Motorradfahrer filmt seinen Unfall in Bad Oeynhausen mit der Helmkamera

Bad Oeynhausen. Das Video dauert nur ein paar Minuten. Der Richter führt es auf seinem Klapprechner im Gerichtssaal vor. Die schwere Suzuki heult wie eine wütende Hornisse. Bäume, Sträucher, Schilder fliegen vorbei und plötzlich reißt der Film ab. Ein Motorradfahrer hat auf der Valdorfer Straße auf Höhe der Möbelfabrik Pönnighaus – hier ist Tempo 50 – im vergangenen August seine rasante Fahrt gefilmt. Bis zum Aufprall. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat den 27-jährigen Biker aus Bad Oeynhausen wegen vorsätzlicher Verkehrsgefährdung und fahrlässiger Körperverletzung vorm Amtsgericht angeklagt. Eigentlich war die Polizei zunächst von der umgekehrten Schuld ausgegangen: Auto nimmt Motorrad die Vorfahrt. Und dann entdeckte die Polizei die Helmkamera Doch dann, erzählt ein Polizist vor Gericht, hätten mehrere Zeugen vor Ort von der überhöhten Geschwindigkeit des Motorradfahrers berichtet – und die Ermittler entdeckten die Bilder aus der Helmkamera. Die Anklagebehörde nahm also den Motorradfahrer ins Visier. Der Mann sei an einer unübersichtlichen Stelle viel zu schnell gefahren und habe &bdquo;vorsätzlich grob verkehrswidrig und rücksichtslos" Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet, so die Vertreterin der Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte widerspricht nicht und sagt: &bdquo;Es tut mir leid, dass durch mein Fehlverhalten Personen zu Schaden gekommen sind." Er sei "in verkehrspsychologischer Obhut", habe die Videos gesehen, aber selbst keine Erinnerung mehr daran: &bdquo;Ich weiß, dass ich mich falsch verhalten habe." War das Motorrad dreimal so schnell wie erlaubt unterwegs? Der Motorradfahrer ist mit dem Fahrrad zum Gericht gekommen. Es ist ein sportlicher Mann, der nicht wie ein Draufgänger wirkt. Er antwortet leise und überlegt. &bdquo;Grundsätzlich bin ich ein ruhiger Fahrer", sagt er. Manchmal aber auch nicht. Mit der Helmkamera habe er nur ein paar Videos gemacht, alle seien noch auf der Kamera gespeichert. Ein Jahr vor dem Unfall erst habe er das Bike gekauft. Als der Unfallfilm läuft, will der Staatsanwalt wissen, wie schnell der Motorradfahrer unterwegs war. Tempo 150? Der Angeklagte zuckt mit den Schultern. Unwahrscheinlich ist es nicht. "Ich will nie wieder Motorrad fahren" Seit dem Unfall ist der Angeklagte nicht wieder gefahren. Nur einmal bei einem Kumpel, zum Test, ob er es noch kann. Das Ergebnis: &bdquo;Ich will nie wieder Motorrad fahren. Das habe ich beschlossen." Den Führerschein brauche er jetzt aber dringender als zuvor, weil er wegen des Unfalls auch eine neue Stelle angetreten habe. Der Angeklagte kann von Glück sagen, dass er noch lebt. Beim Aufprall auf den Kotflügel des linksabbiegenden Autos hat er zahlreiche Knochenbrüche, nach einem Rippenserienbruch drohte seine Lunge zu kollabieren. Einen Monat hat er im Klinikum Minden gelegen: &bdquo;Ich wurde gefüttert und mir wurde der Hintern abgewischt." Der Richter will wissen, ob er noch Folgeschäden spüre. &bdquo;Ein Arzt hat mir gesagt, dass ich vielleicht später mal Schulterprobleme habe", sagt der Angeklagte. Die Autofahrerin wollte zur Versammlung der Zeugen Jehovas Die Autofahrerin wurde ebenfalls schwer verletzt, als das Motorrad gegen ihren Kotflügel und die Fahrertür stieß. Die 56-jährige hatte zahlreiche Schnittverletzungen im Gesicht, am linken Ellenbogen, eine Gehirnerschütterung und stauchte sich die Halswirbelsäule. Ein Vierteljahr habe sie noch Schmerzen erlitten, die Schnittverletzungen seien aber gut behandelt worden. &bdquo;Man sieht nichts davon", sagt der Richter und will wissen, ob sie den Motorradfahrer nicht hat kommen sehen. Die Zeugin verneint. Sie habe in der Bleichstraße &bdquo;besonders lange gewartet" bis der Weg frei war. An dem Tag sei viel Verkehr gewesen. Das erste, an das sie sich wieder erinnert, ist das Gesicht eines Bekannten, der sich über sie gebeugt habe. Zuvor hatte sie zwei Begleiter mit ihrem Auto abgeholt, um an diesem Mittwochabend am 7. August 2019 zu einer Versammlung der Zeugen Jehovas zu fahren. Der Königreichssaal ist nur wenige Hundert Meter von der Unfallstelle entfernt. Die drei Gläubigen kamen dort nicht an. Weil mehrere wichtige Zeugen wider Erwarten nicht zum Prozess erschienen sind, vertagt sich das Gericht auf den 18. August.

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