Trickbetrüger nehmen Senioren ins Visier

Bad Oeynhausen. Mit der frei erfundenen Geschichte, dass seine Tochter einen schweren Verkehrsunfall verursacht habe, ist es Betrügern in der vergangenen Woche gelungen, von einem 83-Jährigen 20.000 Euro in bar zu ergaunern. Mit nur drei Anrufen gelangten die Betrüger dabei zu ihrem Ziel. Zunächst gab sich einer der Betrüger als Polizist aus Gelsenkirchen aus, der dem 83-Jährigen mitteilte, dass in Folge des schweren Unfalls nun ein Kind im Koma liege. Eine Stunde später meldete sich ein Betrüger und gab sich als Anwalt der angeblichen Unfallverursacherin aus. Er berichtete seinem Opfer, dass er nur unter Zahlung von 20.000 Euro den Gefängnisaufenthalt der Tochter verhindern könne. Der Anrufer instruierte den Rentner, die entsprechenden Barmittel von seiner Bank zu holen. Bei Nachfragen, so instruierte man ihn, im Geldinstitut einen Autokauf als Vorwand zu nennen. Mit dem dritten Anruf erhielt der 83-jährige Petershäger Instruktionen für die Geldübergabe. Kriminalisten nennen Betrugsmaschen dieser Art "Enkeltrick". "Die Kontaktaufnahme erfolgt immer per Telefon, dabei agieren die Täter mindestens zu zweit", sagt Oliver Thamm. Der Kriminalhauptkommissar aus Bad Oeynhausen ist seit September 2020 bei der Kreispolizei in der Direktion Kriminalität als Seniorenberater und Opferschützer tätig. "Die Täter geben sich als Polizisten, Ärzte, Rechtsanwälte oder gar Staatsanwälte aus, sie sind rhetorisch geschult und setzen ihre Opfer am Telefon massiv unter Druck", weiß Thamm. Oder die Täter geben sich als Enkel oder Neffen aus, täuschen einen finanziellen Engpass, eine drohende Gefängnisstrafe, einen schweren Unfall vor und drängen die Opfer dazu, ihnen einen hohen Bargeldbetrag auszuhändigen. Auf keinen Fall sollen die Opfer - so fordern es die Täter eindringlich am Telefon - die Polizei, ihre Angehörigen oder andere vertraute Personen benachrichtigen. "Dabei ist genau das Gegenteil richtig", macht der Kriminalhauptkommissar deutlich. Auflegen und die 110 wählen, das sei die einzig richtige Vorgehensweise. Ein ähnlich gelagerter Fall wie der des 83-jährigen Petershägers habe sich im März auch in Bad Oeynhausen ereignet. Allerdings in einer weiteren, perfiden Variante: Eine ältere Dame erhielt einen Anruf ihres angeblichen Enkels. Dieser habe sich ein Auto gemietet und habe damit einen Unfall gebaut. Um den Schaden zu begleichen, brauche er nun schnell 20.000 Euro. Als die Angerufene daraufhin erwiderte, dass er doch seinen Vater um das Geld bitten solle, legte der Betrüger auf. Täter sind in ihren Enkeltrick-Maschen sehr variabel Nur kurz darauf erfolgte ein zweiter Anruf, mit dem die Täter offenbar ihre Masche veränderten. Der Anrufer dieses Mal: der angebliche Schwiegersohn. Dieser gab an, dass er selber keine Zeit habe und dass sie dem Enkel aus der Misere helfen solle. Abends meldete sich der angebliche Enkel, der sagte, dass er das Geld nicht mehr brauche, die Sache sei erledigt. Doch der Schein trog. Schon am nächsten Tag wendete sich das Blatt. Erneut meldete sich der Betrüger, er sei gegenwärtig bei dem Besitzer des gemieteten Wagens, einem Autohaus. Dieses wolle nun doch umgehend das Geld. Die Seniorin sollte nun bei ihrer Bank die genannte Summe umgehend abheben. Auf Nachfrage solle sie erwidern, dass das Geld für eine Badrenovierung gedacht sei. Als eine Bankangestellte die Geschädigte zu dem Sachverhalt befragte, folgte sie den Anweisungen des Anrufers und machte keine Angaben. Mittags rief man die ahnungslose Frau erneut an und vereinbarte die Abholung des Geldes noch am selben Tag. Damit er das Geld schnellstmöglich zurücküberweisen könnte, wollte der Anrufer zudem die Kontodaten