Darum räumt Frank Stührenberg den Chefsessel bei Phoenix Contact in Blomberg

Blomberg. Schwarzer Anzug, weißes Hemd, nach hinten gegelte Haare: Das sind die Markenzeichen von Frank Stührenberg. Der gebürtige Lipper, der vor 33 Jahren als Assistent der Geschäftsleitung bei Phoenix Contact seine Karriere startete, ist seit zehn Jahren Vorsitzender der Geschäftsführung. Jetzt gibt der Top-Manager den Staffelstab weiter. Mit 61 Jahren. Ungewöhnlich früh. Überraschend früh. Oder nicht? Stührenberg wirkt vollen Tatendrang, als er den Besprechungsraum in einem der obersten Stockwerke des Phoenix-Contact-Hochhauses betritt. Er nimmt an dem langen Tisch Platz, hinter ihm ein übergroßes Gemälde des Mannes, der ihn seinerzeit in die Geschäftsführung holte: Seniorchef Klaus Eisert (90). Das Porträt scheint, milde lächelnd, auf den Manager zu schauen. &bdquo;Es ist genau der Gesichtsausdruck, den Klaus Eisert immer hatte, wenn er mit etwas sehr zufrieden war“, erinnert sich Stührenberg und lacht. Neue Unternehmensstrategie Zufrieden mit dem Erreichten, und damit, dass er ein gut bestelltes Feld hinterlässt, scheint auch Stührenberg zu sein. 20.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weltweit, 8.000 am Hauptsitz in Blomberg. Und die 2021 ausgerufene Unternehmensstrategie der &bdquo;All Electric Society“, hinter der der Manager voll und ganz steht und die er gerne postuliert: eine Welt, in der genügend und vor allem bezahlbare Energie aus erneuerbaren Ressourcen zur Verfügung steht, und in der die Lösungen und Technologien von Phoenix Contact eine entscheidende Rolle spielen. Darauf kann künftig sein Nachfolger mit seiner Führungsmannschaft gut aufbauen. Und auch wenn die letzten beiden Jahre nicht so gut liefen, Stührenberg macht sich keine Sorgen. Unterm Strich werde Phoenix Contact, wenn man die vergangenen vier Jahre betrachte, den Umsatz um eine Milliarde Euro gesteigert haben. 1,3 Milliarden Umsatz-Gewinn in den ersten zwei Jahren, etwa 300 Millionen Euro Umsatz-Verlust in den letzten beiden. Dennoch stimmen die immensen Schwankungen nicht froh, auch wenn es am Ende passt. &bdquo;Zwei Jahre immenses Wachstum, zwei Jahre Verlust – die Amplituden werden steiler.“ Das sei für große Unternehmen eine besondere Herausforderung, erst beschleunigen, dann wieder bremsen, wie bei einem Slalom mit einem 40-Tonner-Lastwagen. Der Übergang in der Geschäftsführung, so versichert er, sei wohl geplant. Acht bis zehn Jahre – das seien für die neue Geschäftsführung und seinen Nachfolger Dirk Görlitzer (57) ein guter Zeitraum, um ausreichend Gestaltungsspielraum zu haben und die geplante Strategie umzusetzen. Dann wird der Staffelstab erneut weiter gegeben. Denn eins wollten auch die Gesellschafter: Eine langfristige strategische Ausrichtung, Stabilität und Kontinuität, auch wenn die Geschäftsführung wechsele, versichert er. Eine Zäsur Sein erstes Büro hatte Stührenberg mitten auf dem Gelände in einem Werksbüro, als Mitarbeiter von Wolfgang Blome. Zunächst habe er vertriebliche Aufgaben bewältigt. In der Geschäftsleitung agierte er erst Anfang der 2000er Jahre. Neben dem deutschen Vertrieb verantwortete er dann auch den internationalen Markt. Gemeinsam mit Dr. Heinz Wesch, Prof. Dr. Gunther Olesch und Roland Bent bildete er die Geschäftsleitung, aus der später die Geschäftsführung aus angestellten Managern, wurde – zu jenem Zeitpunkt, als klar war, dass niemand aus dem direkten Umfeld der Gesellschafter ins Unternehmen eintreten wollte. &bdquo;Eine Zäsur für das Familienunternehmen, doch aus heutiger Sicht die richtige Entscheidung“, ist der Manager überzeugt. Inzwischen ist bei Phoenix Contact eine Geschäftsführung mit ihm als Vorsitzenden in zweiter Generation am Ruder, die dritte Generation folgt, wenn Stührenberg, nach einem halben Jahr Tandem mit Görlitzer, zum Jahresende ausscheidet. Ist es ein Abschied mit einem weinenden Auge? Frank Stührenberg macht nicht den Eindruck: &bdquo;Ich freue mich, dass es gelungen ist, in den wichtigen Funktionen Menschen zu haben, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen“, sagt er. &bdquo;Gerade in der ersten und zweiten Führungsebene kommen diese Menschen fast immer aus den eigenen Reihen, und das ist nicht nur Glück, wir beschäftigen uns wirklich damit, wie das gelingen kann.