„Es kann doch nicht sein, dass Oma den Enkel schickt, um Gras zu besorgen“

Bad Oeynhausen. Der Werster Alexander Kopp setzt auf die Berliner Ampel-Koalition. Denn die hat in ihrem Koalitionsvertrag die Legalisierung von Cannabis verankert – genauer die kontrollierte Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken. &bdquo;Allerdings fehlt den Koalitionsparteien noch der Feinschliff“, sagt Kopp. Der Genussaspekt interessiert ihn beim Thema &bdquo;Legalisierung“ allerdings kaum, denn Alexander Kopp ist Apotheker, er betreibt die Siel-Apotheke in Werste. Zu seinem Kundenstamm gehören chronisch kranke Patienten, die medizinisches Cannabis als ergänzende Therapie von ihrem Arzt verordnet bekommen und bei denen die Krankenkassen die Verordnung auch genehmigen und somit auch bezahlen. Doch das sei nicht immer so, weiß Kopp. &bdquo;Die Zahl der Genehmigungen ist eingeschränkt und von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich“, sagt Alexander Kopp. In NRW liege die Genehmigungsrate zwischen 50 und 70 Prozent, in Bayern dagegen sei sie deutlich höher. Lehnt die Krankenkasse die Behandlung ab, muss der Patient das Medizin-Cannabis selbst zahlen. Und das geht ins Geld. &bdquo;Es kann doch nicht sein, dass Oma ihren Enkel zum Bahnhof schickt, um Gras zu besorgen“ Doch gerade im ländlichen Raum stoßen chronisch kranke Patienten, für die eine Cannabis-Behandlung in Frage käme, noch zu häufig auf Ablehnung, ist Alexander Kopp überzeugt. &bdquo;Die Versorgungsstruktur für diese Patienten ist schwierig. Manche Ärzte wollen nicht und vielen fehlt schlicht die Zeit, sich in die Thematik einzuarbeiten“, so der Apotheker. Allein unter den Kunden in seiner Apotheke könne er eine handvoll Patienten ausmachen, bei denen Cannabis eine deutliche Linderung ihrer chronischen Beschwerden bewirken könnte, die aber bei der Bitte um ein entsprechendes Rezept auf taube Ohren stoßen. Aus diesem Grund hält er die Legalisierung für einen geeigneten Weg, um den Patienten mehr Optionen zu ermöglichen. &bdquo;Es kann doch nicht sein, dass Oma ihren Enkel zum Bahnhof oder sonst wohin schickt, um ihr Gras zu besorgen, das ihre Schmerzen erträglicher macht“, sagt Kopp. &bdquo;Die Einsatzmöglichkeiten von medizinischem Cannabis sind vielfältig, es zeigt eine gute Wirkung bei Patienten mit Multipler Sklerose, Patienten mit chronischen Schmerzen, bei Epilepsie und lindert bei Krebspatienten die Übelkeit in der Chemotherapie“, so Kopp. Gerade erst hat Kopp einen Kongress besucht, auf dem Mediziner weitere Behandlungsmöglichkeiten mit guten Ergebnissen vorgestellt haben. Cannabis enthält mehr als 100 Wirkstoffe. Die beiden wichtigsten sind Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). THC hebt die Stimmung, verändert die Wahrnehmung (benebelt) und kann Schmerzen lindern. CBD wirkt gegen Entzündungen, lindert Krämpfe, nimmt Angst und kann ebenfalls Schmerzen lindern. Vorrätig hat die Apotheke das Gras nicht. &bdquo;Das Medizin-Cannabis wird genau nach der Verordnung bestellt und bei uns in der Apotheke noch einmal kontrolliert“, erklärt der Pharmazeut. Per Dünnschicht-Chromatographie würden die Inhaltsstoffe exakt analysiert. Medizin-Cannabis wird vertrieben über eine Cannabisagentur, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) extra dafür gegründet hat. Seit 2017 dürfen Ärzte medizinisches Gras verordnen. &bdquo;Wichtig ist eine kontrollierte Abgabe ausschließlich an Erwachsene“ &bdquo;Den Patienten helfen zwei Wege: Entweder es wird mehr dafür getan, medizinisches Cannabis als zusätzliche Therapie zu etablieren oder es kommt die Legalisierung“, so die Auffassung des Apothekers. Aber, macht Alexander Kopp deutlich: &bdquo;Das ist kein Votum für eine Legalisierung per se. Wichtig ist eine kontrollierte Produktion und eine ebenso kontrollierte Abgabe – ausschließlich an Erwachsene – etwa in lizenzierten Fachgeschäften.“ Die Qualität des Cannabis müsse gewährleistet sein. Mit einer kontrollierten Produktion könnten die Preise attraktiver werden, so dass die Leute nicht mehr in den Schwarzmarkt getrieben würden. Denn das sei nicht nur illegal, sondern &bdquo;auf dem Schwarzmarkt ist Stoff im Handel, von dem niemand weiß, was drin ist“, so Kopp. Die Hersteller von Medizin-Cannabis seien optimistisch, dass sie auch die Nachfrage im Genussmarkt bedienen können. &bdquo;Die Legalisierung würde auch die Kriminalisierung und die Beschaffungskriminalität eindämmen“, führt Kopp ein weiteres Argument der Legalisierungsbefürworter an. Aktuell produzieren die Hersteller 60 Tonnen Medizin-Cannabis pro Jahr, der Handel auf dem Schwarzmarkt wird auf 400 bis 800 Tonnen pro Jahr geschätzt. Einen nicht zu verachtenden Effekt hätte die Legalisierung von Cannabis nach Ansicht von Ökonomen auch auf die Staatskasse. Der Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap und sein Team haben errechnet, dass sich die zusätzlichen Steuereinnahmen, die Einsparungen bei der Strafverfolgung und bei der Justiz auf 4,7 Milliarden Euro pro Jahr belaufen könnten. Die Einsparungen bei der Strafverfolgung durch die Polizei werden dabei mit 1,05 Milliarden Euro angesetzt und die Kosten der Staatsanwaltschaft, der Gerichte und des Justizvollzugs werden auf 313 Millionen Euro geschätzt.

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