Bei tödlichem Unfall in Lippe: Rettungskräfte von Autofahrern beleidigt und bedroht

Schieder-Schwalenberg. Dass Rettungskräfte bei ihren Einsätzen Schlimmes zu sehen und zu hören bekommen, mitunter auch mit dem Tod konfrontiert sind, das sind sie gewohnt. &bdquo;Das ist unser Job“, sagt auch der stellvertretende Stadtbrandmeister Kai Uwe Deilke. &bdquo;Aber das, was wir bei dem Unfall bei Nessenberg am Karsamstag erlebt haben, war wirklich schlimm.“ Denn unversehens wurden die Feuerwehrleute selbst zu Zielscheiben. &bdquo;Und mit der Aufarbeitung dieser Geschehnisse sind wir lange noch nicht durch.“ Am Karsamstag war eine 24-jährige Detmolderin beim Versuch, mit ihrem Fahrrad die Fahrbahn der L 886 an der Kreuzung bei Nessenberg zu überqueren, von einem Auto erfasst und getötet worden. &bdquo;Als wir gerufen wurden, hieß es in der Meldung zwar &bdquo;Radfahrer schwer verletzt“, berichtet der erfahrene Einsatzleiter. Doch dass das Unfallopfer noch an der Unfallstelle sterben würde, konnte niemand von den insgesamt 40 Feuerwehrleuten von den Löschzügen Wöbbel und Schieder ahnen. &bdquo;Wir waren vor dem Notarzt vor Ort und ein paar Kameraden haben sich zunächst um die Reanimierung bemüht.“ Es waren auch sehr junge Feuerwehrleute unter den Einsatzkräften. &bdquo;Da versucht man, die erst mal ein wenig abseits vom Geschehen einzusetzen, damit sie das nicht so hautnah mitbekommen.“ Was in diesem Fall Sicherung und Absperrung der Unfallstelle hieß. Einsatzkraft: Autofahrer drohte Feuerwehrfrau Wie hätte Kai Uwe Deilke auch ahnen können, dass er damit die jungen Leute massiven Angriffen verständnisloser Autofahrer aussetzen würde? &bdquo;Ein Autofahrer hat einer unserer Feuerwehrfrauen damit gedroht, sie zu überfahren.“ Den Pöbler anzuzeigen, sei in dem Augenblick gar nicht möglich gewesen. Und was sagt man einer jungen Ehrenamtlichen, wenn sie so was erlebt hat? - &bdquo;Das ist schwierig, man kann sie nur mal drücken und ihr gut zureden, dass da einer ja nur seinen Frust abgelassen hat.“ Mehr zum Thema: Radfahrerin stirbt bei Unfall in Schieder-Schwalenberg – Ermittlungen zur Ursache Dieser Pöbler war nicht der einzige: Ein anderer Verkehrsteilnehmer beschwerte sich sehr massiv, dass er doch nun nicht zum Waffelessen an den Schieder-See komme. Und das alles, während einige der Rettungskräfte hinter eigens vorgehaltenen Sichtschutzdecken verzweifelt versuchten, die junge Radfahrerin zu reanimieren und gleichzeitig ihre Kameraden versuchten, die aufgeregten und aufgebrachten Angehörigen und Freunde des Unfallopfers in Schach zu halten. Der 29-jährige Autofahrer, der mit seinem Wagen erst 100 Meter nach der Kollision mit dem Fahrrad zum Stehen gekommen war, sei von der Polizei in einen Streifenwagen gesetzt worden - und zwar zum Schutz des Mannes: &bdquo;Die Angehörigen wollten ihn sich vornehmen.“ Angehörige um Ort des Unfalls Alles sei sehr unübersichtlich gewesen: Die fünfköpfige Radfahrergruppe mit dem Opfer war auf dem Weg zum Schieder-See gewesen, um sich dort mit weiteren Angehörigen und Freunden zu einem Picknick bei dem schönen Wetter zu treffen. Sobald Letztere von dem Unfall hörten, machten sie sich in ihren Autos auf zum Nessenberg. &bdquo;Wir hatten es letztlich mit 16 Beteiligten zu tun“, schildert der Einsatzleiter die unübersichtliche Lage. Dass diese teilweise ihren Schmerz herausschreien und ihren Frust und ihre Trauer direkt rauslassen würden - bis hin zu Tritten gegen einen Einsatzwagen -, dafür hat Kai Uwe Deilke Verständnis. &bdquo;Ich kann das schon nachvollziehen, das ist ja eine absolute Ausnahmesituation, wenn so ein junger Mensch plötzlich aus dem Leben gerissen wird.“ Dennoch sind die Auswirkungen einer solchen Ausnahmesituation auch für die Einsatzkräfte etwas, was ihnen lange nachgeht. Denn sie mussten ja beispielsweise die engsten Verwandten des Unfallopfers auf Abstand halten, um die Rettungsversuche nicht zu stören. Sich dann dem Schmerz der Betroffenen auszusetzen, geht auch an Feuerwehrleuten nicht spurlos vorbei. Unterstützung aus Lippe angefordert &bdquo;Um das besser zu bewältigen, haben wir die psychosoziale Unterstützung (PSU) der Feuerwehr angefordert.“ Eigens psychologisch geschulte Kräfte aus Schieder, Bad Salzuflen, Lügde und Dörentrup kamen zum Nessenberg, um die Kameradinnen und Kameraden zu unterstützen. Freundlicherweise hatten die Betreiber des Hotel Elfenberg, Winfried und Marianne Häner, ihr Haus für die Rettungskräfte geöffnet, sodass hier nach stundenlangem Einsatz die erste Nachbesprechung für die 40 Frauen und Männer in geschütztem Rahmen stattfinden konnte. &bdquo;Da haben sich auch für viele noch offene Fragen geklärt: Jeder von uns erlebt ja immer nur einen kleinen Ausschnitt eines solchen Geschehens und hat nicht gleich eine Antwort. Zum Beispiel, warum der Hubschrauber so früh wieder weggeflogen ist, noch bevor die Familie überhaupt wusste, dass die Frau gestorben ist.“ Noch am Osterwochenende hat dann eine zweite, freiwillige Nachbesprechung stattgefunden, an der immerhin noch die Hälfte der beteiligten Einsatzkräfte teilgenommen hat. &bdquo;Bis wir das alle verdaut haben, wird es noch eine Zeit dauern“, sagt der stellvertretende Stadtbrandmeister.

Meistgelesen