300 Besucher dürfen neue Monocabs im Kreis Lippe testen

Kreis Lippe/Dörentrup-Humfeld. Ist es ein Zufall, dass die Monocabs in den ICE-Farben weiß und rot lackiert sind? Vermutlich nicht. In der Industriehalle im Gewerbegebiet Humfeld fährt die Einschienenbahn zwar nicht im ICE-Tempo über die 30 Meter lange Strecke, aber sie fährt. Und die Entwickler hoffen, dass das Projekt, entwickelt in Lippe und Ostwestfalen, ähnlich erfolgreich wird wie der Intercity-Express. Das Interesse jedenfalls ist da. Fabian Kottmeier, technischer Projektkoordinator von der TH OWL, hat die Fernbedienung vor dem Bauch und steuert damit das &bdquo;Hermann“ getaufte Versuchsfahrzeug. Das Projekt, an dem neben der TH OWL viele Partner von Fraunhofer über die Hochschule Bielefeld bis zu Phoenix Contact und Weidmüller mit Unterstützung des Kreises Lippe beteiligt sind, macht Fortschritte, die auch der Laie erkennt. Da, wo vor zwei Jahren noch eine flache Plattform auf den Schienen war, steht jetzt ein ausgewachsenes Schienenfahrzeug, in das man sich setzen kann. Und: Es steht nicht nur, es fährt auch, gesteuert eben von Fabian Kottmeier.&bdquo;Ich staune, wie weit das Ganze schon gekommen ist“, sagt Besucher Stefan Kromig. Er ist selbst Ingenieur, verfolgt die Entwicklung und das &bdquo;schöne Konzept“. Mehrere Besucher fühlen sich bei dem Projekt an den Transrapid erinnert, die in Deutschland entwickelte Magnetschwebebahn, die hierzulande nie gebaut wurde. Hoffentlich werden hier nicht die gleichen Fehler gemacht, meinen einige. Lipper wollen in Monocabs mitfahren Eines wird beim Tag der offenen Tür deutlich: Die Lipper wollen sich die Monocabs angucken und mitfahren. In der Humfelder Halle gehen die Fahrgäste eine kleine Treppe hinauf und steigen ins Fahrzeug. Kottmeier schließt ein rotes Absperrband, und los geht es. 30 Meter hin und her. Der Elektromotor klackt einmal und surrt beim Beschleunigen, Monocab &bdquo;Hermann“ lässt auch beim Stehen ein dauerhaftes hohes Surren hören. Lesen Sie auch: Warum Monocabs &bdquo;made in Lippe“mehr als nur eine Idee sind Es kommt vom Herzstück der Einschienenbahn, mit deren Idee Thorsten Försterling und die Landeseisenbahn Lippe 2018 den Deutschen Mobilitätspreis gewonnen haben: die Kreiselstabilisierung. &bdquo;Sie wird im nächsten Schritt deutlich leiser“, erklärt Kottmeier. Der Kreisel, der der Bahn durch die Drehbewegung Stabilität gibt, bewegt sich mit 4.800 Umdrehungen pro Minute. Das sei nun einmal hörbar. Doch es ist in Planung, dass der Kreisel sich demnächst in einem Gas dreht, sagt Kottmeier. &bdquo;Das macht deutlich weniger Krach als in Luft und spart außerdem Energie.“ Tempo 330 wie der ICE wird das Monocab auf keinen Fall fahren, Tempo 60 ist als Höchstgeschwindigkeit angedacht. Im Innenraum können zwei Personen nebeneinandersitzen, die Sitze sind bequem. Das &bdquo;Versuchsfahrzeug in Einsatzumgebung“ (Försterling) ist im Inneren noch nicht fertig gestaltet, aber: Es fährt. Für Besucher eine Attraktion und – zum Glück – kein Nervenkitzel. Monocabs haben 270 Kilometer Reichweite Weil die Monocabs auch auf Strecken ohne Oberleitung unterwegs sein sollen, fahren sie batterieelektrisch. Mit einer Reichweite von bis zu 270 Kilometern und vier bis sechs Stunden Betrieb pro Batterieladung ist die Reichweite nach Kottmeiers Worten völlig ausreichend. Außerdem werde die Batterietechnik in den kommenden Jahren deutliche Fortschritte machen. &bdquo;Hermann“ wird per CCS-Stecker geladen – ein Steckertyp, den E-Auto-Fahrer kennen. Lesen Sie auch: Technische Hochschule OWL baut in Lemgo eine Campusbahn für Monocabs Während der 40-minütigen Ladepause in der Halle berichtet Kottmeier, dass die Monocabs einmal automatisch im Depot laden sollen. Unterwegs zu laden, werde wohl nicht notwendig sein. Einer, der mitgefahren ist, ist Gerhard Degner aus Lemgo. &bdquo;Ganz normal“ findet der gelernte Elektroingenieur die Fahrt. Ihm gefällt, dass die Monocabs mit Blick auf den Einsatz auf stillgelegten Bahnstrecken weiterentwickelt werden. &bdquo;Gerade im ländlichen Raum brauchen wir vernünftige Verkehrsmittel“, sagt er. Diese seien sinnvoll, um den Autoverkehr zu reduzieren. Nur eine Sache findet Degner schade: dass die orangefarbene Fangvorrichtung noch am Monocab angebracht ist, die das Versuchsfahrzeug bei Ausfall aller Systeme aufrechterhält. Kottmeier erklärt, warum: &bdquo;Technisch ist es kein Problem, das Monocab auf einer Schiene fahren zu lassen. Dafür fehlt aber noch die Zulassung“ – und heute dürfen schließlich Passagiere zusteigen. Zukünftig ohne Fernsteuerung im Einsatz Diese Erklärung für das zusätzliche Sicherheitssystem findet &bdquo;Testpassagier“ Degner