Stolperstein-Gedenken in Brakel: Nachfahren reisen aus Amerika an

Brakel. 26 der für Brakel geplanten 59 Stolpersteine sind bereits in drei Aktionen seit Februar verlegt worden. Nun sind noch einmal elf hinzugekommen. Jetzt sind es 37. Vier wurden in Erinnerung an die jüdische Familie Weiler am Gänseanger 5 verlegt. Dazu waren Familienangehörige extra aus Baltimore in den Vereinigten Staaten nach Deutschland geflogen, um bei dieser besonderen Gedenkfeier dabei zu sein. &bdquo;Wir sind sehr dankbar und glücklich, dass in Brakel das Andenken an unsere Vorfahren so würdevoll lebendig gehalten wird“, sagte Judy Gartner (80). Sie ist die älteste Tochter von Carl Weiler, der 1904 in Brakel geboren wurde und als einziger den Holocaust überlebt hat, weil er rechtzeitig in die USA emigrierte. Seine Eltern Friedrich Weiler (1875 bis 1942) und Ella Weiler (1879 bis 1942) sowie die Schwester Mathilde Weile (1908 bis 1944) wurden in den KZs von Treblinka und Lichtenwörth ermordet. Die Familie Weiler zählte zu den alteingesessenen jüdischen Familien im Kreis Höxter. &bdquo;Drei Generationen vor Carl Weiler kam Moses Ben Joseph Weiler aus Bayern zunächst nach Peckelsheim“, berichtet der Heimatvereinsvorsitzende Paul Cramer. Das war 1765. Moses und sein Sohn Nathan waren dort als Landwirte tätig. So entstand das Familienunternehmen in Brakel Nathans Sohn Levy Weiler siedelte 1824 von Peckelsheim nach Brakel und gründete einen Landhandel. In Brakel stiegen auch die Familien Heineberg und Flechtheim in den Betrieb ein. Die Aktiengesellschaft Landhandel Weiler-Heineberg-Flechtheim war die in der Region führende Firma im Landhandel. Besondere Spezialität war der Handel mit Kleesaaten, die aus Ungarn, Italien oder Österreich importiert wurden. Lesen Sie auch: Diese kleinen Steine sollen die Erinnerungskultur in Brakel beleben 1914 trat der Sohn Friedrich Weiler in die Firma ein. Er war ein deutscher Patriot und kämpfte im Ersten Weltkrieg an der Ostfront gegen Russland. Dafür erhielt er das Eiserne Kreuz. Nach dem Krieg baute er um 1920 am Standort Am Gänseanger 5 in Brakel eine Villa. Das großzügige Haus besaß zwölf Zimmer sowie Küche, zwei Badezimmer, einen Weinkeller und Nebengelass. Zudem befand sich im Haus ein Lastenaufzug für Speisen und Getränke. Die Familie beschäftigte eine Köchin und ein Hausmädchen. Friedrichs Bruder Hermann war Mitglied im Brakeler Stadtrat. 1936 wurden die Firma Weiler, Heineberg & Flechtheim A.G. arisiert und die Familienvilla verkauft. &bdquo;Sie ging an das niedrigste Gebot, so wie es von den Nazis bestimmt war“, sagte Kramer. Friedrich Weilers Sohn Carl hatte Jura studiert und trat nach seiner Promotion als Rechtsberater in die elterliche Firma in Brakel ein. Den Verlust des Vermögens konnte er dennoch nicht verhindern. Die Tochter Mathilde hatte den Elektrotechniker Joszef Fodor geheiratet und lebte mit ihm in Budapest. Nach dem Verlust der Firma verlassen Familiemitglieder Brakel Nach dem Verlust der Firma zogen Friedrich und Ella Weiler 1936 nach Berlin, wo Friedrich ein kleines Geschäft für Sämereien betrieb. Carl, der seinen Eltern 1936 nach Berlin gefolgt war, blieb dort bis zu seiner Emigration Ende 1937. Friedrich und Ella versuchten, über die Schweiz auszuwandern. Die Auswanderung scheiterte jedoch. Am 8. Juli 1942 wurden sie über den Anhalter Bahnhof nach Theresienstadt deportiert. Von dort brachte sie am 19. September 1942 ein Zug in das Vernichtungslager Treblinka, wo sie sofort ermordet wurden. Mathilda wurde von Budapest aus ins Konzentrationslager Lichtenwörth bei Wien gebracht. Nur Carl gelangt die Flucht. &bdquo;Wir sind bis heute praktizierende Juden und tragen unsere Familiengeschichte tief im Herzen“, sagte Tochter Susan Oberfeld (68). Bürgermeister Hermann Temme rief zur Wachsamkeit gegenüber jeglicher Form von Diskriminierung und Ausgrenzung auf. An die Familienangehörigen gerichtet, sagte er: &bdquo;Es erfüllt mich mit großer Dankbarkeit und Demut, dass Angehörige derer, deren Namen wir heute hier ehren, den weiten Weg aus den USA auf sich genommen haben.“ Sieben weitere Stolpersteine wurden an der Bahnhofstraße 6, noch sieben weitere im Gedenken an die Familie Liebenberg verlegt. Begleitet wurden die Gedenkfeiern durch Beiträge der Gesamtschule Brakel und der Bredenschulen. Die Stolpersteinaktion in Brakel ist eine Initiative des Brakeler Heimat- und Museumsvereins mit seinem Arbeitsgruppenleiter Michael Markus. Aktionen und eine Ausstellung Der Heimatverein hat noch drei weitere Aktionen geplant. Am Dienstag, 19. November, 10 Uhr, werden Am Gänseanger 9 Stolpersteine im Gedenken an die Familie Heineberg verlegt sowie an der Warburger Straße 10 im Gedenken an die Familie Löwi. Am Freitag, 29. November, 10 Uhr, werden am Hanekamp 13 Stolpersteine im Gedenken an die Familien Heinemann und Joosten verlegt. Am Samstag, 30. November, 10 Uhr, werden an der Ostheimer Straße 14 Stolpersteine im Gedenken an die Familien Aron, Buchtal und Neuburger verlegt, sowie an der Königstraße 7 im Gedenken an die Familie Lefebre. Zeitgleich läuft noch bis zum 24. November in der Galerie der Alten Waage eine begleitende Ausstellung.

Meistgelesen