Holocaust-Gedenken: Steine erinnern an die ermordeten Nachbarn in Bad Oeynhausen

Bad Oeynhausen. Eigentlich sollte ihr der Umzug aus dem Münsterland nach Bad Oeynhausen das große Glück bescheren. Dass es ganz anders kam, konnte Elfriede Cantor 19234 nicht ahnen, als die Jüdin hierher kam, um den Christen Hermann Bartz zu heiraten. Ab 1933 wurden dem Ehepaar von Mitbürgern regelmäßig die Fensterscheiben eingeschlagen. 1935 inhaftierte die Polizei Hermann Bartz. Und neun Jahre später wurde seine Frau als 70-Jährige nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. In Gedenken an ihr Schicksal erinnert jetzt ein Stolperstein in der Portastrasse 23 an die einstige Bürgerin der Stadt. Gestern hat Künstler Gunter Demnig in der Innenstadt im Auftrag des Vereins &bdquo;Stolpersteine in Bad Oeynhausen“ vor drei historischen Villen die letzten sieben Gedenktafeln verlegt, die an die deportierten und getöteten Mitbürger erinnern sollen. Damit wird nun aller aus Bad Oeynhausen deportierter Juden gedacht. Insgesamt 34 Gedenktafeln erinnern nun an 34 Menschen, von denen die meisten ihr Leben in einem Konzentrationslager lassen mussten. 75.000 Stolpersteine sind schon verlegt Die Verlegung der letzten Gedenktafeln passt nicht nur zum zehnjährigen Bestehen des Vereins, in dessen Auftrag seit 2010 bislang an acht Orten 27 der kleinen Gedenktafeln verlegt worden waren. Sondern vervollständigt auch einen neuen Rekord auf europäischer Ebene: &bdquo;Die Einlassung des inzwischen 75.000. Stolpersteins“, wie Vereinsmitglied Dieter Obermeyer weiß. Dass damit aber nur ein Abschnitt vollendet ist und der Verein keinesfalls seine Arbeit einstellen wird, bestätigte der Vorsitzende Lars Kunkel: &bdquo;Wir werden weitermachen. Auch im Gedenken an andere Opfergruppen“, kündigt der Pfarrer an. Darüber, welche Schicksale sich in den drei Häusern abgespielt haben, in denen Künstler Gunter Demnig gestern die letzten sieben Stolpersteine in den Belag des Gehweges davor verlegte, berichtete Stefanie Hillebrand, die Leiterin des Stadtarchivs: So erfuhren die Bürger, die zur Einlassung der Gedenktafeln gekommen waren, dass Hermann Bartz – bis zu seiner Heirat als Friseur tätig, für seinen Schwager – einem Delikatessenhändler in Osnabrück - in Bad Oeynhausen und der Umgebung Bestellungen von Hotels und Pensionen für Wild und Geflügel aufnahm. In seinem Entschädigungsantrag berichte er von fortlaufender Diskriminierung und Geschäftsboykott durch die Nationalsozialisten. Weil er sich kritisch zum Reichstagsbrand geäußert hatte, musste er eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten absitzen. &bdquo;Eine Entschädigung hat er nie erhalten“, so Stefanie Hillebrand. Betagte Schwestern werden in Treblinka ermordet Ähnlich erging es den beiden Schwestern Emma und Berta Vorreuter, deren Elternhaus an der Dr.- Neuhäußer-Strasse 15 steht: Bis 1933 hatten sie in der Charlottenstraße eine Pension betrieben und waren 1937 in das Haus in der Kaiserstraße 5 – heute Dr.- Neuhäußerstraße - 15 a – gezogen. &bdquo;Hochbetagt und auf sich allein gestellt, lassen sie sich 1941 in das Israelitische Altersheim von Westfalen in Unna aufnehmen und gehen damit durch die völlige Kontrolle der städtischen Verwaltung in den sicheren Tod. Im Juli 1942 werden sie in das KZ Theresienstadt deportiert und im KZ Treblinka ermordet“, erzählt die Leiterin des Stadtarchivs ihre Geschichte. Die letzten Stolpersteine werden an der Bahnhofstraße 34 verlegt und erinnern an die Zigarrenfabrikanten-Familie Wolf, die bis 1933 am &bdquo;Alten Rehmer Weg“ 27 Mitarbeiter beschäftigte und deren Betrieb 1938 zwangsverkauft wurde. &bdquo;Sohn Wilhelm wird in der Pogromnacht am 9. November 1938 von der Polizei in Bad Oeynhausen verhaftet und muss anderthalb Monate im KZ Buchenwald bleiben. Nach seiner Entlassung emigriert er in die USA“, berichtet Stefanie Hillebrand. Und: &bdquo;Thekla, Adolf und Liebmann Wolf werden am 29. Juli 1942 aus Bad Oeynhausen ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Eine ehemalige Hausbewohnerin kann sich daran erinnern, wie als junge Frau mit ihren Eltern diesen Abtransport weinend mitangesehen hat“. Die Leiterin des Stadtarchivs berichtet, dass Adolf Wolf sich sein Überleben als Hausverwalter im KZ sichern konnte und im Juli 1945 befreit wurde. Miterleben musste er aber, wie sein Bruder und seine Frau 1943 sterben. Aufgrund – wie er später zu Protokoll gab – seelischer Aufregung und körperlicher Entbehrung.

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