Bürgermeisterkandidat Werner Birtsch: "Wir sollten darüber nachdenken, die Badpläne zu stoppen"

Herr Birtsch, ich bin enttäuscht. Ich hatte fest darauf gesetzt, dass wir uns am Sielbad treffen. Nun stehen wir hier im Salz- und Zuckerland. Warum? Werner Birtsch: Weil ich das hier recht gemütlich finde. Und weil man hier zur Ruhe kommen kann. Auch, wenn in unserem Gespräch gleich die Wellen womöglich hochschlagen. Ich als Bad Oeynhausener brenne ja für die Stadt und Ihre Bürger. Aber warum brennen Sie denn jetzt hier im Sielpark und nicht am Sielbad? Birtsch: Da darf man ja nicht hin. Ist ja abgesperrt. Ach, da gucken wir aber gleich mal durch den Zaun. Aber was brennt Ihnen hier konkret unter den Nägeln? Birtsch: Ich stelle mir hier im Sielpark einen Mehrgenerationen-Sportpark für alle Altersschichten vor, mit einem Spielplatz, mit einer vernünftigen Restauration, mit Angeboten für Kinder und Jugendliche. Und da kommen wir dann auch wieder zum Freibad, wo ich mir eine Wärmehalle mit Umkleidemöglichkeiten vorstelle, so dass man sich auch außerhalb des Bades umziehen und womöglich auch duschen kann. Wenn ich mir hier den Trainingsparcours am alten Basketballplatz anschaue, der ist fertig, nur wegen Corona noch nicht eröffnet. Reicht das nicht? Birtsch: Mein Plan dazu heißt Ausbau des Nordens. Der Norden soll Sportregion werden für Bürger und Gäste. Ich halte von der Trennung zwischen Bürgern und Touristen wie im Tourismuskonzept nichts. Jetzt ist mal der Bürger dran. Und wir sollten alles, was wir jetzt für die Bürger bauen, auch gleich für Gäste und Kurgäste planen. Das gilt ja auch für den Sportparcours, der ja auch nicht nur für Kurgäste gedacht ist. Was schwebt Ihnen denn im Sielpark noch Weiteres vor? Birtsch: Für mich muss der gesamte Norden von der Mindener Straße bis zum Wiehengebirge und bis zur Weser erschlossen werden für Laufen, Radfahren, Spaziergehen. Bevor wir gleich noch bis zum Wiehengebirge wandern müssen - was wäre Ihr Plan für den Sielpark? Birtsch: Es müssten zum Beispiel Sportgeräte für Jugendliche aufgestellt werden. Ich stelle mir den Opa vor, der in einer Restauration am Bad sitzt und seinen Enkel auf dem Spielplatz beobachtet. Ich stelle mir vor, dass die Mutter und Oma im Bad schwimmen, dass der Vater mit dem Rad auf einem Parcours unterwegs ist, oder läuft oder walkt. Wichtig ist, dass die Bürger einbezogen werden. Dass sich zum Beispiel projektbezogen ein Bürgerrat bildet. Aber die Vertretung der Bürgerinteressen ist doch eigentlich der Stadtrat. Ist der dann aus Ihrer Sicht überflüssig? Birtsch: Die Basisdemokratie wird hier in Bad Oeynhausen von Rat und Verwaltung vollkommen außer Kraft gesetzt. Natürlich brauchen wir den Stadtrat. Aber der muss den Bürgerwillen berücksichtigen. Der Bürgerrat sollte sich speziell für ein bestimmtes Projekt bilden, dazu ein Positionspapier erarbeiten, das dann von Stadtrat und Verwaltung zu beachten ist. Ich habe mir ja gerade schon Sorgen gemacht, dass Sie die demokratischen Gremien aushebeln wollen. Birtsch: Nein, der Stadtrat ist nicht überflüssig. Noch brauchen wir ihn. Nun kommen wir ja doch noch am Sielbad an. Gehe ich recht in der Annahme, dass dies das Projekt ist, das Sie bewogen hat, als Bürgermeister-Kandidat anzutreten? Birtsch: Sowohl das Sielbad als auch der Kampf um den Sportplatz in Oberbecksen. Aber bleiben wir beim Bad. Was ist denn aus Ihrer Sicht so schief gelaufen bei der Bad-Planung? Birtsch: Ich habe ja schon 2003, als das Sielbad geschlossen werden sollte, eine Bürgerinitiative mitgegründet. Damals ging es um die laufenden Kosten des Bades, die die Stadt nicht mehr aufbringen konnte. Das Bad war damals schon alt, aber noch gepflegt. Das Verrottenlassen ist erst in den letzten Jahren gekommen. Wir haben dafür gekämpft, es zu erhalten. Wenn ich das mit heute vergleiche, mit dieser Großanlage, die gebaut werden soll, und was da an Finanzmitteln hineingesteckt werden soll – dann werden die laufenden Kosten ein Vielfaches von dem betragen, was wir damals hatten, als das Bad geschlossen werden sollte. Und wenn ich sehe, was da an wirtschaftlicher Entwicklung mit Macht auf uns zu rollt, dann habe ich große Bedenken, dass wir dieses Bad gar nicht zu Ende bauen können. Dass das Hallenbad