Oerlinghausen. Ein Ruck geht durch Deutschland seit die Journalisten des Recherche-Netzwerkes Correctiv den Geheimplan von AfD-Politikern, Neonazis und finanzstarken Unternehmern aufgedeckt haben. Dieser Plan sieht vor, Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland auszuweisen – egal ob sie die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen oder nicht. Allerorten wurden Demonstrationen für Demokratie und Toleranz und gegen Rechts organisiert. Tausende Menschen beteiligen sich. In Bielefeld und Osnabrück kamen jeweils 25.000 zu den Kundgebungen.
Auch die Oerlinghauser wollen zeigen, dass in der Bergstadt für rechte Gesinnung kein Platz ist. Die Schülervertretung (SV) des Niklas-Luhmann-Gymnasiums (NLG) organisierte gemeinsam mit Bürgermeister Dirk Becker eine Demonstration mit anschließender Kundgebung auf dem Rathausplatz – und mehr als 1.300 Menschen kamen. Gerechnet hatten die Veranstalter mit 1.000 Teilnehmern. Ideengeberin war die 14 Jahre alte Mia Lotta Kosmann.
„Es ist eine Auszeichnung für diese Stadt, dass so viele Bürger dem Aufruf gefolgt sind, um ein Zeichen der Stärke für diese Demokratie, für die Freiheit, für die Menschenwürde und das Grundgesetz zu setzen“, sagte Becker. Der Termin für die Demo fällt auf einen Jahrestag. Am 27. Februar 1933 brannte der Reichstag. Nur einen Tag später wurde die Notverordnung in Kraft gesetzt, mit der die in der Weimarer Verfassung festgesetzten Grundrechte außer Kraft gesetzt wurden.
„Wir sind auf der Straße, um zu zeigen, dass unsere junge Generation ein weltoffenes, buntes und vielfältiges Deutschland sein soll“, sagte Mia Lotta Kosmann. „Wir sind täglich gefragt, Nein zu Hass, zu Ausgrenzung und zu rechter Hetze zu sagen. Vorstellungen wie Egoismus, Nationalismus und Demokratieverachtung wie die der AfD dürfen keine Chance haben.“
NLG-Schulleiterin Katrin Tebben dankte den Mitgliedern der SV und dem Bürgermeister für die Organisation der Veranstaltung und sagte: „Wir sind mehr. Es gibt mehr Menschen, die für Vielfalt und Toleranz, für die Menschenwürde und für Demokratie auf die Straße gehen, als diejenigen, die sich dagegen wenden.“ Und sie sagte auch, was jeder für eine offene Gesellschaft tun könne: „Nutzen wir unser Wahlrecht und schauen genau hin. Denn nur wer sich beteiligt, kann die Zukunft unseres Landes mitgestalten.“ Und das gelte bei der Europawahl am 9. Juni bereits für Jugendliche ab 16 Jahren. Sie schloss mit einem Zitat des lippischen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier: „Wir brauchen die Demokratie – aber ich glaube, derzeit braucht die Demokratie vor allem uns.“
Veranstaltungsleiter Joachim H. Peters, ehemaliger Polizist und aktiver Krimiautor, Kabarettist und Moderator nahm sich den Beginn der Nationalhymne, um zu erklären, was die AfD, die Neonazis, die Identitären und die Verschwörungserzähler wollen. „Sie wollen unsere Einigkeit spalten, sie wollen das Recht durch Willkürherrschaft ersetzen und uns unsere Freiheit nehmen.“ Doch eben diese Werte seien des Glückes Unterpfand – und wer von uns will schon unglücklich sein? Um die Feinde der Demokratie aufzuhalten brauche es nicht mehr als einen Kugelschreiber oder Bleistift, denn diese Feinde werden in erster Linie an der Wahlurne bekämpft. „Und deshalb gilt: Geht wählen und wählt weise.“
Dass sich auch die Wirtschaft für die Werteordnung unserer Gesellschaft einsetzt, machte Paul von Schubert deutlich. Der Geschäftsführer der Gundlach Holding, selbst ehemaliger Schüler des NLG, nannte die „Deportationsphantasien der AfD völkisch und radikal“. Die Partei akzeptiere Nazis in ihren Reihen. Sie sei eine Gefahr für unsere Gesellschaft. Er warnte, wer AfD aus Protest wähle, riskiere zu viel und zog Vergleiche zur NSDAP. Die hätte nur zwei Monate nach der Wahl die ersten KZ eröffnet und die Ermächtigungsgesetze erlassen. „Nie wieder muss auch in Zukunft gelten und die beginnt heute.“ Die Ideen der AfD dürfen nicht salonfähig werden, sagte von Schubert.