Ein Weihnachtsbrief aus der Kriegsgefangenschaft

Bad Oeynhausen. Der mit Bleistift verfasste Brief ist datiert auf den 24. Dezember 1946. Der Ort Zuzemberk steht vor dem Datum. Zuzemberk ist eine kleine Ortschaft in Slowenien, in der Nähe von Novo Mesto. Verfasst wurde der Weihnachtsbrief aus der Kriegsgefangeschaft von Fritz Hehemann, dem Vater von Peter Hehemann. "Heute ist Heiligabend, und wo könnten da meine Gedanken sein, als nur bei euch allein. Es ist 10 Uhr am Abend . . .", mit diesen Worten beginnt der Brief. Von der Existenz dieses Briefes hat der heute 81-jährige Sohn Peter Hehemann, der bis 2002 Vorstandsvorsitzender der Volksbank Bad Oeynhausen-Herford war, erst im September dieses Jahres erfahren. Am heutigen Heiligabend will Hehemann den 75 Jahre alten Brief seinen erwachsenen Kindern und Enkeln vorlesen. Er möchte damit in der aktuell schwierigen Zeit an die Kriegszeiten erinnern. "Und damit auch zeigen, dass es im Leben nicht immer nur aufwärts geht", sagt Hehemann im Gespräch mit der NW. An die Kriegs- und Nachkriegszeit hat Peter Hehemann selbst nur vage Erinnerungen. "Ich bin Jahrgang 1940. Von der Korrespondenz mit meinem Vater hat meine Mutter meiner Schwester und mir nie etwas erzählt", erzählt Hehemann. Die Existenz dieser Korrespondenz zwischen seinem Vater und seiner Mutter wurde wie ein Staatsgeheimnis gehütet. "Als meine Mutter 2005 starb, hat meine Schwester die Briefe mitgenommen", erzählt Peter Hehemann, "allerdings unwissentlich, denn sie waren versteckt in einem ganzen Sammelsurium aus Erinnerungsstücken." Krieg und Gefangenschaft überlebt "Mein Vater hat Krieg und Gefangenschaft überlebt. Er wurde am Nikolaustag 1948 aus der Gefangenschaft entlassen. Er ist als gebrochener Mann zurückgekehrt und war bis zu seinem Tod 1983 total introvertiert", erinnert sich Peter Hehemann. "Über seine Erlebnisse im Krieg und in der Gefangenschaft hat er nie auch nur ein einziges Wort verloren", sagt Hehemann. "Er reagierte aber stinksauer, als ich mich Anfang der 1960er Jahre für drei Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet habe", erinnert sich der pensionierte Banker.Der Vater war erst 1942 im fortgeschrittenen Alter von 40 Jahren Soldat geworden. "Mein Vater war Vermessungstechniker und daher galt er in den ersten Kriegsjahren als "unabkömmlich". 1942 wurde er eingezogen und gleich in den Partisanenkampf nach Jugoslawien geschickt", berichtet Hehemann. Was sein Vater zwischen 1942 und 1948 erlebt hat, davon weiß Hehemann so gut wie nichts. "Wir wissen nur, dass er wahrscheinlich in der Gefangenschaft gefoltert worden ist, davon zeugten Narben an seinem Oberkörper", sagt Hehemann. Auch die etwa 50 Briefe seines Vaters, die die Mutter zuerst als Feldpost und später als Kriegsgefangenenpost erreicht haben, gewähren keine Einblicke. In dem Weihnachtsbrief von 1946 bedankt sich Fritz Hehemann für die Briefe seiner Frau und hofft, dass es das letzte Weihnachtsfest sein möge, an dem er von seiner Familien getrennt ist. Er freut sich darüber, dass die Kinder "in der Schule gute Fortschritte machen". Allerdings berichtet er auch von der Flucht dreier Kameraden, die ihn bewegt, "obwohl ich nicht begreifen kann, wie das möglich war". Warum das Berliner Museum den Brief zurück schickteBis 1942 lebte die Familie Hehemann in Hannover. Kurz nachdem der Vater eingezogen wurde, zerstörten Fliegerbomben das Wohnhaus der Familie. Mutter, Tochter und Sohn zogen nach Oelde ins Elternhaus der Mutter. Sohn Peter machte 1959 Abitur, studierte einige Semester Volkswirtschaftslehre in Münster und Berlin, ging zur Bundeswehr und absolvierte schließlich eine Banklehre. Seit 1974 lebt die Familie Hehemann in Bad Oeynhausen. Entdeckt wurden die Briefe des Vaters erst im September 2021. "Meine Schwester hatte sie zu diesem Zeitpunkt das erste Mal wirklich in der Hand, sie hat sie teilweise gelesen und dann haben wir entschieden, die Briefe als Zeitzeugenberichte an das Museum für Kommunikation in Berlin zu schicken", erzählt Peter Hehemann. Wenig später bekam Hehemann Post aus Berlin - vom Museum. Darin lag nur noch ein Brief: der Weihnachtsbrief vom 24. Dezember 1946 und der Hinweis eines Museumsmitarbeiters, dieser Brief sei doch ein wertvolles Andenken. Und diese Erinnerung an seinen Vater möchte Peter Hehemann nun an seine Kinder und Enkel weitergeben.

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