Ex-Polizist soll zehn Millionen Euro Steuern hinterzogen haben

Bad Oeynhausen. Der Mann mit dem hängenden, silbergrauen Schnauz und der ausgebeulten Körpermitte sieht aus wie ein Märchenonkel. Und was der 61-Jährige dem Landgericht so alles erzählt, ist auch wirklich kaum zu glauben. Seine Lebensgeschichte gleicht einer Räuberpistole zwischen Polizei und Gefängnis. Er ist aufgewachsen als Adoptivkind in Arnsberg, weil der Vater in die DDR flüchtete. Er wurde Polizist, Personenschützer, Großgastronom, Kronzeuge der Steuerfahndung, Diplomkaufmann im zweiten Bildungsweg und endete vorerst als verurteilter Räuber und notorischer Verkehrssünder im Gefängnis. Sein Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt könnte demnächst deutlich verlängert werden. Laut Staatsanwaltschaft Bielefeld hat der 61-Jährige mehr als zehn Millionen Euro Steuern nicht bezahlt. Vier Jahre und sechs Monate Haft fordern die Ankläger für den Mann mit dem markanten Schnauzbart. Einige Straftaten soll er aus dem Gefängnis heraus begangen haben. Geholfen haben ihm offenbar eine Frau aus Bad Oeynhausen und eine Rechtsanwältin aus Zeitlarn. Allen dreien drohen Haftstrafen, das Gericht bemüht sich derzeit um eine Verständigung über das Strafmaß - im Gegenzug kündigten die Angeklagten Geständnisse für den nächsten Prozesstermin an. Die Bad Oeynhausenerin schulte einst Finanzbeamte in Elster-Online Die angeklagte Bad Oeynhausenerin hat eine nicht weniger schillernde Lebensgeschichte. Die 61-Jährige hat offenbar gegenüber dem Finanzamt für Steuerstrafsachen in Bielefeld bereits umfassend ausgesagt. Die gelernte Verlagskauffrau war unter anderem viele Jahre als EDV-Lehrerin an der Steuerakademie Niedersachsen in Bad Eilsen tätig und hat künftige Finanzbeamte am Computer geschult. Unter anderem in Elster-Online, der elektronischen Steuererklärung. Später war sie für den Finanzdienstleister AWD tätig, hat sich als freie Buchhalterin selbstständig gemacht und nebenbei bei einem Steuerberater in Porta Westfalica geputzt. Die Rechtsanwältin aus Zeitlarn in Bayern hat mit ihrem Ex-Mann eine Kanzlei gegründet, die sich auf Unternehmensberatung und Rechtsfragen spezialisiert hat. Im Internet wirbt die Kanzlei damit, Treuhandkonten einzurichten. Seitdem sie vor Gericht steht, liegt das Geschäft am Boden. Der Vorsitzende Richter will wissen, warum: "Wegen der Berichterstattung in den Medien?" Doch das verneinte die Juristenkollegin: Sie sei wegen ihrer "Mandate sehr eingebunden", jetzt aber sehr mit dem eigenen Prozess beschäftigt: "Meine Kapazitäten sind beschränkt." Ein Polizist, der nebenberuflich Diskotheken betreibt Der Hauptangeklagte erzählte, wie er als Polizeibeamter erst sein Abitur am Abendgymnasium nachholte und sich an der Fachhochschule weiterqualifizierte. Parallel dazu habe er zunächst einen Personal- und Sicherheitsservice für Großgastronomen angemeldet, zuletzt aber Beteiligungen an Großdiskotheken gehalten und kam in Konflikt mit seinem Dienstherrn, weil die Branche angeblich in Konkurrenz zur Polizei stehe. 1989 habe er den Polizeidienst quittiert. Er habe damals herausbekommen, dass Polizisten bei einer Dienstpflichtverletzung mit einer Entschädigung gekündigt würden: "Ich bin dann einfach nicht mehr hingegangen." Seine Karriere in der Gastronomie endete abrupt. Der Angeklagte hatte sich wohl mit Geschäftspartnern überworfen und schwärzte als Kronzeuge der Steuerfahndung Steuerhinterzieher und Sozialabgabenpreller der Branche an. Ins Gefängnis kam er jedoch wegen einer ganz anderen Geschichte: Verurteilt wurde er wegen Raubes "in einem minder schweren Fall", weil er in Frankfurt am Main einen Mercedes gestohlen hat. Noch bevor die Haftstrafe rechtskräftig wurde, arbeitete er als Lagerarbeiter und Lastwagenfahrer, büßte seinen Führerschein ein und arbeitete als freiberuflicher Finanzermittler. Weil er seine Haftstrafe nicht antrat, blieb er angeblich sechs Jahre auf freiem Fuß. "Manchmal scheitert es auch an der Fähigkeit der staatlichen Institutionen", sagte er. Der Angeklagte handelte mit Rapsöl aus der Ukraine und Solarpanels aus China Nach der Haft kam er über Beziehungen an private Postdienstleister und baute zunächst für zwei Zeitungsverlage ein Verteilnetz auf, bevor er einen Personalservice für Lastwagenfahrer aufmachte. Bei dieser Firma mit zweifelhaftem Geschäftsmodell lernte er auch die Bad Oeynhausenerin kennen. Weil er beharrlich ohne Fahrerlaubnis Auto gefahren war, musste er dann abermals in Haft und kam mit einer neuen Geschäftsidee heraus: dem Handel mit Rapsöl aus der Ukraine. Von da war es nicht mehr weit zu einem anderen zeitweise florierenden, grünen Wirtschaftszweig, dem Handel mit chinesischen Solarpanels. Allerdings wohl ohne die Umsatzsteuer zu bezahlen.

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