Oerlinghausens Bürgermeister kandidiert nicht mehr

„Das Freibad in Oerlinghausen ist mir das wichtigste Anliegen“

Bürgermeister Dirk Becker hat eine erneute Kandidatur ausgeschlossen. Wir wollen wissen, was ihm in den nächsten neun Monaten wichtig ist, wie er die Situation der Bergstadt sieht und was er für den schönsten Erfolg seiner Amtszeit sieht.

Bürgermeister Dirk Becker wird bei der Kommunalwahl im September nicht mehr kandkdieren. Einiges möchte er aber noch auf den Weg bringen. | © Gunter Held

Gunter Held
31.01.2025 | 01.02.2025, 14:40

Herr Becker, wie fühlt es sich an, wenn beim Traumjob das Ende in greifbare Nähe ist?

DIRK BECKER: Schon komisch. Gebe ich zu. Je näher nun der Tag kommt, fragt man sich natürlich, wie das sein wird. Aber ich habe das ja nicht spontan entschieden, sondern ich habe mich durchaus auch längere Zeit damit auseinandergesetzt. Aber sicherlich ist das ein Einschnitt, wenn man so viele Jahre Politik macht wie ich.

Ich frage jetzt mal ganz provokant. In den kommenden Jahren werden die Kommunen vor unglaubliche Herausforderungen gestellt, das haben Sie auch selbst schon gesagt und schon jetzt ist für Oerlinghausen die Haushaltssicherung unabwendbar. Man könnte sagen, dass sie kneifen, wenn es für die Stadt richtig schwierig wird.

Es war, glaube ich, in den vergangenen Jahren immer schwierig. Es gab viele schwierige Entscheidungen. Ich denke nur an den Schulneubau in der Südstadt. Das war wohl mit die schwierigste politische Entscheidung, auch die umstrittenste. Also ich sag mal, dass uns Haushaltszwänge plagen, das sind wir hier gewohnt. In den vergangenen 25 Jahren hatten wir quasi immer wieder so ein auf und ab. Das hat jetzt nichts mit Kneifen zu tun, sondern das ist eine rein persönliche Entscheidung. Wer mich kennt, der weiß, dass ich vor schwierigen Entscheidungen oder vor schwierigen Zeiten auch nicht zurückschrecke.

In den sozialen Medien ist das Freibad immer mal wieder ein großes Thema. Vor Kurzem waren aber auch in der Politik Stimmen zu hören, die sich kritisch gegenüber einem Neubau äußerten. Andererseits gab es kürzlich von der Bezirksregierung eine weitere Förderzusage. Was ist nun in Sachen Freibad?

Also erst einmal: Wir haben Meinungsfreiheit. Natürlich können sich auch Leute kritisch zu diesem Freibad äußern, denn völlig unbestritten ist, dass der Neubau des Freibades eine ganz gewaltige Kraftanstrengung für Oerlinghausen wird. Ich bin trotzdem dafür, wie ich schon bei meinem Amtsantritt deutlich gemacht habe. Man muss abwägen: Was ist das für eine finanzielle Belastung, in diesem Fall hauptsächlich für die Stadtwerke, und zum anderen, welchen Mehrwert hat dieses Freibad für Oerlinghausen? Und dann verweise ich immer auf den Antrag, den wir damals gestellt haben, in dem wir dieses Freibad eben als Ort der Integration in Oerlinghausen bezeichnet haben. An der Schnittstelle zwischen Altstadt und Südstadt. Ein Ort, wo Jung und Alt zusammenkommen, wo auch Sport betrieben werden kann, wo auch Jugendarbeit passiert. Ich glaube, wenn wir auf das Freibad verzichtet und das Geld gespart hätten, wären wir ja trotzdem nicht gesund finanziert. Das Geld wäre woanders hingeflossen. Also haben wir in der letzten Ratssitzung 2024 dafür gesorgt, dass das Eigenkapital der Stadtwerke gestärkt wird und dadurch die Grundlage geschaffen, dass das Freibad kommen kann. Jetzt im Februar werden wir voraussichtlich dann den letzten Beschluss fassen, und ich glaube, dass es eine klare Mehrheit dafür gibt, dieses Freibad neu zu bauen.

Kritikpunkt in den sozialen Medien ist auch immer wieder, dass der Platz für die Klimaerlebniswelt vom Freibad abgegangen ist. Hat die Stadt oder haben die Stadtwerke in irgendeiner Weise finanziell davon profitiert? Gibt es einen Pachtvertrag oder ist die Fläche einfach zur Verfügung gestellt?

