Bilder aus der Ukraine

Aufnahmen aus einem geschundenen Land

Der Dokumentarfotograf Grzegorz Lityński zeigt ebenso beeindruckende wie bedrückende Bilder, die in der Ukraine entstanden sind.

Anhand seiner Aufnahmen erläuterte Grzegorz Lityński den beiden Schülergruppen aus Deutschland und Polen die Grundzüge der Reportagefotografie. Foto: Knut Dinter | © Knut Dinter

Knut Dinter
26.11.2024 | 26.11.2024, 00:00

Oerlinghausen. Die 25 Fotos, die gegenwärtig in der Hedwigskapelle in Oerlinghausen ausgestellt sind, lassen das Elend erkennen, dem die Menschen in der geschundenen Ukraine ausgesetzt sind. Die Aufnahmen stammen von Grzegorz Lityński, Dokumentarfotograf aus Polen und Dozent an der Akademie am Tönsberg. Sie lassen die enge Verbundenheit zwischen den fotografierten Personen und dem Berichterstatter erkennen.

„Als wir in Andrijiwka ankamen, haben Häuser noch gebrannt“, berichtet Lityński. Bis kurz zuvor war der Ort im Osten der Ukraine noch von den russischen Einheiten beschossen worden.

Die Aufnahme in Schwarz-weiß zeigt ein völlig verwüstetes Wohnzimmer und lässt die Wucht des Angriffs erahnen. Auf einem anderen Foto ist nur mühsam das Wrack eines Personenwagens zu erkennen. Das Fahrzeug wurde von einem Panzer zusammengedrückt, als wäre es nur eine Blechdose. Mit einem Schriftzug auf der mächtigen Stele hinter dem Auto wird auf Ukrainisch „Gute Fahrt“ gewünscht. Das nächste Foto bildet eine halbe Straßenbrücke über einen Fluss ab. Die restlichen Trümmer liegen im Wasser. Das ganze Motiv kann als eine einzige Anklage interpretiert werden.

Das Rote Kreuz auf dem Auto ist kein Schutz

Das Ausmaß von Not, Elend und Verzweiflung wird besonders intensiv in den Porträts deutlich. Lityński traf einen Mann mittleren Alters mit einem apathischen Gesichtsausdruck. „Er hatte sich mit seiner Frau 30 Tage lang im Keller versteckt und während dieser Zeit nur Kartoffeln gegessen“, erzählt der Fotograf. Am rechten Bildrand sind eine Waschmaschine und ein Kühlschrank zu erkennen, die im Freien stehen. „Die Russen wollten sie mitnehmen, haben es aber nicht geschafft, sie abzutransportieren“, hat der Fotograf erfahren. An den meisten Gesichtern der abgebildeten Personen sind Trauer und Perspektivlosigkeit abzulesen. Lityński traf eine ältere Frau, die sich um ihre regungslos im Bett liegende, gelähmte Tochter kümmert. Er zeigt einen kleinen Jungen im Spiderman-Kostüm, der mit seinem Kopf so gar nicht heldenhaft wirkt.

„Ich war gar nicht als Fotograf da, sondern habe mitgeholfen, Hilfsgüter zu überbringen“, sagt Lityński. Die Aufnahmen sind dann eher beiläufig entstanden. Die Umstände waren allerdings nicht ungefährlich. „Die mitgebrachten Pakete haben wir nur nachts abgeladen, sonst wären wir beschossen worden“, sagt der Fotograf. „Von Einheimischen wurde uns geraten, auf den Wagen besser kein Rotes Kreuz anzubringen, denn so hätten wir mehr Chancen durchzukommen.“

Schüler lernen, Fotoreportagen zu verstehen

Das große Format von 100 mal 70 Zentimeter lässt die Fotos noch eindringlicher erscheinen. Da sie auf Staffeleien stehen, können die Betrachter dicht herantreten und Einzelheiten aus kurzer Entfernung anschauen. Auch wenn für die Ausstellung der zunächst harmlose Titel „Ukrainisches Bilderalphabet“ gewählt wurde, sind sie beeindruckend und bedrückend zugleich.

Wie man ein Foto „lesen“ kann und wie eine gelungene Fotoreportage aufgebaut ist, vermittelte Lityński bei einem Wochenseminar der Akademie am Tönsberg, an dem 30 Schülerinnen und Schüler aus Polen teilnahmen. Die Aufnahmen aus der Ukraine dienten den 16 und 17 Jahre alten Jugendlichen aus Iserlohn und Chorzow als Anregung für intensive Gespräch und interkulturellen Austausch.

Die Ausstellung ist noch bis zum Ende der Woche in der Hedwigskapelle zu sehen (Anmeldung über Tel. 05202 91650). Im kommenden Jahr wird erneut Gelegenheit geboten, die Fotos zu sehen.