alles, was den Verkehr lenkt, muss die Straßenverkehrsbehörde anordnen", sagt Straßen-NRW-Pressesprecher Sven Johanning. Und das ist in diesem Fall die Stadt Bad Oeynhausen. Sie sei zuständig für jede Markierung, jede Ampel und jedes Schild. Der erste Schritt in dem Verfahren müsste demnach aus dem Rathaus kommen. Gleiches gilt auch für die Querungshilfe. Sie zu bauen, würde allerdings deutlich länger dauern, so der Straßen-NRW-Pressesprecher. Der Planungsauftrag würde erst vergeben, wenn die Straße saniert wird. Eine Ampel wäre dagegen womöglich, wenn alles glatt läuft, schon binnen eines Jahres zu haben, schätzt Johanning. Hätte der Seniorenbeirat also im November 2021 die Stadt dazu erfolgreich bewegt, die verkehrsrechtliche Anordnung zu verfassen, könnte die Fußgängerampel also längst auf der Vlothoer Straße stehen? Die Stadt Bad Oeynhausen hat selbst bereits im Sommer 2021 über eine Querungshilfe auf Höhe der Adam-Opel-Straße in die Diskussion gebracht. Der Vorschlag war allerdings bloß eine Ideenskizze im Dorferneuerungsprozess. Es ging um eine bessere Anbindung der Rehmer Insel an Rehme. Im Bürgerhaus Rehme konnten Bürger zwischen mehreren Projekten für Rehme entscheiden, welches die Stadtplaner weiterverfolgen sollten. Die versammelten Rehmer stimmten damals mit Klebepunkten mehrheitlich für die Runderneuerung des Rehmer Kirchplatzes. Die Stadt schob deshalb dieses Projekt an. Stadtplanerin Birgit von Lochow und der Technische Beigeordnete Thomas Lüer versicherten jedoch, auch die Rehmer Insel unabhängig davon besser anzubinden. Was aus dem Projekt geworden ist, ist unklar. Kinder können Geschwindigkeiten nicht abschätzen Sonja O'Reilly von der Zukunftswerkstatt Hive weiß es nicht. Sie hat bei Bürgerversammlung nachdrücklich für einen besseren Anschluss der Rehmer Insel an den Ortskern geworben. Das liege doch auch im Interesse der Stadt. O'Reilly betreut in der Zukunftswerkstatt im ehemaligen Opel-Jäcker-Gebäude immer wieder größere Kindergruppen, wie sie im Gespräch mit der NW am Mittwoch erläutert. Mit 20 Kindern hat sie aber bisher nur ein einziges Mal die Vlothoer Straße überquert. "Wir haben mit mehreren Erwachsenen den Verkehr geregelt", erzählt sie. Kinder unter zwölf Jahren könnten Geschwindigkeiten einfach noch nicht abschätzen: "Ich finde, die Verwaltung sollte den Zugang zur Rehmer Insel sicherer machen." Werner Friedhoff vom Seniorenbeirat sieht akuten Handlungsbedarf und beklagt: "Aber niemand fühlt sich zuständig."

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