Die Fläche ist zur Verfügung gestellt, denn die Stadt profitiert ja von der Klimaerlebniswelt, und zwar massiv und wer das nicht versteht, den verstehe ich nicht. Also wir haben hier das modernste neueste Tourismus-Projekt, was gleichzeitig das Thema Klimawandel in den Fokus rückt. Da sind wir wirklich absolut auf der Höhe der Zeit. Der Kreis hat es errichtet. Der Kreis hat entsprechend auch Fördermittel bekommen und dann war es für mich doch selbstverständlich, wenn man so etwas bekommt und man hat eine Fläche wie wir, dass man die dann zur Verfügung stellt. Und für das neue Bad brauchen wir diese Fläche nicht mehr als Liegewiese, denn Voraussetzung für die Förderung war die Halbierung der Wasserfläche. Wir mussten Energie sparen, sonst hätten wir keine Förderung bekommen. Dann ist es doch optimal, beides an dem Standort zusammenzufügen, denn das Freibad wird sicherlich auch von der Klimaerlebniswelt profitieren.

Gibt es schon irgendwelche Vorgespräche hinsichtlich eines Freibadimbisses?

Ja, da will ich mich jetzt nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber wir haben bei den Stadtwerken im Aufsichtsrat beschlossen, dass neben dem Bad und der Technik, das ist Gegenstand der Förderung, auch der sogenannte Gemeinschaftstrakt erneuert werden soll. Das heißt, wir brauchen neue Duschen, neue Umkleiden. Daher soll genau zur Seite der Klimaerlebniswelt ein neues Gebäude mit Eingangsbereich entstehen. Und dort planen die Stadtwerke auch eine Form der Gastronomie.

Was gehört weiterhin noch zu den Dingen, die sie in ihrer Amtszeit noch in trockene Tücher bringen wollen?

Alles, was noch in trockene Tücher zu bringen ist, steht jetzt im Haushaltsplan. Das meiste ist aber schon seit Längerem auf dem Weg. Ich will ganz klar sagen: Das Freibad ist mir das wichtigste Anliegen. Das hat wirklich Jahre gedauert. Wir hatten immer wieder Rückschläge. Förderung, die nicht kam, wobei wir wussten: alleine kriegen das nicht hin. Wenn wir das jetzt noch durchkriegen, dann ist das schon ein großes Herzensanliegen. Ich habe immer gesagt, schon als ich angefangen habe, den Sanierungsstau aufzulösen, ist eines meiner wichtigsten Anliegen, aber auch eines der schwersten. Und wir haben da vieles erreicht, wie die Sporthalle in Helpup, dann die neue Grundschule in der Südstadt – ein Mammutprojekt. Wir haben aber auch an den anderen Schulen enorme Investitionen getätigt. Wir bauen in Helpup gerade die Grundschule um, damit die in der Lage ist, auch die OGS für alle Kinder vorzuhalten. Das nächste Projekt, was aber auch schon auf dem Weg ist, ist dann die Sanierung des Schulzentrums, und auch dabei wird es sich womöglich um ein Projekt handeln, was in den nächsten Jahren einen zweistelligen Millionenbetrag erfordern wird. Es ist einfach zu viel zu lange aufgelaufen.

Lohnt es sich überhaupt noch, die Heinz-Sielmann-Schule zu sanieren, oder muss neu gebaut werden?

Das ist jetzt auch Bestandteil der Untersuchung. Denn wir haben schon zig Millionen investiert, aber der Sanierungsrückstau ist natürlich enorm, mal von energetischen Dingen ganz zu schweigen. Und ein Teil der Untersuchung wird sein, was letztlich auch die wirtschaftlichste Lösung ist. Dafür haben wir externe Gutachter beauftragt, die genau das jetzt untersuchen. Was ich gerne noch eingetütet hätte, wäre auch ein neues Rathaus oder die Sanierung des jetzigen. Das Rathaus ist enorm sanierungsbedürftig und nicht barrierefrei. Wir haben hier enorme Wasserschäden, weil das Dach einfach undicht ist. Wir haben Feuchtigkeitsschäden im Keller. Ein Teil davon soll dieses Jahr einfach saniert werden. Ich habe immer gesagt, die Sanierung des Rathauses ist zwingend notwendig, aber wichtiger noch sind Schulen und Sportstätten, also die Problemfälle, von deren Lösung die Bürger unmittelbar profitieren. Von daher habe ich das Rathaus dann immer ein bisschen zurückgestellt. Ich würde mich aber auch freuen, wenn ich es noch erlebe, dass auch hier am Rathaus das getan wird, was zu tun wäre.

Oerlinghausen ist wie alle anderen Kommunen gezwungen, sparsam zu wirtschaften. Was halten Sie von einer Zusammenlegung bestimmte Bereiche der Verwaltung mit Nachbarkommunen, zum Beispiel Leopoldshöhe, um Kosten zu sparen? Geht das?

