Die hausgemachte Wasserkrise im Werretal

Bad Oeynhausen/Löhne. Es regnet Bindfäden. Endlich! Der Januar war schon wieder viel zu trocken. Das trübe Wetter zu Februarbeginn macht Hoffnung, doch auch dieser Winter wird wohl kaum so viel Regen bringen, wie Mensch und Natur brauchen. Drei Mal in Folge, in den Jahren 2017, 2018 und 2019 drohte die Trinkwasserversorgung im Sommer im Werretal zusammen zu brechen. Zuletzt wollten die Städte Wasserverschwender sogar mit Bußgeldern maßregeln. Eine Wasserkrise im &bdquo;magischen Wasserland"? Ausgerechnet die Region, die im Jahr 2000 mit der Landesgartenschau &bdquo;Aqua Magica" seinen Wasserreichtum zur Schau stellte? Ist die Wasserknappheit ein Anzeichen des Klimawandels – oder haben die Wasserversorger die Probleme selbst mitverursacht? Stadtwerke nennen "eine Summe von Faktoren" als Ursache Thomas Dippert vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) verweist auf ausgetrocknete Böden und Wälder, das knappe Wasser in den Moorflächen und gesunkene Grundwasserspiegel, Zeichen des Klimawandels: &bdquo;Das kann man messen." Die Stadtwerke Bad Oeynhausen beantworten die Frage salomonisch: Eine &bdquo;Summe von Faktoren" sei Ursache für die Versorgungskrise mit Leitungswasser. Der Wasserbeschaffungsverband (WBV) &bdquo;Am Wiehen" und die Stadtwerke Löhne haben die Fragen vergangene Woche noch nicht beantwortet. Eigentlich ist das Werretal eine wasserreiche Region. Doch Wasser ist nicht gleich Wasser. Die Menschen hier trinken fast alle aus Brunnen jenseits des Wiehengebirges. Es wird mit viel Energieaufwand nach Bergkirchen hochgepumpt. Der WBV &bdquo;Am Wiehen" beliefert Teile von Hille, den Norden von Bad Oeynhausen, Löhne und Hüllhorst. Die Bürger hängen also alle mehr oder weniger an derselben Leitung. Für Leitungswasser gelten strengere Vorschriften als für Mineralwasser Bad Oeynhausen beliefert seinen Süden außerdem noch aus sechs Brunnen entlang der Weser, einem Brunnen auf dem Wittekindshof und einem auf der Lohe. Löhne hat seine Brunnen allesamt an einen Mineralwasserbetrieb verpachtet, der das Wasser abfüllt und in Flaschen verkauft. Mineralwasser ist kein Leitungswasser. Es ist zu hoch mineralisiert, für Leitungswasser gelten strengere Vorschriften. Diese Vorgaben der Trinkwasserverordnung sind so streng, dass der Kreis Minden-Lübbecke im Jahr 2012 einen wichtigen Trinkwasserbrunnen der Stadtwerke Bad Oeynhausen wegen zu hoher Sulfatwerte geschlossen hat. Aus diesem Brunnen im Flachssiek wurden 2012 noch 226.484 Kubikmeter Wasser gefördert. Drei Jahre zuvor floss noch die doppelte Menge ins Leitungsnetz. Dieses Wasser fehlt. Der Bürgermeister warnte vor einem Notstand Stattdessen zapfen die Stadtwerke Bad Oeynhausen mehr Wasser vom WBV &bdquo;Am Wiehen". Die Liefermenge ist seitdem deutlich gestiegen. Inzwischen kommen zwei Drittel des Trinkwassers in der ganzen Stadt vom WBV. Im Jahr 2017 hat Bad Oeynhausen über zwei Millionen Kubikmeter (das sind zwei Milliarden Liter Wasser) aus den Brunnen jenseits des Wiehengebirges geschluckt. Der Wasserbedarf der Kurstadt ist in den vergangenen vier Jahren nicht wie vorausgesagt geschrumpft, der Durst ist