Immer mehr Schulden anhäufen? Gütersloher Experte warnt vor gefährlichem Tiktok-Trend

Gütersloh. Mit einem hohen Schuldenstand protzen? Das klingt erst mal abwegig, ist aber seit gut zwei Jahren ein Trend in den Sozialen Medien. Unter dem Hashtag #klarnaschulden gibt es allein auf TikTok über 1.200 Beiträge von jungen Erwachsenen die mit der Höhe ihres Schuldenstands in der App &bdquo;Klarna“ angeben. Einzelne Videos wurden bereits über eine Million Mal aufgerufen. &bdquo;Klarna“ ist einer von vielen &bdquo;Buy Now, Pay Later“ (zu Deutsch: Kauf jetzt, bezahl später) Dienstleistern. Martin Hain, Leiter der Schuldner- und Insolvenzberatung der Diakonie im Kreis Gütersloh, warnt explizit vor den Risiken dieser Bezahlmethode und fordert eine &bdquo;finanzielle Allgemeinbildung von klein auf“. &bdquo;Buy Now, Pay Later“ – Dienste wie Klarna bieten eine besondere Form des Online-Shoppings an. Kunden können ihre Waren bestellen und müssen diese erst zu einem späteren Zeitpunkt bezahlen. Vor jeder Bestellung führt Klarna eine Bonitätsprüfung durch. Die Bezahlung erfolgt dann in der Regel erst 30 Tage nach dem Kauf. Wer die Rechnung nicht pünktlich begleicht, muss mit zusätzlichen Kosten und einem Inkassoverfahren rechnen. Als Alternative bietet Klarna die Möglichkeit an, den ausstehenden Betrag in Raten zu bezahlen. Lesen Sie auch: Tiktok macht Bücher im Netz populär - Gütersloher Händlerin berichtet vom Trend Diese Ratenkredite kosten Geld. Das Vergleichsportal &bdquo;Verivox“ hat in einer Pressemitteilung im Februar 2023 einmal den Effektivzins für die &bdquo;Buy Now, Pay Later“-Angebote von &bdquo;Paypal“ und &bdquo;Klarna“ berechnet. Demnach belief sich der Effektivzins bei &bdquo;Paypal“ auf 9,99 und bei &bdquo;Klarna“ auf 14,79 Prozent. &bdquo;Damit waren die Zinsen für Klarna- und Paypal-Schulden deutlich höher als die Dispo- oder Ratenkreditzinsen bei günstigen Banken“, heißt es in der Mitteilung. &bdquo;Bezahldienste sind eine Geburt unserer Gesellschaft“ Genau hier liegt, laut Hain, der Hase im Pfeffer. &bdquo;Diese Bezahldienste sind eine Geburt unserer Gesellschaft“, sagt er. Gerade junge Menschen werden durch stark personalisierte Werbung und die Möglichkeit, ungeachtet des Kontostandes eine Ware sofort zu erhalten, mit einer ganz anderen Konsumrealität konfrontiert, erklärt er. &bdquo;Auf diese Art des Konsumierens sind sowohl die jungen Menschen als auch deren Eltern oftmals nicht vorbereitet“, fügt er hinzu. Früher habe es diese Kaufoptionen nicht gegeben. &bdquo;Wenn ich vor 20 Jahren Geld ausgeben wollte, dann musste ich Geld abheben und bei jedem Kauf meinen Geldbeutel zücken. Das waren alles Stationen, bei denen ich mein Handeln überdenken konnte“, sagt er. Diese Stufen fallen nun alle weg. Der Kauf sei jetzt, selbst mit leerem Konto, nur noch einen Klick entfernt, so Hain. Hinzu komme, dass es bei vielen &bdquo;Buy Now, Pay Later“-Angeboten an Transparenz fehle, kritisiert Hain. Mit den vielen verschiedenen Finanzierungs- und Zahlungsmöglichkeiten der Anbieter verschwimme für die Käuferinnen und Käufer die Grenze zwischen Rechnungskauf und Ratenfinanzierung. Auch Angaben zu anfallenden Zinsen und Gebühren gebe es häufig nicht. Transparenz bei Zinsen und Kosten im Zusammenhang mit solchen Geschäften dürften nicht im Kleingedruckten stehen, sie müssten für alle verständlich unmittelbar vor dem Bezahlprozess erfolgen. &bdquo;Da muss der Gesetzgeber tätig werden“, ergänzt Hain. Immer mehr Jugendliche verschulden sich Eine genaue Zahl junger Erwachsener, die aufgrund von Schulden bei einem &bdquo;Buy Now, Pay Later“-Dienst, die Schuldnerberatung aufsuchen kann Hain nicht nennen. Dennoch bestätigt er, dass man sich in der Schuldnerberatung regelmäßig mit dem Phänomen befassen müsse. &bdquo;Je früher man sich Hilfe holt, desto besser. Leider kommen die meisten erst zu uns, wenn das Inkasso-Schreiben auf dem Tisch liegt“, sagt Hain. Das liege vor allem an der empfundenen Scham der Betroffenen, weiß er. &bdquo;Bei uns wird niemand verurteilt. Wir sind Hilfe zur Selbsthilfe“, betont Hain und verweist auf die offene Sprechstunde der Schuldnerberatung, die jeden Mittwoch stattfindet. Weitere Informationen sind auf der Internetseite der Diakonie unter www.deine-diakonie.de/beraten/schulden zu finden. Lesen Sie auch: Unternehmen aus dem Kreis Gütersloh ist insolvent – dabei existiert es gar nicht mehr Hains Erfahrungen passen zu den bundesweiten Zahlen, die im Schuldenatlas 2023 der Wirtschaftsauskunftei Creditreform zusammengetragen wurden. Demnach ist die Überschuldung im vergangenen Jahr in der jüngsten Personengruppe (bis unter 30 Jahre)zum ersten Mal seit zehn Jahren angestiegen. Creditreform verzeichnete in der Alterskategorie rund 3.000 mehr Fälle als im Jahr 2022. Dazu schreiben die Studien Autoren: &bdquo;Möglicherweise ist dies zurückzuführen auf die steigende Nachfrage nach sogenannten &bdquo;Buy Now, Pay Later“-Angeboten, die einen Einstieg in die Überschuldungsspirale begünstigen."

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