Das ist ausgesprochen problematisch. Wir haben das immer mal versucht durch interkommunale Zusammenarbeit zu machen. Es gibt Bereiche, wo eine Kommune zwingend hoheitlich tätig ist. Nehmen wir die Meldebehörde, wo Ausweise und Pässe ausgestellt werden. Das können nur wir machen. Man kann im Bereich der freiwilligen Leistungen natürlich interkommunal zusammenarbeiten. Jetzt Leistungen komplett, beispielsweise nach Leopoldshöhe auszulagern, oder andersrum, bringt nur dann etwas, wenn ich Mitarbeiter auch immer stellenscharf eins zu eins umsetzen kann. Das heißt, ich kann jetzt nicht jemanden umsetzen, der ein Drittel Tätigkeit A macht und dann noch ein paar Bruchteile andere Tätigkeiten. Also man muss da sehr stark wirklich ins Detail gucken. Beispielsweise: Je mehr Dienstleistungen der Verwaltung digital werden und digital auch beantragt werden können, desto einfacher ist es, diese Aufgaben auch mit anderen Kommunen zusammen in Detmold, in Bad Salzuflen, in Bielefeld erledigen zu lassen. Denn da, wo ich nicht Ansprechpartner vor Ort brauche, sondern wo ich nur meinen Antrag digital einreichen kann, ist es für den Bürger egal, wo die Anträge bearbeitet werden. Da sehe ich deutlich größere Schnittmengen oder Möglichkeiten.

Wie sieht es mit dem Personal in der Verwaltung aus?

Da erinnere ich an den Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt: Oerlinghausen ist im letzten Drittel der Kommunen, was die Personalstärke angeht. Wir haben schon sehr, sehr maßvoll in den vergangenen Jahren mit neuen Stellen gearbeitet. Insgesamt hat die Verwaltung um die 100 Mitarbeiter. Eigentlich müsste ich in manchen Bereichen mehr Personal haben.

Das Land und der Bund bestellen die Musik und die Kommunen müssen zahlen. Was müssen Land und Bund machen, um die Kommunen nachhaltig zu unterstützen? Denn so wie es im Moment läuft, bluten die Kommunen aus.

Das ist das Hauptproblem. Es ist ganz einfach, wir haben im Land schon die Regelung, das Gesetze, die das Land beschließt und die Kommunen dann vollziehen müssen, dass dafür das Land auch das Geld zur Verfügung stellen muss. Das passiert aber auch nur bedingt. Es gibt jetzt einige Bereiche, in denen das Land Aufgaben auf die Kommunen weiterleiten wollte. Teilweise Dinge, die vom Bund ursprünglich beschlossen wurden, wie die kommunale Wärmeplanung, wo man jetzt überlegt hat, wie man die Kommunen damit beauftragen kann, ohne dass man auch noch Geld hinterherschicken muss. Da gibt Überlegungen, das nicht in Gesetzesform, sondern anders zu machen.

Ich sage ganz klar. Das fängt von oben an. Der Bund hat eben nicht die Verpflichtung, Gesetze, die er beschließt, eins zu eins zu finanzieren. Wir sehen das immer wieder. Eine der größten Belastungen ist die Eingliederungshilfe. Da sind wir nur am Ende einer Kette. Denn bei der Eingliederungshilfe kommt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe im Spiel, der die Einrichtungen entsprechend finanziert. Mit enormem Defizit. Bundesweit hat der Bund fünf Milliarden Euro Kosten übernommen. Aber der Aufwand liegt bei zehn Milliarden. Das heißt, die, die das ausführen müssen, haben es nicht. Was macht der Landschaftsverband Westfalen-Lippe? Der geht an die Kreise und holt sich das Geld von den Kreisen und die Kreise holen sich das Geld von uns. Wir müssen jetzt diese Wärmeplanung machen, da kriegen wir einmalig Zuschüsse – auch nicht wenig, mehr als 100.000 Euro. Wir werden anschließend eine Klimafolgenanpassung machen müssen. Dafür haben wir einen Förderantrag gestellt. Da können wir eine Person für zwei Jahre gefördert bekommen, die das einmalig aufstellt. Aber das Personal, was ich danach brauche, um das immer weiter zu machen, zahlen wir.

Wie ist es mit Wohnraum für Geflüchtete?

Wir haben bislang die Menschen, die es unterzubringen gab, immer unterbringen können. Das hat sich auch jetzt relativ gut eingespielt. Da habe ich aktuell jetzt nicht die Situation, dass wir eine große Notlage haben. Die Zahlen sind recht stabil.

Wie viele leben jetzt hier?

Wir haben rund 250 Geflüchtete aus der Ukraine und rund 290 Sonstige.

Wie sehen ihre Pläne nach der Amtsübergabe aus?

Da gibt es noch keine konkreten Pläne. Ich habe so ein paar Ideen, was ich machen könnte. Vielleicht einfach nur mal durch die Welt fahren und einiges genießen. Einige Hüttentouren in den Alpen reizen mich seit Jahren. Vielleicht mit meiner Frau ein bisschen durch die Gegend fliegen, sie fliegt ja hauptberuflich als Chefstewardess bei der Condor. Noch einmal beruflich irgendetwas zu machen, habe ich eigentlich nicht vor, aber ich kann es auch nicht ausschließen. Ich bin da tatsächlich entspannt.