Jüngstes und ältestes Mitglied berichten: Was diese Ratsfrauen antreibt

Bad Oeynhausen. Ihre Klassenkameraden waren nicht überrascht, als Luca Marie Weigelt ihnen von ihrer künftigen Tätigkeit im Stadtrat berichtete: "Ich bin schon länger politisch aktiv, da war das vielen wohl schon klar. Ich habe auch von vielen Leuten positives Feedback bekommen." Mit ihren 19 Jahren ist Weigelt das mit Abstand jüngste Mitglied im neuen Rat - Bedenken hat sie deshalb nicht. "Solange alle bei der Arbeit im Rat respektvoll miteinander umgehen und man auf Augenhöhe diskutieren kann, habe ich kein Problem damit, die Jüngste zu sein", sagt Luca Marie Weigelt, die sich seit 2017 im Ortsverband der Grünen in Bad Oeynhausen engagiert. Im gleichen Jahr wurde sie auch im Kreisverband tätig, bevor sie im Herbst 2018 Mitglied im Kreisvorstand und Sprecherin der Grünen Jugend im Kreis Minden-Lübbecke wurde. Kein Führerschein und kein Fleisch Dass sie bei den Grünen bestens aufgehoben ist, stand für die Schülerin früh fest - nicht nur, weil sich auch ihre Eltern in der Partei engagieren und Luca Marie Weigelt bald gemeinsam mit ihrer Mutter im Stadtrat sitzt: "Schon im Alter von zehn Jahren kam bei mit der Tier- und Umweltschutzgedanke auf. Das hat meiner Meinung nach keine andere Partei so auf der Agenda." Und der 19-Jährigen ist es wichtig, ihre politischen Überzeugungen auch privat umzusetzen. "Ich habe bisher keinen Führerschein und möchte ihn auch nicht haben. Ich achte darauf, mich autofrei zu bewegen und ernähre mich außerdem schon sehr lange vegan", berichtet Luca Marie Weigelt. Konkrete Tipps für die Arbeit im Rat habe sie von ihren Eltern noch nicht bekommen. Sie freut sich aber darauf, über Themen wie Umweltschutz, Sozialpolitik und konkret den Ausbau des ÖPNV zu diskutieren. "Ich würde mir natürlich wünschen, dass sich mehr Jüngere in der Kommunalpolitik engagieren, denn ein Rat sollte ja möglichst viele Perspektiven aufgreifen und entsprechend divers sein", sagt Luca Marie Weigelt. Sie kann dennoch nachvollziehen, dass die Ratsarbeit nur für wenige junge Leute infrage kommt: "Viele möchten nach dem Schulabschluss umziehen und in einer größeren Stadt studieren. Gerade in diesem Alter möchte sich kaum jemand für fünf Jahre an einen Ort binden." Umzug ist kein Thema Für sie ist das jedoch kein Problem: "Ein studienbedingter Umzug ist bei mir kein Thema, ich bleibe auf jeden Fall erst einmal in der Region", sagt Weigelt, die voraussichtlich im Jahr 2022 ihr Abitur macht. Welchen Beruf sie danach ergreifen möchte, steht für die 19-Jährige noch nicht fest: "Ich möchte gern studieren, mich interessieren viele unterschiedliche Bereiche. Ich könnte mir etwas in Richtung Medizin ebenso gut vorstellen wie ein Studium der Umweltwissenschaften." Seit 2004 stellvertretende Bürgermeisterin Für Helke Nolte-Ernsting hingegen ist die Ratsarbeit längst zum Alltag geworden. Die 76-jährige CDU-Ratsfrau ist das älteste Mitglied und seit 2004 auch als stellvertretende Bürgermeisterin tätig. Als sie 1983 der CDU beitrat, war das jedoch noch nicht geplant: "Mein Mann war damals sachkundiger Bürger und bei uns zu Hause fanden viele Gespräche und Diskussionen statt", sagt Helke Nolte-Ernsting, die sich lebhaft daran erinnert, wie sich die Mitglieder damals zum Bekleben der Wahlplakate trafen. Und bei Gelegenheiten wie diesen diskutierte Nolte-Ernsting gern mit: "Ich habe aber auch oft etwas kritisiert, deshalb bin ich dann auch selbst in die CDU eingetreten." 1989 wurde sie sachkundige Bürgerin im Schulausschuss, bevor sie im Jahr 1994 in den Stadtrat gewählt wurde. "Eigentlich fühlte ich mich mit unserem Unternehmen und den Kindern gut ausgelastet, aber als ich erst einmal mit der Politik angefangen habe, hat es mir wirklich Spaß gemacht", erinnert sich Helke Nolte-Ernsting. Und das hat sich auch nach 37 Jahren nicht geändert: "Man hat bei dieser Arbeit immer Kontakt zu vielen verschiedenen Menschen, die man sonst nie kennenlernen würde. Auch heute noch lerne ich jeden Tag etwas dazu." Durch die Firma ihrer Familie war die 76-Jährige schon immer wirtschaftlich interessiert, weshalb Themen wie die Gewerbesteuer schon früh auf ihrer Agenda standen. Auch Schulthemen liegen ihr sehr am Herzen. Helke Nolte-Ernsting engagiert sich außerdem bei der IHK, ist Vorstandsmitglied im Wirtschaftsrat der CDU im Kreis Minden-Lübbecke und war Gründungsmitglied des Wirtschaftsclubs Bad Oeynhausen. Ohne die Familie geht´s nicht Doch die zahlreichen Ämter nehmen viel Zeit in Anspruch. "Wenn man Ämter übernimmt, geht das nicht ohne die Unterstützung der Familie. Ich bin an vielen Abenden und Wochenenden nicht zu Hause und meine Familie hat dafür Verständnis. Meine Kinder haben auch schon immer bei Wahlkämpfen geholfen", so Nolte-Ernsting. Und besonders viel familiären Rückenwind brauchte sie im Jahr 2004, als sie als Bürgermeisterkandidatin antrat. "Eigentlich hatte ich gute Karten und habe auch die erste Wahl gewonnen. In der Stichwahl habe ich dann leider gegen Klaus Mueller-Zahlmann verloren, das hat mich damals schon sehr getroffen", erinnert sich Helke Nolte-Ernsting. Dennoch hat sie sich von dieser Niederlage nicht unterkriegen lassen: "Es gibt dafür in der täglichen Arbeit immer wieder Höhepunkte. Beispielsweise für die Schulen haben wir viel erreicht, indem wir Sanierungen auf den Weg gebracht haben. Noch nicht gelungen ist mir bisher die Umsetzung einer Freilauffläche für Hunde und das Gradierwerk auf dem Gelände der alten Kurverwaltung. Das möchte ich aber auf jeden Fall noch in Angriff nehmen." Rat hat sich verändert Der Rahmen für die politische Arbeit habe sich im Laufe der Jahre allerdings verändert: "Als ich anfing, saßen ganz andere Menschen im Rat, das waren viele Selbstständige aus kleinen Betrieben. Auch das Familienbild meiner Partei hat sich verändert, ich musste mich da auch auf die neuen Anforderungen unserer Gesellschaft einstellen, da ich von Haus aus durchaus konservativ bin", so Nolte-Ernsting, die sich schon lange wünscht, dass mehr junge Leute - und vor allem junge Frauen - den Weg in den Rat finden: "Einige sind interessiert, entscheiden sich dann jedoch auf beruflichen oder familiären Gründen leider dagegen."

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