“ Dass diese Menschen mittleren Alters, männlich, weiß und deutsch sind, ist nicht verwunderlich: Denn diejenigen, die vor 15, 20 Jahren zum Blomberger Unternehmen stießen und heute Zukunft in wichtigen Bereichen gestalten sollen, waren eben junge, männliche Elektrotechniker. Eine Realität, die sich zusehends ändert: &bdquo;Ein wachsendes Unternehmen bietet inzwischen genügend Möglichkeiten für Diversität“, ist der CEO überzeugt. 180 Stellen abgebaut Stührenberg hat in den drei Jahrzehnten seines Wirkens einige Höhen und Tiefen erlebt. Wenn man ihn nach besonderen Herausforderungen fragt, fällt ihm als Erstes eine ein, die nicht besonders gut gemanagt worden ist: Damals, 2001, die ersten angestellten Geschäftsführer waren noch frisch auf ihrer Position und recht unerfahren, habe es zwei Jahre ohne Wachstum gegeben. Die Führung bekam kalte Füße – und traf die Entscheidung, betriebsbedingt rund 180 Stellen abzubauen. Ein heilloses Durcheinander habe das mit sich gebracht, und die ersten Posten seien bereits wieder besetzt worden, als noch gar nicht alle Kündigungen vollzogen waren: &bdquo;Das war eine prägende Erfahrung – und als die richtigen Krisen kamen, 2009, als 20 Prozent des Geschäfts wegbrachen, oder während der Pandemie, hatten wir diese Reflexe längst überwunden.“ Die Schließung der viertgrößten Phoenix-Contact-Gesellschaft in Russland im Juni 2022 mit 250 Mitarbeitern hingegen war unumgänglich – und habe das Unternehmen getroffen, nicht zuletzt, weil zum ersten Mal eine regionale Aktivität geschlossen werden musste. Es folgte das Jahr 2023, in dem Phoenix Contact 100. Geburtstag feierte und sich der Schwarzer-Anzug-Typ Frank Stührenberg erstmals seinen Mitarbeitern in Jeans und T-Shirt zeigte – dem Festival auf der Zeche Zollverein in Essen angemessen. Die Frage danach, ob das Outfit seiner Privatkleidung entspricht, übergeht er geflissentlich. Nur so viel: &bdquo;Es geht das Gerücht, dass ich auch privat ein Schlafshirt trage, auf das ein schwarzes Revers gedruckt ist“, sagt er und lacht. Ob es stimmt? Vermutlich wird man es nicht herausfinden können. Er plant für seinen Ruhestand den Umzug von Bielefeld nach Lüneburg, wo seine Familie schon heute schwerpunktmäßig lebt. Keinem reinpfuschen Doch hin und wieder wird er nach Lippe zurückkehren. Für Sitzungen des Aufsichtsrates der neu gegründeten Phoenix Contact E-Mobility Holding SE, dessen Vorsitz er übernimmt. Eine Aufgabe, die ihn lange nicht so viel Zeit kosten wird wie der Job als CEO. Und das findet Stührenberg auch gut so. Ins aktuelle Geschäft will er nicht reinpfuschen. Ehemalige, die die Arbeit des aktuellen Kaders bekritteln, mag er nämlich gar nicht: &bdquo;Ich bin ja Bayern-Fan. Aber wenn Lothar Matthäus da am Rand steht und kritisiert, dann krieg’ ich einen Hals.“ Die Befürchtung also muss bei dem 61-Jährigen niemand haben. Was er ab nächstem Jahr tut? &bdquo;Ich hab mir schon einen Platz im Garten ausgesucht, wo ich sitzen und schauen werde. Nichts tun. Das kann ich ganz gut, da habe ich keine Befürchtung.“ Ein Top-Manager, der von 180 auf 0 schaltet? Man mag es kaum glauben. Doch er scheint es ernst zu meinen.

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