sogar gestiegen - bis 2019. Die Probleme bei der Wasserbeschaffung wurden im Sommer 2017 erstmals öffentlich. Der Bürgermeister der Stadt Löhne, zugleich Vorsteher des Wasserbeschaffungsverbands &bdquo;Am Wiehen", warnte vor einem Wassernotstand im Werretal. Anlass für seinen Aufruf zum Wassersparen war allerdings ein Engpass in einem Zwischenspeicher: der niedrige Pegelstand im wichtigsten Wasserspeicher des Versorgungsgebiets in Bergkirchen. Der Behälter ist zwar eigentlich groß genug, das ganze Werretal zu versorgen. Doch zu Spitzenzeiten verbrauchen die Menschen deutlich mehr Wasser als geliefert werden kann. Dann drohen Leitungen trocken zu fallen. Die Nachbarn im Westen und Osten halfen aus Der Wasserbeschaffungsverband veröffentlichte tägliche Wasserstandsmeldungen vom Pegel im Hochbehälter. 7.500 Kubikmeter Wasser passen dort hinein. Zu Spitzenzeiten wie am 25. Juni 2019 verbrauchten die Menschen in Bad Oeynhausen aber 9.161 Kubikmeter Wasser, davon im Norden allein 3.336 Kubikmeter, wo das WBV-Wasser direkt aus der Leitung kommt. Löhne und Bad Oeynhausen riefen am 26. Juni den Wassernotstand aus und drohten Wasserverschwendern mit Bußgeldern. Feuerwehr, Rotes Kreuz und Technisches Hilfswerk machten bis in den Abend Lautsprecherdurchsagen in allen Straßen und Wohnvierteln und wiesen auf den Notstand hin. Eine beispiellose Aktion, vermutlich zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Nachbarn im Westen und Osten halfen aus. Die Notlieferungen und die Sparaufrufe wirkten. Die Leitungen im Werretal sind nicht ausgetrocknet. Bad Oeynhausen hat im Jahr 2019 erstmals wieder deutlich weniger als drei Millionen Kubikmeter Wasser verbraucht. Die Krise war also auch hausgemacht. Für Thomas Dippert vom BUND greift diese Erklärung jedoch zu kurz. Er verweist auf die heißen Sommer und den ausbleibenden Regen. &bdquo;Das Klima ändert sich", sagt Dippert. Und damit auch das Verhalten der Menschen. Würden die Sommer im Werretal weiter so mäßig wie in den vergangenen Jahrhunderten, käme wohl niemand auf die Idee, Trinkwasser ins Planschbecken zu füllen oder den Rasen damit zu sprenkeln. Die Krise ist längst nicht gebannt Die Wasserkrise ist also längst nicht gebannt. Die Versorger versuchen sich breiter aufzustellen. Die Stadtwerke Bad Oeynhausen haben im Spätsommer 2019 eine Dükerleitung unter der Werre in Betrieb genommen. Porta Westfalica liefert nun bis zu 1.000 Kubikmeter Wasser täglich ins Wasserwerk Rehme. Aus einem zweiten Leerrohr soll demnächst Wasser sprudeln, das die Stadtwerke selbst in Porta Westfalica fördern wollen. Seit 2013 gibt es Planungen, die Brunnengalerie in Rehme auf die andere Weserseite zu erweitern. Zwischendurch leistete sich Bad Oeynhausen aber auch eine Luxusdiskussion um die Trinkwasserenthärtung. Die Stadtwerke Löhne haben im Dezember angekündigt, eine neue Trinkwasserleitung nach Herford zu bauen. Und der Hochbehälter in Bergkirchen soll bis Sommer 2021 um weitere 10.000 Kubikmeter Wasserspeicher erweitert werden. Auf diesem Grundstück wollten die Bad Oeynhausener eigentlich die Trinkwasserenthärtungsanlage bauen.

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