Wiehengebirge Beliebtes Ausflugslokal der Großeltern-Generation wird abgerissen

Bad Oeynhausen. Der kleine Urlaub nebenan ist in der Coronakrise für viele Familien immer wichtiger geworden. In den 1960er und 1970er Jahren war das nicht anders. Ein beliebtes Ausflugsziel in Bergkirchen war das "Café am Wiehen". Bei Ursula Veith gab's Kaffee, Kuchen und eine einzigartige Aussicht über Bad Oeynhausen und Löhne. An Wochenenden mit schönem Wetter kamen zahlreiche Gäste vorbei, um die selbstgebackenen Torten und Kuchen der Inhaberin zu genießen und den Blick übers Minden-Ravensberger Hügelland schweifen zu lassen. Jetzt wird das Ausflugscafé abgerissen. Seit mehr als einer Woche zerlegt ein Bagger das alte Gebäude und sortiert den Schutt vor. Das Café ist unwiederbringlich Geschichte. Ein Investor hat das Gebäude gekauft. Pläne für den Neubau eines Ausfluglokals gibt es aber nicht, wie er im Gespräch mit der NW betont. Unter den Bergkirchenern hat das Café Veith einen Namen wie Donnerhall. SPD-Ratsherr Andreas Below erinnert sich noch gut, dass er als Kind sonntags zur Café-Besitzerin geschickt wurde, um Kuchen mit Schlagsahne für die elterliche Kaffeetafel zu holen. Und auch andere Bergkirchenerinnen erinnern sich daran, wie ihre Eltern von der Schwarzwälderkirschtorte schwärmten. Die Nichte erzählt Die Café-Betreiberin Ursula Veith war das älteste Kind des Zigarrenfabrikanten Fritz Veith. In dem Haus wurden Zigarren gedreht, bevor Ursula Veith Anfang der 1960er Jahre darin das Ausflugslokal mit Pension eröffnete. Ihre Nichte Anja Veith-Wirsching blättert im Familienbuch und erzählt von dem Café-Betrieb ihrer Tante in den 1960er und 1970er Jahren: "Ihre Spezialität war Käse-Sahne-Torte." Sommers gab's Obstkuchen, meist mit Beeren aus dem eigenen Garten. Über eine breite Fensterfront nach Süden konnten die Gäste im Café weit über Bad Oeynhausen schauen. Besonders Stolz soll Ursula Veith auf ihre "Wiener Caféhaus-Stühle" gewesen sein. "Das war damals das Nonplusultra", erzählt ihre Nichte. Irgendwann Mitte der 1960er Jahre feierte die Tante auch einmal im Familienkreis Silvester in dem Café. "Da habe ich zum ersten Mal das Feuerwerk über der ganzen Stadt gesehen", sagt Anja Veith-Wirsching. Es blieb die einzige Silvesterfeier bei ihrer Tante. Wahrscheinlich war die Café-Betreiberin froh, wenn sie mal selbst die Füße hochlegen konnte, denn der Betrieb des Ausfluglokals war Knochenarbeit. Die Nichte jobbte als Teenager während der Ferien in dem Betrieb. Nicht als Kellnerin, sondern als Küchenhilfe: "Ich habe Berge von Geschirr vorgewaschen, abgewaschen und abgetrocknet." Das Ausflugslokal war ein Schönwettergeschäft. Wenn etwas los war, dann richtig. Den Service übernahmen meist Mädchen aus Bergkirchen. Die Nichte selbst stand an der Spüle. Für gutes Geld. "Es gab fünf Mark die Stunde." Nach den Osterferien konnte sich Anja Veith-Wirsching vom Lohn ihren ersten Kassettenrekorder kaufen. Feuer unterm Waschzuber Knochenarbeit war vor allem auch die viele Wäsche, die durch Café und Pension anfiel. Die Damasttischdecken wusch Ursula Veith montags und dienstags im Keller von Hand. Eine elektrische Waschmaschine hat ihre Tante zu Lebzeiten nicht besessen, erzählt die Nichte. Im Keller gab's nur drei gemauerte Becken fürs Spülen und einen Waschzuber, unter dem die Tante Feuer machte. Eine uralte Miele drehte die Kochwäsche darin mit einem elektrisch betriebenen Propeller herum. Anja Veith-Wirsching: "Trotz aller Umstände: Die Wäsche war immer tiptop sauber." Ursula Veith wurde laut ihrer Nichte 1926 geboren und starb nach schwerer Krankheit 1989. Ihr Sohn hat das Café nur kurze Zeit weitergeführt. Der erste Käufer hat das Haus zu Mietwohnungen umgebaut. Was künftig anstelle des einst beliebten Ausfluglokals entstehen wird, ist nicht bekannt.

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