der Frau wissen, woraufhin sie diese gutgläubig mitteilte. Etwa 45 Minuten nach der Geldübergabe wurde das Opfer erneut angerufen. Dieses Mal täuschte der Betrüger vor, ein Mitarbeiter der Sparkasse zu sein. Die Rückzahlung des Geldes, so der Anrufer, sei bereits inklusive einer Aufwandsentschädigung auf dem Konto eingegangen. &bdquo;Dies war ebenfalls gelogen und Teil der Betrugsmasche. Um einen weiteren Schaden zu vermeiden, erfolgte eine Sperrung des Kontos", berichtet Oliver Thamm. Betrüger machen sich auch die Corona-Pandemie zunutze Eine andere Variante der Enkeltrick-Masche seien Schockanrufe, mit denen Betrüger ihren Opfern weismachen wollen, ein Verwandter (Kinder, Enkel, Nichten, Neffen) bräuchte nach einem scheren Autounfall im Ausland eine dringende Operation, ein teures Medikament oder auch nur Geld für den Heimflug. "Auf jeden Fall muss es immer sofort passieren und es muss Bargeld sein", weiß Oliver Thamm. Auch die Corona-Pandemie hätten sich Betrüger zunutze gemacht. "Aus dem Mühlenkreis sind uns im vergangenen Jahr etliche Anrufe gemeldet worden, bei denen Betrüger versucht haben, Geld für dringend notwendige, noch nicht zugelassene Medikamente gegen Covid19 zu ergaunern, die Angehörige angeblich bräuchten", berichtet der Kriminalhauptkommissar und er fügt hinzu: "Bei einem 90-Jährigen hatten die Betrüger leider Erfolg." 27.000 Euro habe der Senior den Betrügern schließlich übergeben. Mit ihren Betrugsmaschen haben es die Täter auf das Ersparte der zumeist älteren Mitbürger abgesehen. "Da fallen leider oft die Ersparnisse eines ganzen Arbeitslebens in die Hände von Verbrechern", weiß Thamm. Das Problem: Die Masche nimmt zu. "Allein in Nordrhein-Westfalen entsteht jährlich ein Schaden von rund 20 Millionen Euro", weiß Oliver Thamm. Zudem geht die Polizei von einer erheblichen Grauzone aus. "Die Betroffenen schämen sich, weil sie auf Betrüger reingefallen sind", so Thamm. Scham sei allerdings bei der professionellen Vorgehensweise der Betrüger nicht angebracht. Enkeltrickbetrüger sind keine Einzeltäter mehr Der Kriminalhauptkommissar hat seit seinem Amtsantritt als Seniorenberater etliche Fälle der Enkeltrickmasche betreut. "Einige konnten wir verhindern", sagt Thamm. Dies sei nur gelungen, weil sich die Angerufenen sofort an die Polizei gewandt haben oder sich einem Angehörigen anvertraut haben. Ist der Betrug erst vollzogen und die Senioren um ihr Geld gebracht, ist eine Aufklärung des Falls kaum mehr möglich. Denn Enkeltrick-Betrüger seien heute keine Einzeltäter, sondern der organisierten Kriminalität zuzuordnen. Sie arbeiten aus Callcentern, die beispielsweise in der Türkei in irgendwelchen Turnhallen eingerichtet seien. Das probateste Mittel gegen die Betrugsmaschen sei die Aufklärung, so Thamm. &bdquo;Uns ist außerordentlich wichtig, dass Angehörige ihre älteren Familienmitglieder oder Freunde über diese miesen Maschen informieren", macht Oliver Thamm deutlich. Zwar sei es wegen der Vielzahl der Betrugsmaschen mittlerweile schwierig für die Menschen, noch den Überblick zu behalten, aber es gebe einige sehr wirkungsvolle Tipps, um kein Opfer der Kriminellen zu werden. Tipps der Polizei &bdquo;Geben Sie niemals Wertgegenstände oder Geld in die Hände von Fremden und gewähren Sie diesen Zutritt zu Ihren Wohnräumen. Seien Sie unfreundlich und abweisend, beenden Sie die Gespräche immer durch eigenständiges Auflegen. Wählen Sie nach Beendigung solcher Telefonate immer den Polizeinotruf 110 und verständigen Sie Ihre Angehörigen. Rufen Sie auf keinen Fall die angezeigte Nummer zurück, diese ist oft fingiert", so der Präventionsexperte der Polizei im Mühlenkreis.

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