Oerlinghausen/Leopoldshöhe

Wo die Lipperreiher digital Spitze sind

Neun lippische Kommunen beteiligen sich bisher an der „DorfFunk“-App und der „DorfPages“-Seite. Hier können Bürger Netzwerke pflegen, Angebote einstellen, Hilfe holen. Ehrenamtliche schulen die Nutzer.

Felix (rechts) und Heino Rinne, Autor bei „Extertal digital“, pressen Most und posten dies über „DorfFunk“. | © Stephanie Terschüren

15.11.2020 | 15.11.2020, 09:23

Oerlinghausen/Leopoldshöhe. Margret Vogt startet die App. Der erste Blick der 88-Jährigen geht zu den News: Das „Mahlzeit“-Team hat umorganisiert. Statt samstags „Essen in Gesellschaft“ gibt es einen Eintopf im Schraubglas, den man sich nun in Lipperreihe holen kann. Keine Option für Margret Vogt. Die schaut lieber nach dem neuen Plausch. Seit Januar nutzt die rüstige Rentnerin die „DorfFunk“-App.

„Ich war skeptisch, ob ich mit einem Smartphone zurechtkomme“, erinnert sie sich. Dass Margret Vogt sich online über Neuigkeiten informiert und Blumenfotos vom Spaziergang funkt, verdankt sie Digital-Lotsen. Das sind Lernhelfer, die anderen zeigen, wie sie Smartphones & Co. nutzen können.

Manuela Outiti ist Koordinatorin der Digitalisierung in Lipperreihe. Ihr Ziel: Digitalisierung lokal gestalten. „Nur eine Bürgerplattform einzurichten, reicht nicht. Es ist wichtig, Netzwerke aufzubauen, Vertrauen durch Beziehungen zu schaffen und kontinuierlich darauf hinzuarbeiten, dass jeder sich mit Inhalten beteiligen kann.“

Schon von Berufswegen liegt Outiti digitale Kompetenz vor allem im Bereich Gesundheit am Herzen. „Alles, was es ermöglicht, mit anderen in Kontakt zu bleiben, beugt Einsamkeit vor und fördert die Gesundheit“, sagt sie. Wenn Bedarf an Hilfestellung bestehe, werde auch das teils online organisiert – etwa durch fachliche Expertisen bei Einsprüchen bei Entscheidungen des Medizinischen Dienstes.

Es gehe darum, jedes Alter zu erreichen

Also in erster Linie ein Angebot für Senioren? Nein, sagen alle Beteiligten. Es gehe darum, jedes Alter zu erreichen. Zur Kommunalwahl etwa wurde das Format „Statt Wahlkampf besser Wahlfairness“ in Kombination mit der „Fairen Woche“ entwickelt.

Erstwählerinnen und -wähler konnten den Kandidaten Fragen stellen und Bürger erstellten „Wahlprüfsteine“. Dabei wurde generationsübergreifend mit der Jugend ein Video produziert. Andere Altersgruppe, andere Formate. Um Ältere mitzunehmen, brauchte es Lernformate, die wegen der Pandemie umgestaltet wurden: von der Lerngruppe zum Homeschooling.

Burkhard Kleine ist einer von vier Lernbegleitern. „Es ist wichtig, digitale Lernangebote einfach zu gestalten, um weniger technikaffine Bürger mitzunehmen. Handgriffe müssen geübt werden.“

Je mehr mitmachen, desto bunter wird es

Je mehr teilnehmen, desto bunter und lebendiger wird es, wie die Lippi-/Oerlistein-Aktion zeigt. Bemalte Steine werden draußen ausgelegt, gefunden, fotografiert, in der App gefunkt und weitergetragen. Das Anschauen macht viele glücklich – analog und digital, weil es verbindet.

„Corona hat uns ausgebremst. Eigentlich sollte die Website ,Extertal digital‘ eine Plattform sein, auf der sich Vereine mit ihren Aktionen präsentieren und Nachberichte sollten dokumentieren, was los war vor Ort“, erklärt Heino Rinne. Jetzt sei die Fantasie des 15-köpfigen Redaktionsteams gefragt. Rinne bietet ehrenamtlich Termine an, an denen Gruppen Obst zu Saft pressen lassen können.

Der „DorfFunk“ hat aber nicht alle überzeugt. Dörentrups langjähriger Bürgermeister Friedrich Ehlert beispielsweise sieht das Angebot im Nachhinein eher kritisch. „Ich persönlich habe die App kaum genutzt. Sechzigjährige fühlen sich heute nicht mehr alt.“ Sie stünden mitten im Leben und suchten eigene Kommunikationskanäle.

In Barntrup sollen App und Page im November starten. Aktiv dabei ist Silvia Genat. „Ich habe Spaß daran, Neues auszuprobieren“, erklärt die Schulleiterin. Sie wünscht sich einen Austausch auf Augenhöhe mit Respekt, der zu Diskussionen anregt. Sie selbst könne es kaum erwarten, sagt sie.

Idee von einer weiterreichenden App

In Leopoldshöhe haben SPD und Bündnis 90/Die Grünen eine umfassendere App in ihre Kooperationsvereinbarung für die neue Wahlperiode aufgenommen. Demnach ist ausdrücklich erwünscht, dass diese App oder ein entsprechendes Online-Angebot alle Bürgerinnen und Bürger, aber auch Wirtschaft, Handel, Dienstleister, Vereine und Kulturschaffende gleichermaßen ansprechen soll.

INFORMATION


3.132 Nutzer

„DorfFunk“ und „DorfPages“ widmen sich der Frage: Was ist los in meiner Kommune? Initiator ist das Fraunhofer IESE, das das Projekt „Digitale Dörfer“ drei Jahre lang betreut und wissenschaftlich auswertet.

Neuigkeiten auf den „DorfPages“-Seiten landen automatisch in der verknüpften „DorfFunk“-App. Inhalte werden von ehrenamtlichen Mitarbeitenden generiert.

Start war 2015 in Rheinland-Pfalz. In Lippe nehmen neun Kommunen teil, nun kommt Barntrup dazu.

In ganz OWL sind es knapp 100 Kommunen. Der Oerlinghauser Ortsteil Lipperreihe mit seinen 3.200 Einwohnern gehört zu den aktivsten „Funkern“. Sie wurden mehrfach ausgezeichnet.

Die Zahl der Nutzer dort stieg seit Januar um das Doppelte auf gut 600 an. Das gilt auch für die Zugriffe auf die „DorfPage“, die bei 3568 liegen.

In Lippe nutzen 3.132 Bürgerinnen und Bürger den „DorfFunk“.