Als Säugling braucht er 3,5 Liter Blut: Jetzt wirbt er fürs Blutspenden

Bad Oeynhausen. Es ist nicht nur chirurgische Kunst, der Leander sein Leben verdankt. Für seine Operation brauchte der damals nur 1.800 Gramm schwere Junge 3,5 Liter Blut. Zwölf Jahre später ist aus dem kleinen Säugling ein großer, kräftiger und vor allem, gesunder Junge geworden. Gemeinsam mit seiner Mutter Sandra stellt er nun seine Dankbarkeit für die Blutspender unter Beweis. Mit unterschiedlichen Mitteln, aber einem gemeinsamen Ziel. Und die Unterstützung wird in diesem Jahr besonders gebraucht. Mit einem Kaiserschnitt kam Leander am 30. November 2010 im Klinikum Herford zur Welt - vier Wochen vor dem errechneten Geburtstermin. "Das war ein Notfall", erinnert sich Sandra Sorhage. Sie hatte zuvor eine Schwangerschaftsvergiftung erlitten, war nun mit Beschwerden ins Krankenhaus eingeliefert worden. Ihren Sohn darf sie nach der Operation nicht in die Arme schließen. Der Säugling war bei der Geburt ganz blau, wie sie später von ihrem Mann erfährt. Mit Verdacht auf einen Herzfehler wird Leander sofort auf die Kinderstation gebracht, fünf Tage später ins Kinderherzzentrum Bad Oeynhausen eingeliefert. "Bei ihrem Kind sind die beiden großen Arterien vertauscht", erfahren die Eltern von den Ärzten im HDZ. Der angeborene Herzfehler zwingt zur Eile. Leanders Körper kann nicht ausreichend mit sauerstoffreichem Blut versorgt werden. Zwei Wochen nach seiner Geburt können Klinikdirektor Eugen Sandica und sein Team den Fehler an dem nur walnussgroßen Herzen beheben. Fünfeinhalb Stunden dauert die Operation. 3,5 Liter Spenderblut werden benötigt, um den kleinen Körper während und nach der Operation ausreichend mit Blut zu versorgen. Leanders Eigenblut reichte dafür bei weitem nicht aus. Er hatte nur 150 Milliliter. Großer Bedarf an Spenderblut bei Operationen Zumindest das musste die Eltern aber nicht zusätzlich ängstigen. "Diese Menge ist normal", sagt Attila Mandl. Er ist Oberarzt im Institut für Laboratoriums- und Transfusionsmedizin des Herz- und Diabeteszentrums (HDZ), das auch für den Blutspendedienst OWL zuständig ist. "80 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht", nennt er den Bewertungsmaßstab. Ganz normal sei aber auch der große Bedarf an Spenderblut während einer so schwierigen Herzoperation - und zwar nicht nur bei Kindern. Auch für Erwachsene, die ja mit 4,5 bis fünf Litern deutlich mehr Eigenblut mitbringen, werden häufig drei Liter Spenderblut benötigt. Doch es sind nicht nur Operationen, die den Einsatz von Bluttransfusionen erforderlich machen. Auch viele Krebspatienten beispielsweise sind darauf angewiesen. Oder Patienten, die auf ein Spenderherz warten und diese Zeit mit einem Kunstherzen überbrücken müssen. Dem großen Bedarf steht eine sinkende Zahl von Spenden gegenüber - und das nicht nur vorübergehend während der Urlaubszeit. 2018 wurden im Blutspendedienst OWL des Herz-und Diabeteszentrums 62.000 Spenden registriert - im letzten Jahr waren es nur noch 55.000. "Die große Hilfsbereitschaft nach Ausbruch der Pandemie hat sich leider gelegt", bedauert Mandl. Im ersten Coronajahr war die Spenderzahl zunächst gestiegen. Für das Jahr 2022 fürchtet er nun einen weiteren Rückgang um bis zu sechs Prozent. Andererseits ist mit einem erhöhten Bedarf zu rechnen: In diesem Jahr werden viele Operationen nachgeholt, die coronabedingt verschoben werden mussten. "Ich gehe zum Blutspenden" Da tut Hilfe gut. Von Sarah Sorhage zum Beispiel. "Ich gehe zum Blutspenden", beschreibt die 42-Jährige ihren Beitrag. Den leisten mittlerweile auch viele Freunde, Verwandte und Bekannte - weil sie Sorhages Dankbarkeit teilen: "Ohne die Operation und das Spenderblut wäre Leander heute nicht mehr bei uns". Der Junge kann sich an seinen schweren Start ins Leben natürlich nicht erinnern. Die Details dazu kennt er aber nicht erst seit dem Gespräch, das er mit seiner Mutter und der Reporterin führt. "Habe ich schon oft gehört", räumt er ein. Weitererzählen musste er die Geschichte aber bislang nicht oft: "Ich bin ja nicht mehr krank". Seinen krankheitsbedingten Entwicklungsrückstand hat er längst aufgeholt, eine weitere Operation samt Bluttransfusion blieb ihm bislang erspart. Der Zwölfjährige, der Judo und Radfahren als seine Lieblingssportarten nennt, geht in die siebte Klasse der Gesamtschule Lerbeck und da war Blutspenden im Unterricht bisher auch kein Thema. Anders als für ihn selbst: "Ich will das mal versuchen". Attila Mandl freut sich über dieses Angebot, muss Leander aber erst einmal eine Absage erteilen. Allerdings nicht aus medizinischen Gründen. Für die Blutspende ist ein Mindestalter von 18 Jahren vorgeschrieben. Nun hat Leander eine andere Möglichkeit gefunden, seine Dankbarkeit unter Beweis zu stellen. Der Zwölfjährige hat sich für eine Werbekampagne des HDZ fotografieren lassen, sein Porträt hängt jetzt riesengroß im Fenster des Blutspendedienst des HDZ. Unübersehbar seine Botschaft: "Ich wurde gerettet". Und natürlich der Appell: "Spende Blut für OWL".

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