So gefährlich ist es für Kinder in Oerlinghausen

Oerlinghausen. Vor fast 100 Jahren wurde in Helpup die Grundschule gebaut, unmittelbar an der Lageschen Straße. Zentral gelegen, war sie für alle Kinder gut zu erreichen. Selten war ein Auto zu sehen, den Luxus konnten sich nur ganz wenige leisten. Die Lage des Gebäudes – damals ein Vorteil – hat sich ins Gegenteil verkehrt. Die Lagesche Straße (Bundesstraße 66) erinnert eher an eine Autobahn als an eine Landstraße. Was bedeutet das für die insgesamt 320 Kinder auf dem Weg zu ihrer Schule? Montagmorgen. Melanie Müller hat es eilig, aber ihr Sohn Finn hat mal wieder getrödelt (alle Namen geändert). Damit der Achtjährige noch rechtzeitig zur Schule kommt, fährt die Mutter ihn schnell mit dem Auto hin. Auf die Idee sind auch schon andere Eltern gekommen und wollen ihre Sprösslinge möglichst nah an die Grundschule bringen. Die Folge: Chaos auf dem Parkplatz an der Kirche, die Wagen blockieren sich gegenseitig, der Schulbus aus Oerlinghausen muss lange warten, bis die Einfahrt in den engen Friedhofsweg möglich ist. In den &bdquo;Elterntaxis“ sieht Schulleiterin Ulrike Petersen das größte Problem. &bdquo;Es ist unverantwortlich, wie schnell zum Teil gefahren wird“, sagte sie. Manche Eltern ziemlich rücksichtslos Die Elternpflegschaftsvorsitzende Nadine Gottschalk kann die Schilderung bestätigen. &bdquo;Weil sich andere Eltern beschwerten, habe ich das Geschehen mal gezielt beobachtet und einige gefährliche Situationen gesehen“, sagte sie. &bdquo;Manche Eltern sind sogar ziemlich rücksichtslos auf den Parkplatz gefahren.“ Erst kürzlich bat die Schulleitung alle Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto bringen, sie doch nicht auf den Parkplatz für die Lehrkräfte, sondern &bdquo;Auf der Brede“, auf dem Kirchparkplatz oder dem Albrecht-Ober-Platz abzusetzen. Die kritische Verkehrssituation rund um die Grundschule ist lange bekannt. Selbst die Kreispolizei stellt in ihrem Schulwegplan fest: &bdquo;Die Lagesche Straße ist stark befahren. Viele Kraftfahrer überschreiten hier oft die zulässige Höchstgeschwindigkeit.“ Schulkinder sollten deshalb ausnahmslos den vorhandenen Tunnel unter der B 66 nutzen. Auch ein Überqueren der Straße an den Fußgängerampeln sei &bdquo;nicht ungefährlich, da die Kinder durch jeweils abbiegende Fahrzeuge gefährdet werden“. Vor der Bahnhofstraße warnt die Polizei ebenfalls: &bdquo;Auf der Bahnhofstraße wird nicht immer die vorgeschriebene Geschwindigkeit eingehalten. Ein Wechsel von der einen zur anderen Seite &bdquo;darf nur am ampelgeregelten Überweg vor der Lageschen Straße erfolgen. Die in Höhe der Jahnstraße vorhandene Mittelinsel sollte nur in Begleitung der Eltern genutzt werden“. Jedes vierte Kind wird mit dem Auto gebracht Zu den schwächsten Verkehrsteilnehmern zählen insbesondere Senioren und Kinder. Sie werden im Straßenverkehr schlechter gesehen und haben ein größeres Risiko für schwere Verletzungen, schreibt die Polizei. In Lippe setzt sie auf eine Kombination aus Aufklärung, die bereits im Kindergarten beginnt, auf vorbeugende Maßnahmen und auf Überwachung. &bdquo;Schulen sind sensible Orte, deshalb überwachen wir auch in Helpup wie im gesamten Kreisgebiet den Verkehr am Schulweg“, sagte Polizei-Pressesprecher Yannick Thelaner. Ein Blick ins Archiv ergab, dass sich im Bereich der Grundschule zuletzt vor fünf Jahren ein Unfall mit Personenschaden registriert wurde. &bdquo;Ein Fußgänger wurde leicht verletzt“, teilte Thelaner mit. &bdquo;Es bleibt aber trotzdem ein Gefahrenschwerpunkt.“ Der häufig geäußerte Wunsch, Tempo 30 auf der B 66 einzuführen, lässt sich aus gesetzlichen Gründen nicht umsetzen. In der Straßenverkehrsordnung heißt es, dass Tempo-30-Zonen unter anderem nicht auf Straßen des überörtlichen Verkehrs, auf Straßen mit Lichtzeichenlagen und mit benutzungspflichtigen Radwegen eingerichtet werden dürfen. Eine Befragung der Stadt Oerlinghausen ergab vor einigen Jahren: Im Sommer kommen 81 Kinder zu Fuß zur Schule, 51 sind es im Winter. 74 Mädchen und Jungen fahren mit dem Bus, da sie zumeist in der Oerlinghauser Kernstadt wohnen. Im Sommer werden 75 Kinder mit dem Auto gebracht, im Winter erhöht sich die Zahl auf 87. Als Gründe gaben die Eltern an, dass die Schule auf dem Arbeitsweg liegt (45), 16 wohnen zu weit weg, zehn verweisen auf Sicherheitsgründe. Das Angebot, gemeinsam und in Begleitung einer erwachsenen Person zu kommen, würden 28 Eltern annehmen. Die meisten (61 Nennungen) antworteten jedoch, dass sie daran kein Interesse haben. Walking Bus kaum angenommen Vor rund 20 Jahren wurde ein Helpup für mehr Sicherheit auf dem Schulweg der &bdquo;Walking Bus“ eingeführt. An fünf festgelegten &bdquo;Haltestellen“ sammeln sich die Schulkinder, um dann eine Gruppe zu bilden, die von einer erwachsenen Person begleitet wird. &bdquo;Doch mittlerweile wird das Angebot schlecht angenommen“, sagte Schulleiterin Ulrike Petersen. &bdquo;Das ist sehr schade, denn eigentlich ist es eine tolle Idee.“ Davon ist auch Bettina Schulze überzeugt. Zweimal in der Woche begleitet sie drei Kinder auf dem Fußweg von Währentrup zur Grundschule. &bdquo;Drei Elternteile wechseln sich ab, wir haben eigens eine Whatsapp-Gruppe eingerichtet“, berichtet sie. &bdquo;Ich wäre froh, wenn sich noch mehr Familien beteiligen würden.“ Für Bernd Rösser sind die Vorteile ebenfalls offenkundig. Seit drei Jahren bringt er an zwei Tagen in der Woche sein Enkelkind sowie bis zu neun Mädchen und Jungen zur Schule. &bdquo;Wir haben alle etwas davon“, meinte er. &bdquo;Wir bewegen uns, sind eine halbe Stunde an der frischen Luft und die Kinder kommen fröhlich und entspannt im Unterricht an.“

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