Ein Zeichen gegen Hetze

Bad Oeynhausen. Nach 20 Minuten war die Demo zu Ende, der Lichter-Spuk aber nicht vorbei. "Ja, wo laufen sie denn?", fragten sich am Montagabend viele Demonstranten ohne Lichter, aber mit zahlreichen Regenschirmen vorm Rathaus. Sie sind gekommen, um ein Zeichen für Demokratie und Meinungsfreiheit zu setzten - und um Coronaleugnern, Impfkritikern und sogenannten Lichterspaziergängern den öffentlichen Raum zur Selbstdarstellung zu nehmen. Von den Bad Oeynhausener Lichterspaziergängern war am Montagabend nicht viel in der Innenstadt zu sehen. Sie versammelten sich am Kurpark, liefen dann aber in einem großen Bogen bis zur Weserstraße um das Rathaus herum. Beide Demonstrationen begegneten sich bis Redaktionsschluss nicht. Die Polizei zählte auf Seiten der Lichterspaziergänger etwa 100 Teilnehmer. Einen Veranstalter des Spaziergangs konnten die Beamten nicht ausmachen, sie begleiteten die Fußdemo trotzdem quer durch die Stadt. Vorm Rathaus versammelten sich nach Angaben des Polizei-Einsatzleiters etwa 160 Menschen. Sie folgten einem Aufruf des überparteilichen Aktionsbündnisses. Volker Brand, der Grünen-Ratsfraktionsvorsitzende, hat die Versammlung angemeldet und drei Wochen lang ein parteiübergreifendes Bündnis geschmiedet. Im einsetzenden Nieselregen lobte Brand das Beharrungsvermögen der Teilnehmer, die mit Atemschutz auf Abstand applaudierten: "Sie zeigen sich solidarisch. Das ist ein gutes Zeichen für die vulnerablen Gruppen in unserer Gesellschaft!" Zugleich sei das Treffen ein "wichtiges Zeichen gegen Hetze". Die Coronakrise bedeutet seiner Ansicht nach nicht das Ende der Meinungsfreiheit, wie es viele Coronaleugner behaupten. Trotzdem gebe es Grenzen. "Es ist ein Unding", sagte Brand unter dem Applaus seiner Zuhörer, "dass dem Bürgermeister öffentlich mit dem Strick gedroht wird. Das können wir nicht zulassen!" Gleichwohl forderte Brand die Teilnehmer seiner Demonstration dazu auf, sich nicht von Spaziergängern provozieren zu lassen. Nur ein Piks: Lollis für alle Christian Obrok, Landtagskandidat der SPD, machte den Demonstranten ein Geständnis: "Corona geht mir unfassbar auf die Nerven!" Trotzdem habe er verstanden, dass die Coronamaßnahmen notwendig seien, um Leben zu retten. "Ich vertraue diesen Maßnahmen." Selbst seine siebenjährige Tochter habe verstanden, worum es beim Impfen gehe. Für sie vor allem darum, sich endlich wieder mit ihren Freundinnen treffen zu können. "So'n kleiner Piks", zitierte Obrok seine Tochter und nannte ihren Vorschlag zur Steigerung der Impfbereitschaft: "Vielleicht sollten wir einfach allen einen Lolli geben?" Gleichzeitig mit seiner Rede setzten sich die Lichterspaziergänger unter den Augen der Polizei in Bewegung. Obrok will diese Leute aber nicht einfach laufen lassen. Der Spaziergang habe seine Unschuld verloren, erinnerte Obrock an einen Satz von Bundespräsident Frank Walter Steinmeier. Andere Meinungen gehörten zur Demokratie. Doch Hass und Hetze veränderten den Rahmen. "Viele dieser Spaziergänge werden von Rechtsextremen hinter den Kulissen gesteuert", sagte Obrok. Er rufe deshalb denen zu, die "noch nicht komplett verloren" seien: "Mit Nazis geht man nicht spazieren!" Ob die Lichterspaziergänger diese Redepassage wahrgenommen haben, ist nicht bekannt. Kurz vor Beginn der Demonstration auf dem Rathausvorplatz liefen jedoch zwei junge Männer an den sich versammelnden Teilnehmern des Aktionsbündnisses vorbei. Die beiden Männer hatten es offensichtlich eilig, aber sie hatten noch Zeit für eine kleine Stichelei. "Ist das hier die Veranstaltung gegen die Freiheit?", riefen sie provozierend. Die Antwort warteten sie nicht ab, sie kam auch erst mit Verzögerung: "Nee, das ist hier für Freiheit und Demokratie!" In den einschlägigen Telegram-Gruppen waren die Teilnehmer der ersten Rathaus-Demonstration am 11. Januar noch als "Friedhofsgemüse" und "Ökofaschisten" bezeichnet worden. Ungeimpft-Button: Antisemitische Straftat Jana Sasse, Kreisgeschäftsführerin der Grünen und Landtagskandidatin, erinnerte an die Geschichte des Nationalsozialismus in Deutschland. Vor wenigen Tagen erst sei mit einer Gedenkfeier an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz erinnert worden. Unter den Spaziergängern sehe sie trotzdem immer wieder gelbe "Ungeimpft"-Buttons, die wie ein Judenstern getragen würden. "In Berlin ist das eine antisemitische Straftat", sagte Sasse und fragte unter dem einsetzenden Applaus der Menge: "Warum wird das hier in Minden-Lübbecke noch nicht geahndet?" Die SPD-Landtagsabgeordnete Christina Weng erinnerte an die Demonstration von "fast 3.000 Menschen" in Minden, die sich als Reaktion auf den Marsch der Coronaleugner zum Wohnhaus der Landrätin ein Zeichen für Demokratie und Freiheit setzten. "Wir sind mehr", rief Weng den Menschen vorm Rathaus zu. "Und wir werden immer mehr sein!" Mit Blick auf Teilnehmer der Lichterspaziergänge reimte Weng einen Ratschlag: "Willst du was ändern in diesem Land, geh nicht mit Nazis Hand in Hand!" Volker Brand kündigte die Fortsetzung der Demonstrationen "Gemeinsam durch die Pandemie" für Montag in zwei Wochen, 14. Februar, an. Kommenden Montag sind zumindest die Ratsmitglieder unter den Demonstranten verhindert. Dann finden Fraktionssitzungen zur Vorbereitung der nächsten Ratssitzung statt.

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