Ein Preisschild für fast jedes Haus: Das kosten Objekte in der Kurstadt

Bad Oeynhausen. Wie viel Geld würde ich eigentlichen bekommen, wenn ich mein Häuschen im Grünen oder mitten in der Stadt verkaufen würde? Antwort soll eine neue Start-up-Plattform im Internet geben. Rund 99 Prozent des Marktes, also 35 Millionen Wohnimmobilien, hat Scoperty nach eigenen Angaben mit Preisschildern versehen. Interessenten müssen nur die Adresse eingeben und sehen den Schätzwert ihrer Immobilien - und den der Nachbarhäuser gleich dazu. Doch wie realistisch sind die Preise, die das Internetportal auch für Objekt in Bad Oeynhausen aufruft? Da liegt ein Objekt in den Weserwiesen schnell mal bei rund 750.000 Euro, wird die Kellerwohnung im Dichterviertel schnell mal zu einem Millionenobjekt: die Preisschilder, die Scoperty den Immobilien in der Kurstadt verpasst hat, bergen Überraschungen. Entstanden sind die Preise mittels eines Algorithmus', dessen die Macher von Scoperty sich bedienen. "Die Basisdaten, die in den Algorithmus einfließen, sind unter anderem: Gebäudeadresse, Gebäudekoordinaten, geschätzte Wohnfläche, 3D-Berechnungen, geschätzte Grundstücksgröße, geschätztes Baujahr, Objekttyp also Haus oder Wohnung sowie Anzahl der Privathaushalte", erklärt Scoperty-Geschäftsführer Michael Kasch auf Nachfrage der NW. "Die Informationen erhalten wir von verschiedenen Datenlieferanten, insbesondere Infas 360 GmbH. Diese Daten sind dabei alle öffentlich, wenn auch zum Teil kostenpflichtig für uns und für jedermann ohne Darlegung eines besonderen Interesses verfügbar. Wie zum Beispiel im Kataster der Landesvermessungsämter, beim Bundesamt für Kartographie und Geographie oder bei der Deutschen Post." Mit dem Algorithmus zu den Schätzwerten Markiert sind die Objekte mit Preisspannen. Michael Kasch von Scoperty: "Das ist zum einen Sprengnetter, der Marktführer für Immobilienbewertung. Sprengnetter hat einen Algorithmus entwickelt, der speziell dazu konfiguriert ist, den Marktwert einer Immobilie zu schätzen. Diesen Algorithmus nutzen wir, um unsere Schätzwerte zu ermitteln." Und genau das sind die genannten Preise: reine Schätzungen. "Konkret ist da gar nichts", winkt der Bad Oeynhausener Immobilienmakler Frank Viseneber ab. Die Werte seien völlig fiktiv, die Spanne viel zu groß. "So groß, dass sie irgendwie dann schon passen wird", so der Prokurist. Bei den Daten nutzt das Portal ähnliche Anbieter wie auch Visenebers Arbeitgeber Brand & Partner. Allerdings: laut eigenen Angaben von Scoperty nur sieben bis neun Prozent der Datengrundlage, die für eine reelle Bewertung notwendig sind. Trotzdem: "Das Angebot ist Spielerei. Es zeigt eine Scheinwelt", ist Viseneber überzeugt. "Die Zahlen dienen dem Voyeurismus. Was ist mein Haus wert? Was das meines Nachbarns? Und wie viel das von Onkel Heinz, der ist doch schon so alt", sagt Frank Viseneber schmunzelnd. "Dem Hauseigentümer nützt das alles jedenfalls nichts." Und das Portal? Das verdient durch die Vermittlung. Makler, die bereit sind, 30 Prozent ihres Umsatzes an Scoperty abzutreten werden gelistet und bei Verkaufsinteresse mit dem Kunden vernetzt. Das Drinnen bleibt geheim Es geht in erster Linie um den äußeren Eindruck. Alles das, was von außen sichtbar ist, nutzt das Immobilienportal. Drinnen bleibt ein Geheimnis. Dabei liegt genau dort oftmals der Unterschied zwischen den Objekten. "Lieber mit dem Fachmann von vor Ort das Haus besichtigen - auch wenn wir zum Teil die gleichen Grundlagen wie Bodenrichtwertkarten der Mietspiegel nutzen." Ein ordentlicher Makler mache immer eine Besichtigung und kläre Rechter Dritter für das Objekt. "Zum Beispiel ob es so etwas wie ein Wegerecht gibt - das hat schließlich ganz entscheidenden Einfluss auf den Wert." Auch sei eine Besichtigung vor Ort aktueller: "Dann kann ich den Verkaufspreis anhand der aktuellen Marktsituation ermitteln und greife nicht auf Daten von vor einem Jahr oder einem halben Jahr zurück." Für Frank Viseneber, der sich das Portal extra für die NW angeschaut hat, ist Scoperty ein bisschen wie Monopoly: "Aber auch wenn ich die Schlossallee besitze, heißt das nicht, dass meine Häuser alle top sind." So hat die Hütte im Dichterviertel vielleicht einen derart schlechten Grundriss, dass die Umbaukosten massiv steigen. Das Haus aus den 60ern bietet dagegen die ideale Fläche für die eigenen Wünsche. "Grundrisse sind entscheidend bei einem Hauskauf", betont Viseneber, der auch davon ausgeht, dass Corona nachhaltig das Wohnen verändern wird. "Das Homeoffice machen derzeit noch viele am Küchentisch oder wackeligen Beistelltisch - langfristig werden Wohnungen sicher um Büroräume ergänzt werden." Die aber kann ich auf den Luftbildern von Scoperty nicht ausmachen. Und auch die Atmosphäre im Haus nicht. "Einfach mal durchgehen. Fühle ich mich wohl? Mal riechen. Denn ein feuchter Keller ist auf Immobilienportalen nämlich nicht zu sehen. Aber vor Ort deutlich zu riechen." Und auch das hat Auswirkungen auf den Preis.

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