
Oerlinghausen. Bruno Buschmann ist 94 Jahre alt. Wer ihn erlebt, der wird das kaum für möglich halten. Er selbst aber sagt: „So alt zu werden, dazu gehört schon Mut, man muss lernen, abzugeben, weniger zu machen und zufrieden sein mit dem, was noch möglich ist.“ Dazu gehört es, zu reisen und Kunst zu genießen. Gerade ist der Bildhauer in Berlin gewesen und hat sich mit einem Freund aus Jugendtagen die in Berlin laufende Donatello-Ausstellung angesehen. Donatello gilt aus Begründer der italienischen Renaissance.
„Früher, da habe ich in Museen alles aufgesaugt“, beschreibt Bruno Buschmann die besondere Freude an der Kunst. „Heute fällt es mir schwerer, alles aufzunehmen.“ Ähnlich ging es ihm in der Zwangsarbeiterausstellung, die derzeit im Heimathaus des Heimatvereins Verl gezeigt wird. Bruno Buschmann, gebürtiger Verler, ist dort nicht mit einer seiner Arbeiten vertreten, sondern als einer der Zeitzeugen, der seine Erlebnisse auf einer der ausgestellten Tafeln schildert.
Bruno Buschmann weiß noch, dass die drei Zwangsarbeiter auf dem Nachbarhof Helfgerd Maria, Nikolaj und Kojle hießen. Mit Nikolaj freundete er sich an, schrieb ihm von einem Ausflug eine Ansichtskarte, die der Briefträger zum damaligen NSDAP-Ortsgruppenleiter brachte. Der sprach daraufhin eine Drohung aus: „Freundschaft mit diesen Leuten gibt es nicht. Du schreibst dem keine Karte mehr, sonst passiert was Schlimmes.“ Daran gehalten hat Bruno Buschmann sich nicht. In den Akten, die in der Ausstellung ausliegen, möchte der 94-Jährige demnächst in Ruhe nach Maria suchen. Die in Kooperation mit dem Stadtarchiv konzipierte, sehenswerte Ausstellung in Verl läuft noch bis zum 27. November.
Eine besondere Büste ist seit 2017 verschwunden
Auch als Bildhauer ist Bruno Buschmann nach wie vor gefragt. „Gelernte Holzbildhauer gibt es heute kaum noch“, sagt er und erklärt, warum er noch oft für Inschriften angefragt wird. Heilige Figuren zu gestalten, da sei die Nachfrage mittlerweile allerdings gering. „Die Heiligen purzeln heute aus der Maschine“, sagt Buschmann und zuckt mit den Schultern. Große Bronzefiguren, wie er sie früher geschaffen hat, lässt er gießen, wenn denn eine Anfrage kommt. Sein Atelier nutzt er ansonsten zum Zeitunglesen. Seine vorerst letzte Arbeit in Oerlinghausen sind die Bronzegussplatten an den Wasserspielen auf dem Rathausplatz, die beliebter Anziehungspunkt geworden sind. Die von ihm gegossene Büste des Soziologen Niklas Luhmann, die seinerzeit vor dem mittlerweile abgerissenen St.- Hedwigs-Haus an der Hermannstraße stand und seit 2017 verschwunden ist, ist nicht wieder aufgetaucht. Ähnliches ist ihm einmal mit einer lebensgroßen Bronzefigur in Bad Salzuflen passiert. „Die ist am helllichten Tag abgefahren worden.“ Unglaublich.
Bruno Buschmanns Freund Heinz Spilker (fast 95), mit dem er früher im Segelflugzeug die Welt von oben betrachtet hat, ist ebenfalls ein bekannter Bildhauer. Er hat unter anderem Persönlichkeiten aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft im Berlin der Nachkriegszeit in seinen Büstenporträts verewigt. Mit ihm zusammen war er in der Donatello-Ausstellung in Berlin. „Wir haben überlegt, ob wir mit dem Rollator gehen“, sagt Bruno Buschmann. Sicher sei schließlich sicher.
„Man muss akzeptieren, dass alle Sinne angeschlagen sind, obwohl das schwer ist.“ Seinen Lebensmut und seinen Humor hat er dennoch nicht verloren. Und wie sieht er die Zukunft der Kunst? „So schnell wie sich die Stile ändern“, sagt er, „kann man gar nicht gucken“.