einleuchtend. Die Fernsteuerung soll es natürlich ebenfalls nicht mehr geben, wenn die Monocabs tatsächlich irgendwo im Einsatz sind. Im Projekt &bdquo;enableATO“ werden auf dem Mindener Railcampus Systeme entwickelt, die eben den lokführerlosen Betrieb für Züge ermöglichen sollen – auch für die Monocabs. Sensoren und entsprechende Software sollen Hindernisse erkennen. An der sicheren Kommunikation per 5-G-Mobilfunk forscht das Lemgoer Fraunhofer-Institut. Apropos Hindernisse: SPD-Bundestagsabgeordneter Jürgen Berghahn berichtet von der Personalakquise großer heimischer Unternehmen, &bdquo;bei der wir durchaus in Konkurrenz mit Regionen wie Stuttgart oder München stehen“. Und da würden die Unternehmen nicht selten die Frage hören, wie man die Standorte im Lippischen denn erreichen könne. Auch deshalb sei die Monocab-Entwicklung so wichtig, meint Berghahn – und im Übrigen sei es &bdquo;eine fantastische Möglichkeit“, den Massenverkehr mit Regionalexpress und Co. auf der Schiene zu ergänzen, nicht zu ersetzen, wie der Abgeordnete betont. Zumal die Reaktivierung von stillgelegten Bahnstrecken mit den etwa drei Tonnen leichten Monocabs deutlich einfacher sei als mit schwereren Fahrzeugen, sagt Rolf Naumann von der Hochschule Bielefeld, der ebenfalls an der Entwicklung beteiligt ist. Flexibilität der Monocabs sorgt für Auslandsanfragen Und Stefan Witte, Vizepräsident der TH OWL, hebt auf die Haltepunkte ab, an denen die Einschienenbahn Station machen könne. Das müssten keine großen Bahnhöfe und Bahnsteige sein. Für Feste und Veranstaltungen entlang der Strecke könne sogar solch ein Gestell reichen, wie es in der Halle aufgebaut ist. Diese Flexibilität mag dazu beitragen, dass es bereits mehrere Anfragen aus dem Ausland gibt, von denen Försterling berichtet. &bdquo;Vorige Woche war eine Delegation aus Japan da.“ Interesse gebe es auch in Saudi-Arabien, Anfragen aus Indien, Ghana und den USA. Niederländer hätten sich erkundigt, wie sich neue Stadtviertel mit den Monocabs erschließen lassen. Die aktuelle Projektphase, für die es etwa viereinhalb Millionen Euro Förderung vom Land NRW gibt, heißt &bdquo;Monocabs Schlüsseltechnologien“. Am Ende sind es nicht nur Japaner und Saudis, sondern am Tag der offenen Tür auch etwa 300 Lipper, die dem Monocab unter die Haube schauen. Kann ein Schienenfahrzeug auf einem Rad ausbalanciert unterwegs sein? Ja, kann es. Diese Frage haben die Entwickler des Monocabs schon beantwortet. Es folgt Hürde Nummer zwei: Kann ein Monocab auch über Weichen fahren? Diese Frage stellt sich natürlich, wenn die Einschienenfahrzeuge dazu dienen sollen, stillgelegte Bahnstrecken zu reaktivieren. Monocabs brauchen mehrere Spurenkränze Diese Aufgabe zu lösen, begleitet die Monocabs schon lange. Angetreten, das Problem zu lösen, sind. Herbert Funke und Rolf Naumann von der Hochschule Bielefeld im Verbund mit der TH OWL und dem Lemgoer Fraunhofer-Institut. Funke, Professor für Konstruktion und E-Mobilität, ist zuversichtlich, es mit dem Team zu lösen. Die Herausforderung: Normale Schienenfahrzeuge haben einen Spurkranz innen an den Rädern für die Führung auf den Schienen. Die Monocabs aber brauchen zwei Spurkränze, innen und außen. Wenn sie über eine Weiche zum Beispiel nach links fahren, würde der rechte Spurkranz mit der geradeaus weiterlaufenden Schiene kollidieren. Was tun? &bdquo;Wir überarbeiten das Fahrwerk und werden auch dieses Problem lösen“, sagt Funke. Digitale Modelle helfen bei der Entwicklung. Es komme jedenfalls nicht infrage, Schienenanlagen für die Monocabs so zu verändern, dass normale Schienenfahrzeuge diese nicht mehr nutzen können. Denn das würde nach Funkes Worten dazu führen, dass die betreffende Eisenbahnstrecke ihre Zulassung verliert. Lösung muss wetterunabhängig funktionieren Die Ideen der Konstrukteure gehen in eine andere Richtung: Der betreffende Spurkranz muss angehoben werden. &bdquo;Vielleicht wird es auch ein zweites Rad geben, das an den Weichen angehoben wird“, sagt Funke. &bdquo;Es gibt viele Ideen, und wir haben schon Konzepte für Lösungen, die jetzt erprobt werden.“ Klar sei, dass die Lösung unter allen Witterungsbedingungen und außerdem möglichst wartungsfrei funktionieren muss. Klar sei aber auch, dass die Frage der Weichenquerung eine der höchsten Anforderungen bei der Entwicklung der Einschienenbahn ist. Daneben möchten die Entwickler um Funke das Fahrwerk komfortabler machen. &bdquo;Es hat noch nicht genug Fahrkomfort, und es soll weniger Geräusche machen.“ Funke ist zuversichtlich, dass die Lösungen zum Jahr 2026 entwickelt und erprobt sind. Denn: &bdquo;Wir haben ein gutes Team.“

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