Bad Oeynhausen Ein Bauarbeiter zersägt die Flutmuldenbrücke in zwei Hälften

Bad Oeynhausen. Beim Zaubertrick mit der zersägten Jungfrau wird die Kiste in der Mitte zersägt. Wenn alles glatt läuft, bleibt die Frau erstaunlich ganz. Wenn für Gerhard Brunschön alles glatt läuft, ist die Flutmuldenbrücke zum Wochenende dagegen in zwei Hälften zerteilt. Der 63-jährige Bauarbeiter zersägt seit Mittwoch die 66 Jahre alte Brücke auf der Eidinghausener Straße mit einer fahrbaren Kreissäge. Die Baustelle auf der wichtigen Nord-Süd-Achse kommt damit einen wichtigen Schritt voran. In den nächsten Wochen soll die Osthälfte der Brücke abgerissen werden. Bagger werden in der Flutmulde stehen und mit ihrem Greifarm auf der Fahrbahn herumfuhrwerken. Projektleiter Arnd Graeper von Straße NRW rechnet damit, dass der Verkehr auf der verbleibenden Westhälfte der Brücke ab Mitte Juni rollen kann. Allerdings nur in Richtung Süden, zur Innenstadt. Für Polizei und Feuerwehr gibt es eine Sonderregelung. Einsatzkräfte können mit einer Ampelschaltung auch in die Gegenrichtung fahren. Doch das sind erst einmal nur Pläne für die nähere Zukunft. "Man weiß nie, was man bei so einem Abriss findet", sagt Graeper. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst zum Beispiel hat in den vergangenen Wochen nach vergessenen Fliegerbomben gesucht - und eine Eisen-Erdung gefunden. Der Verdachtspunkt am nördlichen Ende der Brücke entpuppte sich als Überrest von Eisensträngen, die das Bauwerk erden sollten. "So etwas gibt es heute noch bei Eisenbahnbrücken", sagt Graeper. Die neue Flutmuldenbrücke wird dagegen nicht extra geerdet. Lärmschutz ist wichtig, Sonnenschutz aber auch Während der Projektleiter auf Bitte des Reporters die Bauzeiten für das Bauprojekt beschreibt, setzt Gerhard Brunschön wieder die Kreissäge an und ein ohrenbetäubender Lärm erfüllt die Flutmulde. Der 63-jährige Arbeiter der Firma A&S Betondemontage aus Lehrte (Werbeslogan: "Wir haben die Lizenz zum Plattmachen!") hat reichlich Erfahrung in dieser speziellen Tätigkeit - und er hat gute Ohrschützer. An diesem superheißen Sonnentag im Frühling ist ein guter Sonnenschutz aber genauso viel wert. Arbeiter der Abrissfirma cremen sich deshalb mit Sonnenmilch ein, während sie die Sägearbeiten verfolgen. Brunschön hat sich dagegen einen stabilen Sonnenschirm an die fahrbare Betonsäge gebaut. Das ist keine Baumarktware, sondern Monteursausrüstung, erzählt er in einer Sägepause. Es musste was Stabiles sein, das nicht beim ersten Windzug weggeweht wird. Die fahrbare Säge ist eher nicht windanfällig. Gerhard Brunschön auch nicht. Er steht seit fast vier Jahrzehnten an der Betonsäge. Sein Arbeitsgerät heißt eigentlich "dieselbetriebener Fugenschneider CF 600". Das erklärt Frank Brunschön, der Bruder des Sägemaschinenführers und Bauführer bei der Firma A&S. 180 PS hat die Maschine und einen Dieselverbrauch von 120 Litern bei siebenstündiger Nutzung. Der Verbrauch wird natürlich in Betriebsstunden angegeben. In Kilometern wäre er verheerend. Die Flutmuldenbrücke ist 80 Meter lang und der Schnitt verläuft in der Mitte der Fahrbahn, wo sie am dicksten ist. Die Bauingenieure von Straßen NRW vermuten, dass die Betonschicht etwa 70 Zentimeter misst. Gerhard Brunschön setzt den ersten Schnitt mit einem kleinen, etwa basketballgroßen Sägeblatt, das mit Industriediamanten besetzt und mit Silberlot hart aufgelötet ist. Mit dem Blatt kommt er zehn Zentimeter tief in den Beton. Sofern keine Hindernisse darin versteckt sind. Sind sie aber. Ein Sägeblatt ist so groß wie der Pressesprecher Im Beton liegen Eisenbewehrungen, und zwar in Fahrtrichtung der Sägearbeiten. Das Sägeblatt rutscht an diesen Eisenstangen ab, erzählt Brunschön. Sehen können die Bauingenieure davon zwar nichts, aber sie vertrauen dem Urteil des 63-Jährigen. "Das hat er im Gefühl", sagt Sven Johanning, Sprecher der OWL-Niederlassung von Straßen NRW. Brunschön fährt die Eisen-Stelle ein zweites Mal mit der Säge ab. Der erste Schnitt ist der Führungsschnitt für die folgenden. Die Brücke wird nämlich anders als beim Zaubertrick mit der zersägten Jungfrau nicht auf einmal, sondern in mehreren Arbeitsgängen durchtrennt. Brunschön nimmt dafür mehrere Sägeblätter. Das größte, das er mit zur Baustelle gebracht hat, hat einen Durchmesser von 1,80 Meter. Es ist etwa so groß wie der Pressesprecher von Straßen NRW. Drei Tage hat Projektleiter Graeper für die Sägearbeiten eingeplant. Der Mann an der Säge geht von etwa fünf Arbeitsgängen aus. Das bedeutet, dass die 180-PS-Maschine mit fünf verschiedenen Sägeblättern jeweils 80 Meter in der Mitte der Brücke sägt. Dann sollte die baufällige Brücke zerteilt sein. Und dann können die Bagger den Beton abräumen. Die Behelfsstützen unter der Brücke sind bereits geräumt. Einfach umfallen wird die Brückenhälfte wohl eher nicht.

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