dann als Ruine dastehen wird und das Freibad als Trümmerloch liegen bleibt. Oder aber, dass das Bad zwar fertig wird, wir aber die laufenden Kosten nicht tragen können. Was ist denn nun aus Ihrer Sicht so schief gelaufen bei der Planung? Birtsch: Das geht damit los, dass anfangs gesagt wurde, wir bauen ein Bad für sechs Millionen, analog zum Gütersloher Nordbad. Das war für mich absolut zustimmungsfähig. Dann gab es eine Machbarkeitsstudie, bei der der sogenannte Hockeyschläger ins Leben gerufen wurde, der 9,9 Millionen kosten sollte. Warum heißt der Entwurf Hockeyschläger? Birtsch: Weil der Bau so einen kleinen Winkel zum Parkplatz hin hat und von oben eben aussieht wie ein Hockeyschläger. Das sollte eine erweiterte Version des Gütersloher Nordbades sein. Darin hätte durchaus ein Kinderbereich Platz finden können. Dort wären Duschen und Umkleiden des Freibades und die Kasse integriert gewesen. Wir hätten für Freibad und Hallenbad nur eine Heizung gehabt. Nun bauen wir für 25 Millionen Euro etwas mit zwei Heizungen, mit unterschiedlichen Umkleiden, Duschen und Toiletten. Von Synergieeffekten ist da nichts mehr zu erkennen. Wie sähe Ihr Traumbad aus? Birtsch: Das wäre ein Hybridbad mit 50-Meter-Becken im Außenbereich, das man komplett mit Edelstahl auskleiden und einhausen könnte. Das Dach könnte man so konstruieren, dass man es zu einem Drittel, zu zwei Dritteln oder komplett öffnen könnte – ähnlich wie beim Melittabad in Minden. Ein Bad, das 365 Tage im Jahr nutzbar wäre. Würden Sie, wenn Sie denn Bürgermeister würden, die Pläne für das Hallenbad komplett stoppen? Birtsch: Darüber muss man echt nachdenken. Aber ich bin ja nicht in den Planungen drin. Ich würde mich erstmal intensiv damit beschäftigen, was schon an Verträgen unterschrieben ist. Aber für Überplanungen ist es nie zu spät. Wir sollten jetzt gucken, wo wir die Kosten, vor allem auch die laufenden Kosten, optimieren können. Wenn wir uns jetzt umdrehen und vom Bad auf die Mindener Straße schauen: Welche Rolle spielt deren Umgestaltung für ihre Vorstellung von der Sportregion Nord? Birtsch: Die Mindener Straße ist für mich mit der Kern der ganzen Geschichte, die Verbindung zwischen Nord und Süd. Während der Norden ja für mich die Sportregion ist, ist der Süden für mich die Region der Entschleunigung in der Stadt, mit Wellness, Kommunikation. Lassen Sie uns nicht zu weit in den Süden abschweifen, sondern bei der Mindener Straße bleiben. Birtsch: Die Mindener Straße muss als Lückenschluss dienen, zwischen Nord und Süd, zwischen Werrepark und Innenstadt. Sie muss begrünt werden. Ich möchte ja gerne einen Grüngürtel um ganz Bad Oeynhausen ziehen. Und der muss natürlich die Mindener Straße mit einbeziehen. Wie muss ich mir die Mindener Straße als Grüngürtel vorstellen? Birtsch: Wir haben ja in der Mitte diesen herrlich grünen Mittelstreifen mit dem ein oder anderen Müllfleck. Den würde ich schön verbreitern, da kämen ein paar Bäume rein. Dann hätten wir schon mal ’ne Allee. Dann haben wir den Radschnellweg, der ja wohl zusammen mit dem Umbau der Mindener Straße umgesetzt werden muss, weil das sonst nicht finanzierbar wäre. Ich persönlich würde den Radschnellweg ja lieber hinter dem Werrepark sehen. Zunächst aber würde ich die nördliche Fahrspur der Mindener Straße für den Autoverkehr sperren, sie farblich kennzeichnen und als Probe-Radschnellweg nutzen. Auch auf der südlichen Seite würde ich eine Fahrspur sperren, um zu sehen, wie der Verkehr dann läuft. Nun müssen die Pläne ja abgestimmt werden mit dem Land. Wie machen Sie das als Bürgermeister? Birtsch: Ich fahr da hin. Wenn einmal nicht reicht, fahr ich eben fünfmal hin. Oder zehnmal. Das ist eine Sache, die ist existenziell für Bad Oeynhausen. Da muss Feuer rein. Dafür würde ich auch Öffentlichkeit herstellen. Denn was wir hier in Bad Oeynhausen brauchen, das entscheiden doch wir Bürger. Und nicht Düsseldorf oder Berlin. Die quälen uns schon mit Autobahnen, die quälen uns schon mit Zugstrecken. Davon haben wir in Bad Oeynhausen nun wirklich genug. Da haben wir Bad Oeynhausener nun auch das Recht, mal Wünsche zu äußern. Ich sehe Land und Bund da in der Bringschuld. Auch finanziell? Birtsch: Definitiv. Das Gespräch führte NW-Redakteur Jörg Stuke.

Meistgelesen